Belgien. Spätestens seitdem US- Präsident Donald Trump seine ganz persönliche Reiseempfehlung abgegeben hat („Belgium is a beautiful city“), brenne ich darauf, dieses Fleckchen Erde im Nordwesten Europas kennenzulernen. Hier blogt Filiz, live and direct aus Mons.
Wie lebt und studiert es sich in einem Land, das für die Regierungsbildung auch schon mal länger braucht als der Irak? Das nicht nur für sein Bier, seine Schokolade und seine Fritten bekannt ist, sondern auch für den ewigen Clinch seiner Sprachgemeinschaften? Ich wage mich in die Höhle des vielsprachigen Löwens und blogge für euch live, ungeschönt und authentisch aus der beautifullen city Mons.
Ich bin zu alt für den Scheiß!
Am Rande meiner Nerven und der Innenstadt der belgischen Metropole Mons (das andere Brüssel) warte ich auf meinen Flinksbus, der mittlerweile schon eine Stunde Verspätung hat und mich gar nicht mal so flink ("Ihre Fahrtzeit beträgt 18 1/2 Stunden, vielen Dank für Ihre Reservierung mit Flinksbus") zurück nach Karlsruhe bringen soll. Auf die Idee eine Direktverbindung Mons – Germersheim einzurichten, scheint, warum auch immer, bisher noch niemand gekommen sein. Es weht ein starker Wind und beim letzten Versuch, die einzig vorhandene Sitzmöglichkeit, die Bordsteinkante, in Anspruch zu nehmen, attackiert mich eine furiose Feuerameise. Ach ja, dann ist da noch diese unheimliche Gestalt, die so vertrauenserweckend aussieht wie einer der unzähligen Bösewichte in den Romanen Joanne K. Rowlings und mir unbedingt die Information entlocken möchte, wo meine nächtliche Reise denn hingehe.
Ich bin einfach zu alt für den Scheiß!
Zwischen Prüfungsvorbereitung und Abgabe der nächsten Hausarbeit hatte ich meine vertrauten vier Wände in der Pfalz für ganze 36 Stunden verlassen, um eine neue Bleibe für die nächsten sechs Monate hier in Mons zu finden. Mit meinem Rucksack hechte ich den gesamten Tag von Besichtigung zu Besichtigung, finde heraus, dass man Zweck-WGs hier "kot" nennt und das eigentlich nicht das ist, was ich suche. "Dooooch, doch, die Heizung funktioniert". "Normalerweise ist es hier aufgeräumter und die Herdplatten sauberer". "Lust auf ‘nen Joint?" Vor ein paar Jahren noch hätte mich das nicht gestört, oder? Und war nicht ich es, die meine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner stets zu unzähligen WG-Partys animiert hatte? ("Filiz, wir hatten unsere Einweihungs-, Weltfriedens-, und Origamiparty doch schon letztes Semester!").
Ich bin einfach zu alt für den Scheiß!
Ich habe die Hoffnung schon fast aufgegeben, als ich bei Madame Dernier-Espoir klopfe, eine ältere Dame, die ich über eine Organisation für intergenerationelles Wohnen kontaktiert habe. Mir schlägt ein wunderbar angenehmer Blumenduft entgegen, aus dem Radio trällern die lieblichten Töne Joseph Jongens und die Küche strahlt mit Madame Dernier-Espoir um die Wette. Ich solle mich hier wie zu Hause fühlen und selbstverständlich stünde mir die hauseigene Privatbibliothek zu Studienzwecken zu Verfügung. Eine kleine Bitte hätte Madame Dernier-Espoir aber doch: Nach 23 Uhr herrsche in ihrem Hause Nachtruhe, ob das ein Problem für mich darstelle, erkundigt sie sich freundlich . "Mais nooon! Pas du tout!", höre ich mich erleichtert parlieren.
Ich bin wohl doch ERASMUS-Material.