Von Been-Tos und afrikanisch-amerikanischem Musikaustausch
Auf der ursprünglich 1977 erschienenen, inzwischen aber vielfach neu aufgelegten Langspielplatte "Johnny Just Drop" präsentiert sich der nigerianische Musiker Fela Kuti als der musikalische Langstreckenläufer, als der er Mitte der 1970er-Jahre bereits bekannt war: Die Platte enthält lediglich das titelgebende, über 23 Minuten lange Stück, aufgeteilt auf die A- und B-Seite. Die Illustrationen auf Vorder- und Rückseite des Covers der Platte bebildern humorvoll das Thema dieses Liedes. Auf beiden Darstellungen ist jeweils ein Flugzeug zu erkennen, dem eine Person entspringt. Auf der Illustration der Vorderseite landet sie in einer Gruppe von Menschen, die den Absprung fasziniert beobachtet, auf der Rückseite ist eine Person noch im Flug oder Sturz über einer Stadtlandschaft zu sehen, die als die nigerianische Wirtschaftsmetropole Lagos identifiziert werden kann. Der von Fela Kuti gesungene Text des Stücks "J.J.D." ist den sogenannten "Been-tos" gewidmet, Westafrikanern, die im Westen (also Europa oder den USA) gewesen ("they have been to…") und nun nach Afrika zurückgekehrt sind. Fela Kuti sprach damit eine Thematik an, die von der Wissenschaft erst in den folgenden Dekaden aufgegriffen wurde. Während die Forschung eher die durch "Been-tos" verstärkte gesellschaftliche Dynamik diskutierte und streckenweise gar feierte, spottet Kuti in seinem Stück über die kulturelle Entfremdung der zurückgekehrten Migranten. Diese prahlten in seiner Sicht nicht nur mit ihrem in Übersee erworbenen materiellen Wohlstand sondern auch mit ihrem kulturellen Kapital als Kosmopoliten und gerierten sich als distinguierte englische Gentlemen oder coole Afroamerikaner.
Fela Kuti, geboren 1938 in Abeokuta, gestorben 1997 in Lagos, war einer der berühmtesten Musiker Nigerias und Afrikas. Er gilt als Erfinder des Afrobeat. Ab den 1970er-Jahren machte Kuti auch durch politischen Aktivismus auf sich aufmerksam. Trotz der genannten Kritik an den Been-Tos waren für Kuti Reisen nach Großbritannien und in die USA von großer Bedeutung, da er hier Inspirationen für die Entwicklung des Afrobeats fand, der besonders vom US-amerikanischen Soul, Jazz und Funk beeinflusst wurde. Aber auch für seine politische Bewusstseinsbildung waren die Reisen wichtig: In seinen Stücken thematisierte er Imperialismus und Neokolonialismus und warb für panafrikanische Ziele. Diese Neuorientierung Kutis seit den 1970er-Jahren spiegelte sich im Wechsel seines Zwischennamens von "Ransome", den er als "Sklavennamen" ablehnte, zum Yoruba-Namen "Anikulapo" mit deutlich aggressiven Konnotationen.
Kutis gewachsene Kritikbereitschaft schlug sich außerdem nicht nur in den Texten und in seiner nun härteren Musik nieder, sondern auch in den Coverillustrationen seiner Alben. Auf dem Album „Yellow Fever“ etwa prangert er im Titelstück Hautbleichungscremes an, die er als Zeichen mangelnden Stolzes auf schwarze Identität ansah. Besonders berühmt wurden sein Stück "Zombie", in dem er die Gehorsamslogik des Militärs kritisiert und das zugehörige Albumcover, das diese Kritik umsetzte. Kutis explizite Kritik an Nigerias Eliten brachte ihn in Konflikte mit Nigerias Machthabern. Vermutlich durch das Stück "Zombie" ausgelöst, wurde sein zur unabhängigen "Kalakuta-Republik" deklariertes Gehöft in Lagos Ziel eines brutalen Übergriffs durch das nigerianische Militär – Fela Kuti ließ sich jedoch nicht einschüchtern und thematisierte diesen Überfall in einigen Stücken und auf einem Cover, das mit Zeitungsausschnitten zu diesem Überfall gestaltet wurde.
