Kriegerdenkmäler, oftmals vergessen, vermüllt und zugewachsen, sind spannender als man gemeinhin denkt: Sie sind Geschichte, sie erzählen Geschichte, sie machen Geschichte – bis heute. Deshalb haben sich acht Studierende der Geschichtswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2023/24 aufgemacht, fünf dieser Denkmäler, die sich im Stadtgebiet Mainz befinden, zu untersuchen.
Auf der Grundlage intensiven Quellen- und Literaturstudiums präsentieren sie die Ergebnisse dieser Forschung in der nachfolgenden digitalen Ausstellung:
- Nicolai Eckert und Felix Obermüller haben das Kreuzerdenkmal am Fischtorplatz bearbeitet.
- Franziska Größl hat sich dem Kriegerdenkmal in Mainz- Ebersheim gewidmet.
- Leo Döring hat den 117er Ehrenhof analysiert.
- Nicolas Scheerer und Alexandros Divriotis haben das Kriegerehrenmal in Mainz-Bretzenheim untersucht.
- Hanna Hülbusch und Julius Wentland haben das Kriegerdenkmal auf dem Alten Friedhof in Mainz-Weisenau erforscht.
Das folgende einführende Video klärt über die Relevanz und die Dimensionen des Themas auf.
Eine Exkursion zu Mainzer Kriegerdenkmälern
Im Sommersemester 2024 haben Studierende der Geschichtswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eine Exkursion zu Kriegerdenkmälern in Mainz durchgeführt. Die Exkursion selbst wurde ebenfalls von Studierenden vorbereitet und mit dem vorliegenden Video dokumentiert. Es zeigt, wie Kriegerdenkmäler heute von jungen Studierenden wahrgenommen und eingeordnet werden.
Vorbereitungs- und Dokumentationsteam: Theresa Schiffer, Ernst Christoph Sauerbrei, Elias Nikolai Daul, Svenja Schneider und Robin Jeremy Köhler.
Name | S.M.S. (kurz für: Seiner Majestät Schiff) Kleiner Kreuzer „Mainz“ |
Bauzeit | 1907–1909 |
Baukosten | 8.777.000 Mark |
Besatzung | 18 Offiziere, 349-köpfige Mannschaft |
Länge x Breite | 130,5 x 14 Meter |
Bewaffnung | Zwölf 10,5cm-Schnellladekanonen, zwei 45cm-Torpedorohre, zudem zeitweise vier 5,2cm-Schnellladekanonen |
Maschinenhöchstleistung | 22.040 PS |
Höchstgeschwindigkeit | 26,8 Knoten (fast 50 Km/h) |
Nach der im August 1908 erfolgten Truppenschau in Mainz regte Kaiser Wilhelm II. an, ein Schiff seiner Flotte auf den Namen „Mainz“ taufen zu lassen. Der Mainzer Oberbürgermeister Dr. Karl Göttelmann zögerte nicht, dem Kaiser im Namen der Stadt Mainz die Übernahme einer Schiffspatenschaft zuzusichern, und verpflichtete sich dabei zu strengster Geheimhaltung über das Vorhaben. Das Geheimnis wurde erst gelüftet, als am 23. Januar 1909 in Stettin die Schiffstaufe des bis dahin schnellsten Kreuzers der kaiserlichen Marine erfolgte. Zahlreiche Ehrengäste und Schaulustige wohnten der Zeremonie bei. Der Mainzer Oberbürgermeister hielt vor Ort eine Taufrede, die in der Heimat kontrovers aufgenommen wurde, bezichtigte man ihn doch zu großer Unterwürfigkeit gegenüber dem Kaiser:
Und wie seither das Reich Mainz und den Rhein treulich beschützt und bewacht hat, so soll nunmehr nach des Kaisers huldvollem Willen das Patenkind der Stadt Mainz, dieses eisenbewehrte Schiff, mithelfen, das Reich zu schützen. So gleite denn hinab, du stolzes Schiff, in das Element, dem du fortan vermählt bist, […] schütze den Frieden, wahre das Recht und die Ehre des Reichs und führe deine Flagge so, wie es der Kaiser, unser Allerhöchster Kriegsherr, von dir erwartet. […] Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers taufe ich dich: M a i n z. Wir aber geben den Gefühlen unwandelbarer Liebe und Treue zu des Reiches machtvollem Schirmherrn Ausdruck, indem wir rufen: Seine Majestät Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preußen, Hurrah, Hurrah, Hurrah!“
Mit der Taufe der „Mainz“ nahm auch die enge Beziehung zwischen dem Schiff und seiner Patenstadt ihren Anfang. Wie es für eine Fastnachtshochburg kaum anders sein kann, wurde die „Mainz“ umgehend ein Thema in der nächsten Fastnachtskampagne. Unter dem Motto „Der Kreuzer ,Moguntia‘ auf seiner Fahrt um die Welt“ wurde ein eigener Kreuzer-Wagen für den Fastnachtsumzug gebaut, den man am Fastnachtssonntag auf dem Theaterplatz taufte. Am Rosenmontag zog der Kreuzer dann an mehreren Stationen vorbei, die durch verschiedene Prunkwagen, Pferdegruppen und Fußgruppen in der Innenstadt inszeniert wurden. Sie markierten Zielpunkte einer Reise des Kreuzers: Grönland, Samoa, die damaligen deutschen Kolonien Kiautschau und Südwestafrika, sowie abschließend Marokko. Dabei durfte auch ein Seitenhieb auf die enorm hohen Kosten des Schiffbaus nicht fehlen: Eine „Staatssteuerbaggermaschine zur Deckung der Kosten“ war auch mit von der Partie.
