Strahlend blauer Himmel, die JGU grünt, blüht und zeigt sich in diesen Tagen von ihrer besten Seite. Die aktuellen Bilder von der Mainzer Uni sind für den Sommersemesteranfang nichts Außergewöhnliches. Etwas Entscheidendes fehlt aber ganz offensichtlich: Die Menschen, die den Campus erst richtig zum Leben erwecken.
Zum ersten Mal in ihrer fast 75-jährigen Geschichte befindet sich die Mainzer Uni im Notbetrieb. Der Campus ist für den Publikumsverkehr geschlossen, Lehre und Forschung sind eingestellt. Ausnahme: Die Unimedizin und andere Wissenschaftsbereiche, die für die Krankenversorgung relevant sind.
Notbetrieb, und jetzt?
Auch ich arbeite für meine Jobs in der UB nun seit drei Wochen im Homeoffice. Zum Teil funktioniert das fast reibungslos, aber mein Küchentisch ist natürlich nur ein dürftiger Ersatz für die Infotheke in der Bereichsbibliothek MIN, an der ich sonst arbeite. Nebenbei checke ich regelmäßig die Nachrichten, um auf dem Laufenden zu bleiben. Die Informationsflut überfordert mich manchmal. Egal ob in der Tagesschau, den sozialen Medien oder privaten Whatsapp-Gruppen, überall gibt es nur ein Thema: Corona. Aber in den letzten Tagen mischen sich zwischen all die Eilmeldungen auch zahlreiche Mitteilungen der JGU.
Als Doktorandin ist mir aufgefallen, dass immer mehr Verlagsangebote online freigeschaltet werden, die in Mainz bislang nicht oder nur gedruckt verfügbar waren. Klar, das kann einen Bibliotheksbesuch nur bedingt ersetzen. Dennoch ist es vielleicht eine Möglichkeit, Literatur zu sichten, zu der man normalerweise nur schwer Zugriff hat. Hierzu hat die UB eine Übersicht zusammengestellt und hält euch auf ihrer Website und in den sozialen Medien natürlich auf dem aktuellen Stand. Aber nicht nur bei der UB ist vieles anders als noch vor wenigen Wochen.
Coronakrise, so what?
Auch die Forschung auf dem Campus ist zurzeit weitgehend ausgesetzt: Teilchenbeschleuniger stehen still und die Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler haben sich in ihr stilles Kämmerlein verzogen. Trotzdem beweisen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JGU, dass Forschung auch im Ausnahmezustand möglich ist. Das Psychologische Institut führt beispielsweise eine Studie zum Einfluss der Quarantäne und Isolation auf unsere Psyche durch. Auch wenn der Fokus der Medien vor allem auf medizinischen und wirtschaftlichen Aspekten liegt, tragen Forscherinnen und Forscher dazu bei, dass solche wichtigen Themen mehr Aufmerksamkeit bekommen. Passend hierzu hat die Psychotherapeutische Beratungsstelle der Uni einige hilfreiche Tipps zusammengestellt.
Fragen, die uns alle im Moment vermutlich bewegen: Wie lange wird es die Kontaktsperre geben und hat die Maßnahme überhaupt Erfolg? An der Beantwortung arbeitet der Mainzer Volkswirt Professor Klaus Wälde unter anderem mit dem Stellvertretenden Direktor der Mainzer Virologie, Professor Bodo Plachter.
In seinem Corona-Blog stellt Wälde seine Berechnungen vor. Das Zwischenfazit: Je nach Länge der Kontaktsperre wird uns der Höhepunkt der Epidemie im Juli oder August treffen. Dabei könnten je nach Szenario 200.000 bis 1,2 Millionen Menschen gleichzeitig erkrankt sein. Wäldes Arbeit hilft der Politik und den Krankenhäusern sich auf die kommenden Monate vorzubereiten und die getroffenen Maßnahmen zu bewerten. Der Volkswirt trägt damit letztlich dazu bei, ein Ende des Notbetriebs und den Verlauf des Sommersemesters abzuschätzen.
Präsenzpflicht im Pyjama?
