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Universitätsbibliothek Mainz

22.11.2019

Alice im akademischen Wunderland

Wer an Australien denkt, der sieht vor dem inneren Auge sofort unberührte Landschaften, moderne Metropolen und eine atemberaubende Tierwelt. Doch Australien kann mehr: hervorragend ausgestattete Universitäten und Forschung auf Top-Niveau. Wunderland oder stimmt: There ain’t no such thing as a free lunch?

Mein erster Tag an der Monash University in Melbourne. Als ich den Campus vor mir sehe, bleibt mir kurz die Luft weg. Imposante, architektonisch aufregende und vielfältige Gebäude, die an perfekt gepflasterten Wegen liegen und von gigantischen Grünflächen gesäumt sind. Das Spektakel setzt sich auch im Inneren fort und beschränkt sich dabei keinesfalls nur auf die Ästhetik: hervorragend ausgestattete Bibliotheken und Hörsäle, hochmoderne IT-Infrastruktur und zu olympischen Hochleistungen einladende Sporthallen lassen den Studienalltag zum Erlebnis werden. Und wer trotzdem mal eine Pause vom Bücherwälzen braucht, steht vor einem echten Dilemma: Mit gratis Bier in der linken und Veggiewurst in der rechten Hand zur Live-Musik abtanzen, am Aquarellworkshop teilnehmen und dabei Käsehäppchen schnabulieren oder sich doch lieber zum Open-Air-Kino in die gemütlichen Sitzkissen fläzen?

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Nach der ersten Euphorie drängt sich mir, selbst als Nichtschwäbin, schnell eine Frage auf: „Und wer bezahlt das alles?“ Nach den ersten Semesterwochen, den ersten Kontakten zu Mitstudis, hatte ich da so eine Ahnung. Der hohe Anteil internationaler Studierender ist in allen Bereichen des Unilebens sehr augenfällig. Doch was anders ist als zu Hause in Germersheim und Mainz: Um an den prestigeträchtigen australischen Bildungsstätten studieren zu können, fallen für diese Klientel sehr hohe Studiengebühren an. 

Aus den 2017 University Annual Reports geht beispielsweise hervor, dass an meiner australischen Universität 27.800 der insgesamt 62.400 Studis, also 45 %, als international students eingeschrieben waren. Als solche trugen sie mit 810 Millionen Australischen Dollar zu 34 % der Gesamteinnahmen der Monash University bei. Und Monash ist kein Einzelfall: Internationale Studierende haben im Jahr 2017 30,3 Milliarden Dollar zur australischen Wirtschaft beigetragen. Damit stellt der Bildungssektor eine der wichtigsten Einnahmequellen für Australien dar.

Bei den internationalen Studis, mit denen ich über das Thema gesprochen habe, staute sich da auch einiges an Frust an: Beispielsweise wenn sich die Studierenden eines kleineren Monash Campus darüber beschweren, dass sie nicht auch in den Genuss eines megalomanischen Open-Air-Bildschirms kommen, so wie ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen auf dem Hauptcampus. „Das wird von unseren Studiengebühren finanziert. Muss das denn wirklich sein?“, echauffiert sich eine Studentin.

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Die Unis in Downunder sind also stark von der Einnahmequelle „internationale Studis“ abhängig, was in einigen Fällen Hochschulen dazu verleitet hat, ihre Aufnahmekriterien, insbesondere was Englischkenntnisse angeht, herabzusetzen. Das führte dazu, dass Studis zum Studium zugelassen wurden, deren Sprachkenntnisse nicht ausreichend waren, um das Studium erfolgreich abzuschließen, oder die einen überproportionalen Mehraufwand leisten mussten, um Aufgabenstellungen und Texte überhaupt zu verstehen. Nicht selten fand ich mich in der Bibliothek neben Studis wieder, die ganze Textpassagen systematisch mithilfe von Google Translate übersetzten.

