Wer in der Römerzeit reich war und das Bedürfnis verspürte, das auch zu zeigen, speiste aus Gold- oder Silbergeschirr. Breiten Bevölkerungsschichten war solches Protzen natürlich nicht vergönnt. Der "Normalverbraucher" durfte damals zufrieden sein, wenn er gute, wasserdichte Tongefäße sein Eigen nennen konnte.
Doch die Herstellung derartiger Keramik war gar nicht so einfach: Je poröser die Oberfläche, desto schwieriger die Reinigung von Speiseresten; im schlimmsten Fall diffundierte die Suppe durch. Noch im 19. Jahrhundert behalf man sich deshalb mit bleihaltigen Glasuren – eine Technik, die den Römern zwar bekannt war, aber recht selten angewandt wurde. Häufiger erreichte man Dichtigkeit durch eine möglichst glatte Oberfläche, indem man eine Engobe (äußerst feinen Tonschlicker) aufbrachte oder möglichst feinen Ton mechanisch glättete.
Im 1. Jahrhundert v. Chr. kam es zusätzlich zu einer bedeutenden Innovation in der Töpfertechnik: Schablonen und Formen ermöglichten nun die Produktion sehr feiner, engobierter Gefäße in großer, gleichartiger Stückzahl. Ja, durch diese konnte man nun sogar anspruchsvolle, künstlerisch gestaltete Dekore als Reliefs auf der Gefäßwandung vervielfältigen.
Die oxidierend, rotorange gebrannte Ware wird heute Terra sigillata genannt (der antike Name ist unbekannt). Große Manufakturen in Etrurien und dem Rhônetal produzierten anfangs insbesondere für die durch Soldzahlungen liquiden Legionäre am Rhein, doch rasch fand sich Terra sigillata als Speisegeschirr auch auf den Tischen weniger vermögender Zivilisten: Schon in der Antike galten ökonomische Gesetzmäßigkeiten, die Unternehmer "Masse statt Klasse" produzieren ließen – um einer großen Nachfrage bei bescheidener Kaufkraft gerecht werden zu können.
Nach einigen Generationen wurden im 1. Jahrhundert n. Chr. die ästhetischen Ansprüche fallen gelassen, ab dem 2. und vor allem im 3. Jahrhundert n. Chr. überschwemmte minderwertige Terra sigillata den Markt nördlich der Alpen.
Heutige Archäologen könnten diesen Niedergang und Qualitätsverlust bedauern oder die Entwicklung zum Anlass nehmen, über billig und schlecht in unserer Zeit nachzudenken. Stattdessen profitieren sie ganz erheblich von dem beschriebenen Umstand. Terra sigillata wurde in so großen Mengen produziert, dass sie an nahezu jedem einstigen römischen Siedlungsplatz zu finden ist – so ist sie gewissermaßen das "Leitfossil" der Provinzialrömischen Archäologie.
Entsprechend große Bedeutung hat das Wissen um diese Keramik in der Ausbildung der Studierenden und es ließe sich nicht besser vermitteln, als mit Originalen zum Anfassen. In der Lehrsammlung der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie des Instituts für Altertumswissenschaften gibt es dafür einen größeren Bestand Terra sigillata. Das hier gezeigte Gefäß aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. wurde ganz bewusst wegen seiner Schlichtheit ausgewählt. Die lieblose Geschwindigkeit bei seiner Herstellung ist ebenso erkennbar wie Beschädigungen aus der Benutzungszeit. Billig, schlicht und qualitativ eher zweitklassig wurde das Schüsselchen von seinem Benutzer aber doch so lange gebraucht, bis es schließlich zerbrach.
PD Dr. Peter Haupt
Literatur
- Jochen Garbsch: Terra sigillata. Ein Weltreich im Spiegel seines Luxusgeschirrs, München 1982.
- Otto Roller: Die römischen Terra-sigillata-Töpfereien von Rheinzabern, 2. Aufl., Stuttgart 1969.