Ein Thema, auf welches ich bei den Recherchen zu meinem letzten Artikel über das Ökologie-Referat des AStA immer wieder gestoßen bin, ist das Green Office. Was genau versteht man darunter? Und welche Initiativen und Pläne gibt es dazu an der Uni Mainz? Erfahrt mehr zu dieser Idee.
„Das Green Office-Model ist ein hervorragender Ansatz, um Bildung für nachhaltige Entwicklung an Hochschulen zu etablieren, und Lehre, den Campus und das studentische Leben zu verändern.“ Wenn man die Homepage der offiziellen Webseite der Green-Office-Bewegung öffnet, springt einem diese Aussage von Miriam Tereick – der Umweltbeauftragen für Nachhaltigkeit der UNESCO – direkt ins Auge.
Aber was ist das eigentlich, ein Green Office? Dahinter verbirgt sich ein Nachhaltigkeitsbüro – das heißt ein erster Anlaufpunkt für Informationen zum Umweltschutz und eine wichtige Verbindungsstelle zwischen Studierenden, Mitarbeitenden und der Uni-Leitung für alle Aktionen im Bereich Nachhaltigkeit. Das Büro soll die Hochschulangehörigen dabei unterstützen, sich aktiver mit diesem Thema zu beschäftigen, es in Lehre, Forschung, Betrieb und Hochschulgemeinschaft zu integrieren und gemeinsam Nachhaltigkeitsprojekte umzusetzen. Das Green Office ist aber nicht nur eine ehrenamtliche Initiative, sondern es wird von der Hochschule genehmigt und finanziert und von den Studierenden und Beschäftigten gemeinsam geführt.
Die Bewegung
Die europaweite Bewegung Green Office Movement entstand 2010, als in den Niederlanden das erste Büro an der Universität Maastricht errichtet wurde. Seitdem übernahmen Hochschulen in ganz Europa das Modell. Das Berliner Sozialunternehmen rootAbility entwickelte es weiter und schaffte es damit im Jahr 2015 sogar in den Kreis der Preisträger des erstmalig vergebenen UNESCO-Japan Preises in Bildung für nachhaltige Entwicklung. RootAbility wurde 2020 aufgelöst, seine Aktivitäten sind mittlerweile in der Vereinigung Students Organizing for Sustainability (SOS) International integriert.
Auf einer interaktiven Karte wird sichtbar, wie weit die Bewegung im Bundesgebiet und darüber hinaus schon erfolgreich Fuß fassen konnte. Allein in Deutschland findet man mittlerweile zwölf etablierte Green Offices – unter anderem in Berlin, Darmstadt und Magdeburg – davon zwei in Rheinland-Pfalz. Vorreiterin war hier die TU Kaiserslautern, die bereits seit 2016 über ein Nachhaltigkeitsbüro verfügt. Das zweite wurde im Wintersemester 2017/18 auf dem Umwelt-Campus Birkenfeld gegründet. Zudem gibt es an deutschen Hochschulen immer mehr Gründungsinitiativen. So riefen Studierende an der Universität Landau im Sommersemester 2018 ein studentisches Green Office ins Leben, welches selbstorgansiert ist und erst nach und nach von der Univerwaltung wahrgenommen wurde.
Die Gesetzeslage
Im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung von Rheinland-Pfalz findet sich folgender Absatz: „Nachhaltigkeitsbestrebungen an den Universitäten, wie z.B. Green Offices, begrüßen wir und unterstützen deren Ausbau.” Auch die LandesAStenKonferenz Rheinland-Pfalz – die politische Vertretung der Studierenden – setzt sich für die Einrichtung von Green Offices an Hochschulen in ganz Rheinland-Pfalz ein. Sie forderte unter anderem in ihrem Positionspapier von September 2020, dies durch eine Aufnahme im Hochschulgesetz verpflichtend zu machen und auch die Finanzierung sicherzustellen.
Am 23. September 2020 trat das neue Hochschulgesetz des Landes in Kraft, welches mit dem unter § 2 Aufgaben neu geschaffenen Absatz 7 zum Thema Nachhaltigkeit eine deutliche Verbesserung gegenüber dem alten Gesetz darstellt. So werden die Hochschulen nicht nur aufgefordert, sich zu den Prinzipen der nachhaltigen Entwicklung zu bekennen, sondern darüber hinaus, sich dabei nicht allein auf die Lehre zu konzentrieren und auch andere Bereiche ins Auge zu fassen. Als eine mögliche Maßnahme wird hier die Errichtung eines Green Office empfohlen. Eine Verpflichtung dazu gibt es allerdings nicht.