Wie viele Musiker seiner Zeit schätzte Fela Kuti das Album als Kunstwerk – die Plattencover sollten die im Text und der Musik transportierten Inhalte illustrieren, pointieren, verstärken. Als er eine von dem nigerianischen Künstler Ghariokwu Lemi angefertigte Porträtzeichnung gesehen hatte, bat er ihn seine Cover zu gestalten. Lemi, geboren 1955 in Lagos, lebte in den 1970ern in Felas "Kalakuta Republik" und entwarf 26 Plattencover für Kuti. Häufig arbeitete er auch in Kutis Nachtclub "The Shrine". Ghariokwu Lemi stellt seine Werke auch heute noch aus, auch international, etwa in den USA und Frankreich. Das Cover des hier gezeigten "Johnny Just Drop" verdeutlicht auch den Ruf, den sich Fela Kuti national und international in den 1970er-Jahren bereits erarbeitet hatte. Dass nur sein Vorname auf dem Cover erscheint, deutet an, welch herausgehobenen Status er erreicht hatte, die Erwähnung der "Kalakuta Republik" fungierte als "Gütesiegel" für dissidente Musik. Die Kritik nicht nur an politischen Eliten sondern auch an Migranten, deren mangelndes kulturelles Selbstbewusstsein Kuti hier anprangert, verdeutlicht, wie sehr ihm an einer grundlegenden Veränderung der postkolonialen afrikanischen Gesellschaft gelegen war.Wie viele Musiker seiner Zeit schätzte Fela Kuti das Album als Kunstwerk – die Plattencover sollten die im Text und der Musik transportierten Inhalte illustrieren, pointieren, verstärken. Als er eine von dem nigerianischen Künstler Ghariokwu Lemi angefertigte Porträtzeichnung gesehen hatte, bat er ihn seine Cover zu gestalten. Lemi, geboren 1955 in Lagos, lebte in den 1970ern in Felas "Kalakuta Republik" und entwarf 26 Plattencover für Kuti. Häufig arbeitete er auch in Kutis Nachtclub "The Shrine". Ghariokwu Lemi stellt seine Werke auch heute noch aus, auch international, etwa in den USA und Frankreich. Das Cover des hier gezeigten "Johnny Just Drop" verdeutlicht auch den Ruf, den sich Fela Kuti national und international in den 1970er-Jahren bereits erarbeitet hatte. Dass nur sein Vorname auf dem Cover erscheint, deutet an, welch herausgehobenen Status er erreicht hatte, die Erwähnung der "Kalakuta Republik" fungierte als "Gütesiegel" für dissidente Musik. Die Kritik nicht nur an politischen Eliten sondern auch an Migranten, deren mangelndes kulturelles Selbstbewusstsein Kuti hier anprangert, verdeutlicht, wie sehr ihm an einer grundlegenden Veränderung der postkolonialen afrikanischen Gesellschaft gelegen war.
In anderer Hinsicht stellt das Cover aber eine Ausnahme dar, ist es doch einer der seltenen Fälle, in dem Kuti und Lemi keine Einigkeit über das Coverdesign erzielen konnten. Sie entschieden sich daher für ein Cover zum Ausklappen, dessen Vorderseite Kutis und die Rückseite Lemis bevorzugte Version zeigt.
Dr. Hauke Dorsch, Wissenschaftlicher Leiter des Archivs für die Musik Afrikas
Objekt des Monats März 2014
Preisgesang auf Dichterfürsten und Präsidenten – Lamine Kontés "Chant du Nègre… Chant du Monde…"
Literatur
- Hauke Dorsch: Afrikanische Diaspora und Black Atlantic – Einführung in Geschichte und aktuelle Diskussion, Münster 2000.
- Hauke Dorsch: 'Indépendance Cha Cha' – African Pop Music since the Independence Era, in: Africa Spectrum 45, 3 (2010), S. 131-146.
- Hauke Dorsch: Indépendance Cha Cha – Afrikanische Musik in der Unabhängigkeitsära
- Hauke Dorsch: 'Music is The Weapon' Zur neuen Bedeutung von Musikern und der entstehenden Musikindustrie in Afrika (2012)
- Hauke Dorsch: Vom "Indépendance Cha Cha" zu "Quitte Le Pouvoir" – Afrikanische Popmusik seit der Unabhängigkeitsära, in: Bierschenk, Thomas und Eva Spies (Hg.): 50 Jahre Unabhängigkeit in Afrika, Köln 2012, S. 501-522.
- Ulf Hannerz: The World in Creolization. In: Africa 57, 4 (1987), S. 546-559.
- Ulf Hannerz: Cultural Complexity: Studies in the Social Organization of Meaning. New York 1992.
- Jeannett Martin: 'Been-To', 'Burger', 'Transmigranten?' Zur Bildungsmigration von Ghanaern und ihrer Rückkehr aus der Bundesrepublik Deutschland, Münster 2005.
- Carlos Moore: Fela: This Bitch of a Life, London 1982.
- Sola Olorunyomi: Afrobeat! Fela and the imagined continent. Trenton 2003.
- Michael E. Veal: Fela: The life & times of an African musical icon, Philadelphia 2000.
- http://lemighariokwu.wordpress.com/artist-statement/
- http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=39408&page=1
Das Stück "J.J.D." kann auf den üblichen Online-Plattformen gehört werden.