Seit 2013 finden mit großem Erfolg die "Germersheimer Praxistage Translation" statt. In spannenden Vorträgen, Diskussionsrunden und mit einem Infomarkt schlägt der Praxistag eine Brücke zwischen Lehre und Praxis – und lockt die Studierenden mit Einblicken in Berufsfelder des Bereichs Übersetzen und Dolmetschen.
Denn es gibt weit mehr als nur die traditionellen Übersetzerstellen. Kennt ihr z. B. den Beruf der Hochschulübersetzerin und des Hochschulübersetzers? Ich persönlich hatte zwar noch nie etwas davon gehört, aber, wie ich im Laufe der Präsentation feststellte, habe ich bereits ihre Dienste in Anspruch genommen: Für eine Bewerbung an einer ausländischen Universität benötigte ich eine englische Version des Transcript of Records. Was ich nicht wusste: Damit die englische Notenübersicht in meinem E-Mail-Fach und meinem Briefkasten landen konnte, leistet sich die JGU ausgewiesenes Personal, das mir und internationalen Studierenden den bürokratischen Aufwand erleichtert, indem es Formulare, Anträge, Nachweise und Informationsflyer ins Englische übersetzt.
Die Zeichen stehen auf Internationalisierung
An deutschen Hochschulen werden aus zwei Gründen Hochschulübersetzerinnen und -übersetzer eingesetzt. Zum einen ist das die so genannte internationalisation @ home: Hiesige Universitäten ziehen immer mehr ausländische Studierende an, die heutzutage die Möglichkeit haben, bei uns ihr gesamtes Studium auf Englisch zu absolvieren. Auch der Anteil internationaler Akademikerinnen und Akademikern, die für reine Forschungszwecke nach Deutschland kommen, steigt permanent. Damit sich diese Klientel vor allem bei ihrer Ankunft an den deutschen Universitäten gut aufgehoben fühlt, besteht ein großer Bedarf an englischsprachigen Broschüren, Infomaterialien und administrativen Dokumenten. Zum anderen folgt die JGU auch dem Bedürfnis einer internationalisation abroad. Darunter fällt beispielsweise eine englischsprachige Webseite, aber auch das Personal zu schulen, wie es mit Studis umgehen soll, die wenig oder kein Deutsch verstehen.
Bis vor einigen Jahren noch verwandten Sacharbeiterinnen und -arbeiter einen Großteil ihrer Arbeitszeit und Energie darauf, ausländischen Forscherinnen und Forschern zu erklären, wie sie den deutschen Dienstreiseantrag auszufüllen hatten. Mussten Dokumente übersetzt werden, dann wurde damit Personal betraut, das „eigentlich im Großen und Ganzen schon ganz gut die Sprache beherrschte“. Die Qualität dieser Übersetzungen ließ daher oft zu wünschen übrig und es wurde auch keine einheitliche Terminologie benutzt.
Vielfalt und Abwechslung stehen auf der Tagesordnung
Als Übersetzerin und Übersetzer im Hochschulbereich bekommt man Texte unterschiedlichster Art auf den Schreibtisch gelegt. Dazu gehören juristische Texte wie Prüfungsordnungen und Ablehnungsbescheide, aber auch Informationsbroschüren zur Prüfungsangst, die eher allgemeinsprachlich formuliert und übersetzt werden müssen. Wenn mal gerade nicht übersetzt wird, dann stehen für die Sprachmittlerinnen und -mittler Aufgaben im Bereich Projektmanagement an oder sie pflegen neue Wörter in die Terminologiedatenbank ein. Eine einzige Person kann den gesamten Bedarf an ‚Sprachmittlungen‘, der an der Hochschule anfällt, nicht mehr abdecken, wie sich am Beispiel der JGU zeigt: Für die Presse- und Kommunikationsarbeit muss sie zusätzlich auf externe Übersetzerinnen und Übersetzer zurückgreifen.
Oft wird dem Translationsstudium vorgeworfen, zu theoretisch zu sein. Carolin Schrenk, die JGU-eigene Hochschulübersetzerin, ist aber davon überzeugt, dass diese Komponente sehr wichtig ist in ihrem Metier: „Als wir die Transcripts of Records übersetzt haben, wurde vorgeschlagen, die Gesamtnote mit GPA zu übersetzen“. GPA steht für Grade Point Average. Diese Bezeichnung ist vor allem im nordamerikanischen Sprachgebrauch üblich. Da die Benotung aber ganz anders funktioniert als in Deutschland – so ist etwa 4,0 die amerikanische Bestnote –, sprach sich Frau Schrenk gegen diese Übersetzung aus. Ihrer Meinung nach könnten JGU-Studis benachteiligt behandelt werden, wenn sie Zeugnisse bei ausländischen Universitäten einreichen müssten, auf denen etwa GPA 2,0 stände. „Das weckt falsche Assoziationen, weil man versucht, einen Begriff aus einem Hochschulsystem auf ein anderes zu übertragen“. Mit der Argumentation, dass es sich um ein Kulturspezifikum handelte, das man auflösen müsse, konnte Frau Schrenk überzeugen. Ihr Vorschlag „overall grade“ setzte sich durch, auch wenn er sprachlich vielleicht nicht die schönste Variante war.
Nerds oder Netzwerk-Profis?
Im Volksglauben werden Übersetzerinnen und Übersetzer gerne als introvertierte, perfektionistische und nicht sehr umgängliche Zeitgenossen dargestellt. Alles nur Klischees, wie man auch im Umfeld der Hochschulübersetzerinnen und -übersetzer beobachten kann. Eine vortreffliche Vernetzung ist hier ein Muss, um bei Fragen und Problemen stets zu wissen, an wen man sich wenden kann.
Als der Vortrag zum Hochschulübersetzen im Rahmen des Germersheimer Praxistags 2018 beendet ist, beginnen die zukünftigen Sprachmittlerinnen und Sprachmittler aufgeregt miteinander zu tuscheln, nehmen sich Infobroschüren mit und unterhalten sich noch angeregter auf dem Gang. Ich schaue mich um, wer weiß? Vielleicht saßen im Publikum bereits einige zukünftige Kolleginnen und Kollegen von Frau Schrenk.