Die Kämpfenden
Seit 2019 betreut der Arbeitsbereichs für Ökologie und Studierendenwerk des AStA Mainz eine Initiative, die sich für die Etablierung eines Green Office an der JGU einsetzt. Ich verabrede mich im Juli dieses Jahres zu einem virtuellen Interview mit drei der vier Referentinnen und Referenten des Arbeitsbereichs, um Näheres über ihre Pläne zu erfahren. Sie gehören zur Hochschulgruppe Campus-Grün, welche bei den letzten Wahlen die meisten Stimmen erringen konnte.
Geografiestudent Julian Kappl ist mit seiner zweijährigen Tätigkeit im Arbeitsbereich schon so etwas wie ein alter Hase. Man merkt ihm an, dass er für das Thema Nachhaltigkeit brennt. Bereits als Schüler drehte er Filme über den Klimawandel und verrichtete seinen Bundesfreiwilligendienst in einem Nationalpark.
Referentin Hannah Dormann studiert ebenfalls Geografie und kannte Julian schon vor ihrer Tätigkeit für den AStA. Sie ist bereits seit 2018 an der JGU, wirkt aber erst seit einem Jahr im Arbeitsbereich mit. Hannah entdeckte ihr Interesse für Umweltthemen vor allem während des Studiums.
Chiara Grima de la Gruz studiert Theaterwissenschaften und Linguistik. Sie engagierte sich schon während ihrer Schulzeit in der Grünen Jugend, da sie nicht zufrieden mit der Politik in ihrem Heimatort in Nordrhein-Westfalen war.
Der vierte Referent im Arbeitsbereich ist Philipp Kirschner von der Linken Liste. Der Politikwissenschaftler ist ebenfalls erst seit Februar 2021 dabei und für den Bereich Studierendenwerk verantwortlich, das heißt er vertritt studentische Belange in den Mensen und Wohnheimen.
Normalerweise trifft sich der Arbeitsbereich regelmäßig einmal die Woche, bei aktuellen Anlässen auch häufiger. Durch Corona fanden die Treffen im ersten Halbjahr 2021 aber nur online statt. Besonders Studienanfängerin Chiara, die ihre gesamte Studienzeit bisher fast ausschließlich digital verbrachte, merkt man die Freude an, dass sie ihren Ko-Referentinnen und -Referenten nun endlich persönlich begegnen kann.
Der Plan
Hannah, Chiara und Julian erklären mir, was sie unter einem Green Office verstehen und was sie sich davon an der Uni Mainz versprechen. Das Green Office solle möglichst alle Bereiche abdecken, so auch Forschung und Lehre. Neue Studiengänge im Bereich Nachhaltigkeit wären denkbar, etwa ein Studium Oecologicum. Abschlussarbeiten zum Thema könnten hier betreut und nachhaltige Forschung interdisziplinär gefördert werden.
Hannah erhofft sich durch das Büro endlich eine Möglichkeit, auch kurzfristige Umwelt-Projekte am Campus umzusetzen. Das Green Office wäre eine Anlaufstelle für alle Anfragen oder Vorschläge und für den Ideenaustausch. Außerdem könnten Veranstaltungen und Aktionen vorbereitet und durchgeführt werden. Julian ergänzt: „Jeder Studierende sollte im Laufe seines Studiums mit dem Thema Nachhaltigkeit in Berührung kommen. Aber auch die Mitarbeitenden sollten durch das Green Office endlich eine Ansprechperson erhalten – im Moment gibt es das nicht, die Studierenden haben wenigstens den AStA.“
Julian stellt sich sogar eine Bibliothek bzw. Literatursammlung zum Thema Nachhaltigkeit vor. Diese Idee ist nicht neu. Bereits in den 80er Jahren verfügte das Ökologiereferat über eine eigene Öko-Bibliothek. Außerdem ist Julian der Meinung, dass sämtliche Neuanschaffungen und neue Bebauungsmaßnahmen am Campus durch das Green Office auf Nachhaltigkeit geprüft werden müssten. „Der letzte Umweltbericht an der Uni war von 2003. Es gibt keine aktuelle Aufstellung über den Verbrauch in den einzelnen Instituten und Einrichtungen. Bevor etwas verbessert werden kann, müsste erst einmal geprüft werden, an welchen Stellen Verbesserungen nötig und möglich sind“.
Natürlich würde man erst einmal klein anfangen, alles müsse sich organisch entwickeln. „Das Green Office sollte direkt unter dem Uni-Präsidium angesiedelt und weisungsbefugt sein“, machen mir die drei Ihren Standpunkt deutlich.
