Im konfessionell-kooperativen Seminar „Gender zwischen Ethik und Exegese“ haben sich Studierende im Wintersemester 2022/23 zusammen mit den beiden Dozentinnen Prof. Dr. Dorothea Erbele-Küster (ETF) und Dr. Stephanie Höllinger (KTF) mit Inhalten einer gendersensiblen Theologie auseinandergesetzt. Ausgangspunkt waren Impulse und Fragen von Oberstufenschüler:innen aus Rheinland-Pfalz und Hessen, die sich zuvor im Rahmen ihres Religionsunterrichts mit diesem Themenfeld befasst haben. Auf dieser Seite lassen sich nun die Antworten der Studierenden finden, die sie über mehrere Wochen in Kleingruppen ausgearbeitet und schließlich im Videoformat umgesetzt haben.
Zur Begründung ihrer moralischen Urteile stützen sich die christlichen Kirchen oftmals auf biblische Aussagen. Anna, Luca, Miriam, Rahel, Teresa und Vanessa beschäftigen sich damit, diese Rückgriffe auf die Bibel (im Sinne eines moralischen Ratgebers) kritisch zu untersuchen. Kann die Bibel überhaupt als Begründung für moralische Urteile genutzt werden? Worauf muss beim Bezug auf die Bibel geachtet werden und wie sollte die Bibel nicht eingesetzt werden?
Glossar:
Als Moral kann die Gesamtheit gelebter Werte, Ideale und Grundsätze einer Person bzw. Gemeinschaft (z. B. Staat oder Religion) beschrieben werden.
Ethik denkt über Moral nach. Sie befasst sich mit der übergeordneten Frage, welche Kriterien für das „richtige Handeln“ oder die „richtige Lebensführung“ angewendet werden können, um eine Handlung als moralisch gut oder moralisch schlecht zu beurteilen. Weiter gefasst reflektiert Ethik damit Moralvorstellungen und die damit einhergehenden Begründungszusammenhänge.
Hermeneutik ist die Lehre des Verstehens von geschriebenen und gesprochenen Texten sowie der Auslegung von Symbolen und kulturellen Praktiken. Damit ist die Hermeneutik ein zentraler Bestandteil der Geisteswissenschaften.
Dieser Begriff setzt sich aus den Wörtern „bi“ (zwei) und „Pol“ (äußeres Ende) zusammen. Er beschreibt gegensätzliche Eigenschaften oder Verhaltensweisen.
Der Gender Pay Gap beschreibt das Phänomen, dass Frauen bei gleicher Arbeit weniger verdienen als Männer. Diese rechnerische Lücke ergibt sich gewöhnlich aus der durchschnittlichen Differenz zwischen den Bruttostundenlöhnen aller beschäftigen Männer und denen aller beschäftigten Frauen und wird als prozentualer Anteil am Verdienst der Männer berechnet.
Literaturtipp:
Zimmermann, Ruben: Eine theologische Ethik ohne Schriftbezug ist keine theologische Ethik! 12 Thesen zur bleibenden Relevanz der Bibel für eine theologische Ethik. In: Journal of Ethics in Antiquity and Christianity (2019), S. 90-91.
Ruben Zimmermann vertritt die Aufassung, dass eine theologische Ethik auf die Bibel und eine angemessene Auslegung ihrer Schriften angewiesen ist. Auf diese Weise könne für ihn die Integration des Glaubens in eine theologische Ethik gelingen.
Roth, Michael: Sechzehn Thesen zur Autorität der Bibel für die Theologische Ethik aus lutherischer Perspektive. In: Journal of Ethics in Antiquity and Christianity (2019), S. 94-95.
Michael Roth grenzt sich in seinem Beitrag von einer Ethik ab, die ihre sittlichen Grundsätze und Beurteilungen direkt aus der Schrift ableiten will. Die Bibel zur Begründung ethischer Urteile heranzuziehen, entspreche aus seiner Sicht „einer völlig unhistorische(n) und hermeneutisch unreflektierte(n), biblizistische(n) Vorgehensweise“ (95).
In der christlichen europäischen Kunst begegnet Gott immer wieder als alter weißer Mann mit Rauschebart. Michaela, Paula, Samuel, Veit und Vito erkunden in kritischer Auseinandersetzung mit dieser klassischen Darstellung alternative Gottesvorstellungen und reflektieren diese theologisch. Was sind die Gefahren und Stärken, wenn Gott mit einem Geschlecht identifiziert wird? Worauf ist in der Rede über die Eigenschaften Gottes zu achten?
Glossar:
Das Adjektiv setzt sich aus den griechischen Begriffen γυνή (gynḗ), was mit Frau oder weibliches Wesen übersetzt werden kann, und μορφή (morphē), was wiederum mit Form oder Gestalt wiedergegeben werden kann, zusammen. Es werden also einer Person oder einer Sache weibliche Eigenschaften zugeschrieben.