Fair gegenüber den Studierenden, die nach Australien kommen und ein Vermögen in ihre Ausbildung investieren, ist das nicht. Des Weiteren werden warnende Stimmen laut, die befürchten, dass sich die australische Wirtschaft zu sehr von einem einzigen Land abhängig mache: China. Denn chinesische Studierende machen mit 30 % der internationalen Studis die größte Gruppe aus. 

Aufgrund der Tatsache, dass ich im Rahmen eines Austauschprogramms zwischen dem Fachbereich 06 in Germersheim und der Monash University in Melbourne studiere, bin ich von den hohen Gebühren nicht betroffen. Zur Veranschaulichung habe ich aber mal ausgerechnet, wie viel ich für die von mir belegten Veranstaltungen hätte bezahlen müssen: Satte 16.175 Australische Dollar, umgerechnet also etwa 11.000 Euro hätte mich das Semester gekostet. Das lässt meine Essays, die ich als Kursteilnehmerin geschrieben habe, doch direkt in einem anderen (goldeneren) Licht erscheinen. 

Angesichts solch horrender Kosten ist es also kein Wunder, dass die Ausstattung jener Hochschulen einiges moderner wirkt als bei uns in Mainz oder Germersheim. Vielen Mainzer Studis, die ein Auslandssemester in Übersee gemacht haben, ging es da bestimmt ähnlich.

Doch wie sieht das eigentlich bei uns an der JGU genau aus? An der Mainzer Uni gibt es – wie auch an allen anderen öffentlichen deutschen Hochschulen – keine Studiengebühren. Ausnahmen sind nur das Zweitstudium und Aufbaustudiengänge. Die Studis zahlen dafür den sogenannten Semesterbeitrag, der im Wintersemester 2019/20 rund 322 Euro betragen hat. 



Im Gegensatz zu den Gebühren, über die Hochschulen frei entscheiden können, bekommen die Mainzer Studis für ihren Beitrag aber eine Gegenleistung. Ein Großteil machen das Semesterticket (211,48 Euro) sowie der Beitrag für das Studierendenwerk (94 Euro) aus, weiterhin geht ein Teil an die Verfasste Studierendenschaft (AStA, StuPa), den Studentischen Sportausschuss sowie an studentische Hilfsfonds (mit denen unverschuldet in Not geratene Studis unterstützt werden). Auch die ausländischen Studierenden – zurzeit rund 8.300 – zahlen in Mainz keine Studiengebühren.

 

Die JGU finanziert sich vor allem durch Landes- und Drittmittel (347 Millionen beziehungsweise 157 Millionen Euro). Im Vergleich zu ausländischen Unis sieht man ihr allerdings an, dass ihr eine lukrative Einnahmequelle wie an australischen Hochschulen fehlt. Dennoch: Auf dem Mainzer Campus kann man dafür Architekturgeschichte live erleben. Vom Forum, das ursprünglich als Flakkaserne 1936 errichtet wurde, bis hin zu Neubauten wie dem GFG oder dem BioZentrum ist für jede Epoche und jeden Geschmack etwas dabei. Und auch kulturell wird einiges aufgefahren: Kaum ein Tag ohne Abendvorträge, Theateraufführungen, Konzerte, Filmvorführungen oder Parties.



Alice musste für ihren Eintritt ins Wunderland nur dem weißen Kaninchen folgen – sollte der Zugang zu guter Bildung nicht ähnlich einfach sein? Wofür auch immer man sich entscheidet, eines ist an allen Universitäten und Hochschulen gleich: Es sind die Studierenden, die den Campus mit Leben füllen – in Melbourne ebenso wie in Mainz. 



Hast Du ähnliche Erfahrungen bei Deinem Auslandsstudium gemacht? Und was vom Mainzer und Germersheimer Campus hast Du dort vielleicht sogar vermisst?

Stefanie Martin
Stefanie Martin

Stefanie Martin arbeitet in der Bereichsbibliothek MIN.