Heute, am Totensonntag, möchte ich euch mit einem besonderen Ort der Universität vertraut machen. Er liegt nicht auf dem Campus, sondern auf dem Mainzer Hauptfriedhof. Ein Ort für die Ewigkeit, dessen Zukunft ungewiss zu sein scheint.
Nachdem die Mainzer Uni 1946 wiedergegründet wurde, berief man zahlreiche Professoren aus aller Welt, die in Mainz arbeiten und leben sollten. Doch schon im Oktober 1946 starb mit Karl Reutti der erste dieser Professoren. Seitdem stellte man sich an der Uni die Frage, wie für den Nachruhm der Professorinnen und Professoren gesorgt werden könnte. Die Antwort vieler Unis war ein Gräberfeld innerhalb des städtischen Friedhofs oder sogar (wie an der Uni Hohenheim) ein eigener Universitätsfriedhof oder ein separates Gräberfeld. Was heute verwundern mag, erschien damals als durchaus angemessen: Professorinnen und Professoren, aber auch Studentinnen und Studenten, fühlten sich in dieser Zeit enger mit ihrer Universität verbunden, als das heute für gewöhnlich der Fall ist.
Nur wenige Schritte bis ins Grab
Mit dem Tod des Sprachwissenschaftlers Franz Specht im November 1949 beschloss die noch junge JGU nun ebenfalls ein solches Gräberfeld einzurichten – und zwar auf dem Mainzer Städtischen Friedhof, der nur durch eine Straße vom Universitätscampus getrennt ist. Franz Specht wurde dort als erster auf dem Gräberfeld 71 begraben, das die Stadt für die hiesigen Professoren reservierte.
Vermutlich war die JGU damit die einzige westdeutsche Uni, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg dazu entschieden hat, selbst für die letzte Ruhe ihrer Professorinnen und Professoren zu sorgen. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe des Forums an der Albert-Schweitzer-Straße und ist über einen Seiteneingang schnell zu erreichen. Starb ein Prof, war es üblich, dass die Uni eine akademische Trauerfeier abhielt, bei der das wissenschaftliche Lebenswerk des Verstorbenen gewürdigt wurde. Um der Zeremonie eine besondere Festlichkeit zu verleihen, erschienen die Professoren im Talar.
Die wenigen Glücklichen
Nachdem 1950 versehentlich ein Historiker der Uni Bonn auf dem Gräberfeld beigesetzt wurde, setzte der Rektor (heute: Präsident) der Uni durch, dass eine Beisetzung auf dem Gräberfeld nur nach seiner Genehmigung durchgeführt werden durfte. 1952 schloss die Uni dann einen Vertrag mit der Stadt Mainz ab, damit sie das Gräberfeld auch langfristig nutzen durfte. Seitdem sind dort viele namhafte Wissenschaftler begraben, die in Mainz wirkten, lebten und vor allem auch an der Gründung der Universität beteiligt waren. Auf dem Gräberfeld liegen ausnahmslos Professoren mit ihren Ehegattinnen, sowie der Mainzer Bürgermeister Emil Kraus, der sich um den Aufbau der Universität besonders verdient gemacht hatte. Nach Angaben der Mainzer Professoren Jürgen Falter und Hans Buchheim dürfen auf dem Gräberfeld der Universität nur Personen beerdigt werden, die einen der Gründungslehrstühle innehatten. Bekannt ist, dass neuberufene Professorinnen und Professoren dieser Lehrstühle bis mindestens Anfang der 1990er Jahre das Angebot erhielten, sich auf dem Grabfeld der Universität beerdigen zu lassen.
The times they are a changin’
Es bleibt zu vermuten, dass nur noch wenige emeritierte Professorinnen und Professoren von diesem Recht Gebrauch machen werden. Zuletzt wurde dort 2007 der ehemalige ZDF-Intendant und JGU-Professor Karl Holzamer beigesetzt.
Denn in einer globalisierten und vernetzten Welt ist die Bindung an die eigene Uni längst nicht mehr so eng wie noch vor 70 Jahren, als das Gräberfeld eingerichtet wurde. Zudem wohnen viele der Angehörigen nicht in Mainz und haben nicht die Möglichkeit, die Gräber ihrer Vorfahren zu pflegen. Und nicht zuletzt unterliegen auch Beerdigungsformen einem gesellschaftlichen Wandel: Viele Menschen ziehen die Urnenbestattung einer Erdbestattung vor, die auf diesem Gräberfeld aber nicht möglich ist. Zudem müssen die Kosten für die Einrichtung oder Verlängerung eines Grabs auch auf dem Professorengräberfeld von den Angehörigen geschultert werden, ebenso die Grabpflege. Daher sind bereits die ersten Grabstätten eingeebnet worden. In einigen Jahren wird das Gräberfeld daher wohl leer sein.
Aber wäre dieser Ort, an dem die Gründer der Uni begraben liegen, nicht ein erhaltenswertes Kulturdenkmal? Denn es ist vermutlich das letzte seiner Art, das im Nachkriegsdeutschland zu Ehren der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer Universität eingerichtet wurde.
Auf jeden Fall ist das Gräberfeld einen Besuch wert. Die Zeit um Volkstrauertag und Totensonntag ist vielleicht ein guter Anlass zu einem kleinen Abstecher über die Straße. Schaut doch mal vorbei!
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Frank Hüther arbeitete bis April 2023 im Universitätsarchiv.