Das Adjektiv setzt sich aus den griechischen Begriffen ἀνήρ (anḗr, Genitiv: andrós), was Mann bedeutet, und μορφή (morphḗ) zusammen. Es werden also einer Person oder einer Sache männliche Eigenschaften zugeschrieben.
Das Adjektiv setzt sich aus den griechischen Begriffen ἄνθρωπος (anthropos), Mensch, und μορφή (morphē), zusammen. Entsprechend lässt sich der Begriff am besten mit „menschenähnlich“ übersetzen.
Die Gottebenbildlichkeitsaussage in Gen 1 charakterisiert die Stellung der Menschen in der Schöpfung und wird als Ausdruck der besonderen Beziehung zwischen Gott und Mensch verstanden. Der hebräische Text spricht nicht von einer Gottebenbildlichkeit, sondern von einer Gottbildlichkeit: Der Mensch ist also nach dem Bilde Gottes (als seine Ab– oder Nachbildung) geschaffen.
Die Grundlage, auf der der Geschlechterbegriff beruht, bildet zumeist das biologische Verständnis von Menschen als entweder weiblich oder männlich. Die Rede vom Geschlecht inkludiert jedoch nicht nur biologische (sex), sondern auch soziale (gender) Aspekte.
Literaturtipp:
Wacker, Marie-Theres: Gott Vater, Gott Mutter – und weiter? Exegese und Genderforschung im Disput über biblische Gottes-Bilder am Beispiel Hosea 11, in: Qualbrink, Andrea/Pithan, Annebelle/ Wischer, Mariele (Hg.): Geschlechter bilden. Perspektiven für einen genderbewussten Religionsunterricht, Gütersloher 2011, 136–157.
Hosea 11 stellt mit der darin enthaltenen Aussage „Denn Gott bin ich und nicht Mann“ sowohl für die Exegese als auch für die Genderforschung einen zentralen Text dar, der neue Impulse für eine Perspektivenerweiterung in einem gendersensiblen Religionsunterricht setzen kann. Dieser Aufsatz gibt sowohl methodische als auch inhaltliche Anregungen für die Praxis, die einem Gottesbild im Spannungsgefüge männlicher, weiblicher sowie gestaltloser Zuschreibungen und Charakteristika begegnen will.
In der Vergangenheit wurden die beiden biblischen Schöpfungsgeschichten immer wieder als Begründung für eine Unterordnung der Frau herangezogen. Auf der Grundlage einer exegetisch fundierten Untersuchung von Gen 1−2 setzen sich Anshelika, David, Dominik, Evelyn und Sebastian deshalb kritisch mit jenen Argumenten auseinander, mit denen man über viele Jahrhunderte den Vorrang des Mannes über die Frau zu begründen versucht hat. In ihrem Video fragen sie: Wie ist der Herrschafts- und Vermehrungssauftrag zu verstehen? An wen ist er gerichtet? Und ist Eva tatsächlich nur eine untertänige Gehilfin Adams oder legen die Texte nicht vielmehr eine Ebenbürtigkeit von Mann und Frau nahe?
Glossar:
Begrifflich sind adamah (Erde) und adam (Erdmensch) im biblischen Hebräisch aufeinander bezogen, um so die Verbindung zwischen dem Menschen als Erdwesen und dem Erdboden zu betonen. Da der Mensch aus dem Erdboden gemacht ist und diesen auch bewohnt, sei es – so etwa die Auslegung von Gen 1,28 – seine Pflicht, in Verbundenheit mit dem Erdboden bzw. der Schöpfung Gottes zu leben.
Um das hebräische Wortspiel von „ischah“/ „Frau“ und „isch“/ „Mann“ nachzuahmen, wird in manchen Übersetzungen von Gen 2 von „Männin“ gesprochen, woraus in der Vergangenheit oft eine Herleitung und Abhängigkeit von der Frau zum Mann gelesen wurde. Allerdings fällt der Begriff „ischah“/ „Frau“ noch bevor von einem „isch“/ „Mann“ biblisch die Rede ist. Erst indem der bisher geschlechtsneutrale „Mensch“ sein Gegenüber als „ischah“/ „Frau“ wahrnimmt, expliziert er sein eigenes Wesen als „isch“ / „Mann“.
Anthropozentrik bezeichnet eine Position, die den Menschen (griech. ἄνϑρωπος) an „zentraler“ Stelle sieht. Der Begriff beschreibt eine Weltanschauung, in der der Mensch in den Mittelpunkt gerückt wird. Der Mensch sieht sich hierbei als Maßstab aller Dinge und als Mittler und Gestalter der Welt.
Das Wort „Patriarchat“ leitet sich vom lateinischen Begriff „pater“ „Vater“ ab und beschreibt ein Gesellschaftssystem, in dem Werte, Normen und bestimmte Verhaltensmuster von Vätern und Männern maßgeblich geprägt und repräsentiert werden.