Die Ausstattung
Laut Website der deutschen UNESCO Kommission Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) besteht das durchschnittliche Green Office aus „fünf studentischen Mitarbeiter*innen, die 14 Stunden die Woche arbeiten, und eine* universitären Mitarbeiter*innen [sic!]“. Das Budget wird mit 60.000 Euro für Projektausgaben und Gehälter veranschlagt. Für eine Sichtbarkeit sorgten permanente Büroräume und eine ständige Online-Präsenz.
Auch der Arbeitsbereich Ökologie hat zusammen mit einem Finanzpolitiker von der CDU eine Kalkulation für das Green Office erstellt – die Kosten lägen hier bei unter 100.000 Euro jährlich inklusive Budget für Maßnahmen und Projekte. Ausgegangen wurde dabei von zunächst einer hauptamtlichen Person mit 20 Stunden und zwei bis vier studentischen Hilfskräften als Unterstützung. Die Räumlichkeiten wären an der Uni vorhanden und das Budget könnte sogar größtenteils über Drittmittel eingeholt werden – dadurch würden sich die Kosten noch einmal entscheidend verringern. Gar kein oder ein nur halbherzig umgesetzter Klimaschutz kämen nach Einschätzung des Arbeitsbereichs am Ende auf jeden Fall deutlich teurer. Voraussetzung dabei sei, dass das Green Office ein fixer Posten im Haushalt der Uni wird, um dauerhaft bestehen zu können.
Der gesamte Arbeitsbereich hat bereits an einer Green-Office-Tagung des Veranstalters netzwerk n teilgenommen. Chiara fasst die Haupterkenntnis zusammen: „Wenn die Uni-Leitung nicht dahintersteht, kann man an der JGU im Bereich Nachhaltigkeit nichts wirklich umsetzen“.
Die Initiative
Mitte Juli 2020 wurde zusammen mit Studierenden ähnlicher Initiativen aus anderen rheinland-pfälzischen Hochschulen bereits ein offener Brief mit der Forderung nach einem Green Office an die Landesregierung überreicht. Ein zweiter Brief an das Uni-Präsidium ist in Vorbereitung – er soll möglichst von Vertretungen aller Bereiche an der Uni unterschrieben werden, neben dem AStA auch vom STuPa und ZeFaR (Fachschaftenreferat des AStA) und anderen Mitarbeitenden. Der AStA hofft, sich durch diesen Brief Gehör zu verschaffen, um der Uni-Leitung in einem längeren Gespräch seinen Standpunkt darlegen und auch die Fördermöglichkeiten erläutern zu können.
„Das Green Office wird kommen“, ist Julian optimistisch. Es sei nur eine Frage der Zeit, denn anders könne man langfristig die Ziele im Bereich Nachhaltigkeit an der Uni nicht umsetzen. Er selbst wird es zumindest an der JGU nicht mehr miterleben, denn er verlässt nicht nur das Öko-Referat, sondern schreibt auch gerade seine Bachelorarbeit und will danach an einer anderen Hochschule weiterstudieren. „Vielleicht gibt es da schon ein Green Office und ich kann mitarbeiten“ grinst Julian die anderen an. Seine Chancen stehen nicht schlecht, denn die Bewegung wächst kontinuierlich. Erst Mitte Juli 2021 wurde ein neues Büro an der TU Dresden gegründet.
Leider ist die Initiative in Mainz nach meinem Interview etwas ins Stocken geraten, da es im Ökologie-Referat einen erneuten Wechsel gab. Neben Julian hat auch Hannah den Arbeitsbereich mittlerweile verlassen. Chiara setzt sich weiterhin für ein Green Office ein und hat mit Anton Dröll seit Mitte August einen neuen Mitstreiter gewonnen. Beide sind nun dabei, „strategische Herangehensweisen zu entwickeln, die zu einem Green Office verhelfen“, wie mir Anton in einer E-Mail mitteilt. Er will mich auf dem Laufenden halten. Ich drücke die Daumen – und bin neugierig, was die beiden noch so alles bewegen werden.
Es bleibt also spannend. Stay tuned und lasst euch überraschen, was sich in Sachen Green Office an unserem Campus noch entwickeln wird. Vielleicht ja mit eurer Unterstützung?
Was haltet ihr von der Idee eines Green Office? Sollte es so etwas an der Universität Mainz geben? Schreibt uns.
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Ina Kießling ist Bibliothekarin und arbeitet an der UB Mainz im Bereich Informationskompetenz. Ihr Schreibtisch steht in der Bereichsbibliothek TSK in Germersheim.