Bisher ist der Semesterbeginn nur um eine Woche, auf den 20. April 2020, verschoben. Es ist jedoch nicht klar, ob Präsenzveranstaltungen wie gewohnt stattfinden können. Vizepräsident Stephan Jolie hat daher eine Taskforce für digitale Lehre eingerichtet, um die Dozentinnen und Dozenten bei ihrer Semestervorbereitung zu unterstützen. Auch die UB ist hier aktiv: Sie hat zum Beispiel einen Scan-Dienst für Forschende und Lehre eingerichtet und hilft beim Aufbau von digitalen Semesterapparaten.
Erste Lehrangebote der JGU gibt es bereits jetzt im Internet: Die Nachtvorlesung der Mainzer Unimedizin wurde bereits in Zusammenarbeit mit der AZ zweimal live gestreamt. Darin geben die Mediziner Einblicke in den aktuellen Klinikalltag und man erhält hilfreiche Tipps, um sich vor einer Corona-Ansteckung zu schützen.
Da die Einführungswoche dieses Semester nicht in gewohnter Form stattfinden kann, haben die Fachbereiche für Erstis digitale Informationsangebote zusammengestellt. Der Mathevorkurs für die Studienanfänger der naturwissenschaftlichen Fächer findet bereits über das Internet statt. Vormittags werden Vorlesungen gestreamt, nachmittags unterstützt die Fachschaft Physik/Meteorologie die Studis über einen Discord-Server bei der Beantwortung der Übungsaufgaben.
Distanziert, aber solidarisch!
Aber das ist nicht alles. Gerade machen viele Nachrichten von Mainzer Studierenden die Runde, die sich engagieren. So haben sich bereits über 1.000 Medizinstudierende beim Portal Ich will helfen gemeldet, um das rheinland-pfälzische Klinikpersonal zu unterstützen und zu entlasten. Die Aktion wird auch in den kommenden Wochen fortgeführt.
Campus Mainz berichtet von der Biologiestudentin Alena Haub, die über Whatsapp und Telegram die Einkaufshilfe Mainz mit ins Leben gerufen hat. Die Initiative übernimmt Erledigungen für Mitmenschen, die zu Risikogruppen gehören. Inspiriert von Haubs Engagement hat der Verein Campus Mainz hilft gestartet. Zusätzlich hält er Studis bei allen Corona-Fragen auf dem neuesten Stand.
Damit die Sehnsucht nach dem Campus nicht allzu groß wird, haben sich die Studierenden auch schon einiges einfallen lassen. Das Kulturreferat des AStA arbeitet zum Beispiel an einem digitalen Kulturangebot; die theologischen Fachschaften teilen Andachten bei Facebook und Instagram. Das Gebot der Stunde: Wenn wir nicht auf den Campus können, holen wir ihn uns eben nach Hause!
Notbetrieb: Yes, we can!
Der Notbetrieb ist ein Novum für die JGU. Es gibt keine Vorbilder oder Erfahrungswerte, auf die man zurückgreifen kann. Viel Improvisation und vor allem Geduld sind gerade gefragt. Auch ich habe mich mit der neuen Situation noch nicht ganz arrangiert. Gar nicht so einfach zuhause für drei Jobs parallel zu arbeiten und auch noch zu promovieren (Hm, wie mach ich das sonst eigentlich?). Wie muss das erst sein, wenn man „nebenher“ auch noch Kinder betreut?
Gerade will ich meinen Laptop zuklappen, da flattern weitere Meldungen herein. So wurde die Bewerbungsfrist für zulassungsfreie Fächer für all diejenigen, deren Pläne coronabedingt durchkreuzt wurden, bis zum 15. April verlängert. Das Studierendenwerk öffnet die Wohnheime erstmals für Nichtstudierende. Diese Nachrichten machen mir irgendwie Mut. Denn eins wird deutlich: Die Angehörigen der JGU stellen sich auf die Ausnahmesituation ein, vernetzen sich, sind kreativ und vor allem solidarisch.
Wie hat sich euer Alltag durch die Coronakrise verändert? Wie verbringt ihr eure Zeit während des Notbetriebs? Schreibt ihr vielleicht gerade noch an der letzten Hausarbeit, engagiert euch, seid fleißig beim Frühjahrsputz oder binged Serien? Ich freue mich von euch zu lesen und noch mehr, euch hoffentlich bald auf dem Campus wiederzusehen.
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Stefanie Martin arbeitet in der Bereichsbibliothek MIN.