Der Begriff Egalität leitet sich vom französischen „égalité“ ab, was Gleichheit bzw. Gleichwertigkeit bedeutet. Mit diesem Wort verbindet sich der Anspruch, dass grundsätzlich alle Mitglieder einer Gesellschaft den gleichen Zugang zu Ressourcen wie Nahrung und Gütern haben sollen.
Literaturtipp:
Dohmen, Christoph: Ebenbild Gottes oder Hilfe des Mannes? Die Frau im Kontext der anthropologischen Aussagen von Gen 1-3, in: Furger, Franz (Hg.): Frauenfrage – Frauenpolitik (JCSW 34), Münster 1993, 152-164.
Christoph Dohmen regt in seinem Beitrag eine exegetische Aufarbeitung der Schöpfungserzählungen in Genesis 1–3 an, da er diese als von größter Bedeutung für das tradierte „christliche Frauenbild“ erkennt. Dohmens Anliegen ist es, hermeneutische Implikationen für ein tragfähiges, biblisch fundiertes Frauenbild zu erarbeiten.
Das katholische Geschlechterverständnis stößt gerade in zunehmend säkularen Gesellschaften auf ein wachsendes Unverständnis. Selbst überzeugte Katholik:innen stellen heute vermehrt Anfragen an das kirchliche Männer- wie Frauenbild. Dominic, Felix, Florian und Vanessa stellen dar, wie das Geschlechterverhältnis in der katholischen Kirche begründet wird und welche Handlungsansprüche damit verbunden werden. Daneben zeichnen sie nach, mit welchen Anfragen diese Position heute konfrontiert ist und wie die katholische Kirche darauf reagiert.
Glossar:
Das biologische Geschlecht (sex) beschreibt die chromosomalen, hormonellen und anatomischen Differenzen zwischen den Geschlechtern. Im Gegensatz dazu wird mit dem sozialen Geschlecht (gender) das kulturell tradierte und sozial erlernte Geschlecht bezeichnet.
Die Vorstellung der naturgemäßen Ergänzung (Komplementarität) leitet das Lehramt der römisch–katholischen Kirche aus dem biblischen Schöpfungsplan ab. Demnach unterscheiden sich, Mann und Frau in ihrem Wesen grundlegend voneinander und haben einander daher (z. B. auch in der Sexualität) immer schon zu ergänzen.
Es handelt sich um eine Bezeichnung für Menschen, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht identifizieren können.
Hierbei handelt es sich um eine Bezeichnung für Menschen, bei denen das biologische Geschlecht nicht eindeutig dem einen oder anderen Geschlecht zugeordnet werden kann, weil sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale vorhanden sind.
Dies ist eine Abkürzung der englischen Begriffe „Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual, Queer, Intersexual und Asexual“. Das Plus ist ein Platzhalter für weitere, nicht benannte Geschlechtsidentitäten.
Literaturtipp:
Eckholt, Margit (Hg.): Gender studieren. Lernprozesse für Theologie und Kirche, Ostfildern 2017.
Dieser Sammelband nimmt neben grundsätzlichen Begriffserklärungen sowohl Grundfragen theologischer Anthropologie als auch unterschiedliche Perspektiven kirchlicher und pastoraler Praxisfelder in den Blick. An der Schnittstelle zwischen Religionspädagogik und Bildungswissenschaften werden zudem wichtige Impulse (insbesondere zur Frage der Geschlechtergerechtigkeit) geboten, die zur vertieften Auseinandersetzung einladen.
Was die Studierenden aus dem Seminar mitgenommen haben:
Es war sehr spannend in den Gruppenarbeiten zu sehen, wie und wo wir uns in unseren Konfessionen unterscheiden. Daraus folgten sehr schnell sehr bereichernde Diskussionen. Auch durch die Aufgabe, ein Lernvideo zu erstellen, haben wir gelernt, unser Thema didaktisch reduziert und trotzdem korrekt aufzubereiten – auch, wenn es nicht immer leicht war.“
„Gender zwischen Ethik und Exegese – Darunter konnte ich mir vor Seminarbeginn nicht viel vorstellen, erschienen die drei Themen Gender, Ethik und Exegese doch jeweils so komplex, dass ich mich gefragt habe, wie diese miteinander kombiniert werden können, vor allem unter konfessionell-kooperativer Perspektive. Ein eigenes Video in einer konfessionell gemischten Gruppe als Antwort zu entwickeln, hat dabei eine besondere Herausforderung dargestellt. Das gemeinsame Arbeiten hat eine große Freude bereitet.“
„Es war sehr spannend auch katholische Denkweisen und Einblicke in das Thema zu bekommen und sich darüber auszutauschen. Besonders interessant und intensiv war dabei das gemeinsame Erstellen eines Videos zum Thema „Gottesbilder“, da wir in der Gruppe gemerkt haben, dass unsere eigenen Gottesbilder nicht an unsere Konfession gebunden sind!“
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