Auf städtischer Seite bemühte man sich unter der Federführung Dr. Karl Göttelmanns um eine enge Beziehung zum Patenschiff. So lud man beispielsweise zum Osterfest des Jahres 1914 eine Mannschaft der „Mainz“ zu einem Fußballturnier in die Patenstadt ein. Ungeachtet des Ausgangs des Turniers wurde dem Patenschiff als Zeichen der Gastfreundschaft ein Silberpokal überreicht. Dadurch war es für die Marinemannschaft zu verschmerzen, dass die beiden Partien gegen ein Aufgebot des 1. Mainzer Fußballvereins, eine Vorgängermannschaft des heutigen 1. FSV Mainz 05, und gegen eine kombinierte Dragonermannschaft aus Mainz verloren gingen – von Freitag bis Dienstag wurde im großen Rahmen gemeinsam gefeiert, die gegenseitige Beziehung erweitert.
Nur wenige Monate nach dem Osterfest des Jahres 1914 sank der Kleine Kreuzer „Mainz“ am 28. August 1914 im Seegefecht mit der britischen Flotte vor Helgoland in der Nordsee. Unter den Überlebenden der Kampfhandlung befand sich Adolf Schneider, ein Bootsmannsmaat der Reserve, der vom Bezirkskommando Mainz einberufen worden war. Noch während des Ersten Weltkriegs brachte er nach seiner Rückkehr aus englischer Kriegsgefangenschaft seine Erlebnisse zu Papier und ließ sie dem Mainzer Oberbürgermeister Dr. Karl Göttelmann zukommen. Eine Veröffentlichung der Memoiren wurde jedoch auf Geheiß des Reichs-Marine-Amtes untersagt, da diese zum damaligen Zeitpunkt militärische Interessen der Marine zu gefährden drohten. Wie schilderte Adolf Schneider das Erlebte? Welche persönlichen Folgen hatte das Gefecht für ihn?
Hörspiel
Dieses Hörspiel (verwendete Sound-Effekte) ist unter leichten Anpassungen zusammengestellt worden aus: Stadtarchiv Mainz, Best. 70, 70/773: Schneider, Adolf: Meine Erlebnisse auf S.M.S. MAINZ vom 10. August 1914 bis zu ihrem Untergang (28. August 1914) und in englischer Gefangenschaft, 10. März 1915.
Das Wrack der „Mainz“ befindet sich noch immer auf dem Grund der Nordsee, wo es keinesfalls in Vergessenheit geraten ist. Schatzsucher wie die Taucher des „Duikteam Zeester“ tauchten seit 2011 mehrfach zur „Mainz“ hinab und entfernten gewaltsam Teile vom Wrack, um diese anschließend im Internet zur Schau zu stellen. Dies hatte rechtliche Konsequenzen, gelten die Überreste der „Mainz“ doch gemäß dem Völkerrecht als Seekriegsgrab, in dem die Totenruhe nicht gestört werden darf. Die Objekte wurden nach Deutschland gebracht, wo sie einer Restaurierung unterzogen werden mussten. Doch nicht nur dieser Sachverhalt beschäftigt die Behörden. Öl und Munitionsvorräte, die sich in dem verrostenden Wrack befinden, drohen die Umwelt immer mehr zu gefährden.
Die Baugeschichte des „Kreuzer Mainz“-Denkmals
Nachdem in Laboe 1936 das große Marine Ehrenmal errichtet worden war, wuchs auch der Wunsch in Mainz nach einem solchen Denkmal für das eigene Patenschiff. Die Idee war geboren, die konkrete Planung begann im April 1939. Doch bis zur angesetzten Einweihungsfeier im Oktober desselben Jahres sollten noch einige Hindernisse entstehen, die es zu umschiffen galt. Der erste Entwurf wurde am 9. Mai 1939 durch die Marinekameradschaft Mainz beim Baupolizeiamt der Stadt Mainz eingereicht. Standort sollte das Rheinufer des Fischtorplatzes werden, in dessen Nähe drei Jahre zuvor das Gustav-Stresemann-Denkmal abgerissen worden war. Der Adler, der auf dem heutigen Denkmal thront, war in diesem Entwurf noch an der dem Rhein zugewandten Seite angebracht. Dem Bau der knapp 3.000 Reichsmark teuren Stele wurde zugestimmt, dennoch musste der Plan angepasst werden. Eigentlich sollte die Säule mitten in der Fischtortreppe auf einem Sockel errichtet werden, was Unmut im städtischen Hafenamt Mainz hervorrief. Die Treppe sei zu wichtig für den heimischen Schiffsverkehr. Zudem bemängelte man den Sockel, auf dem die Stele stehen sollte. Er sei eine Stolperfalle für die Mainzer Bevölkerung. So musste das Denkmal an einen anderen Ort versetzt werden.
Am 5. Juli 1939 wurde ein überarbeiteter Plan eingereicht. Er zeigte das Denkmal so, wie es auch noch heute am Rheinufer neben der Treppe am Fischtorplatz steht. Die Kosten verringerten sich auf 2.000 Reichsmark, welche hauptsächlich von den Überlebenden des Kreuzers und der Witwe des Kapitäns, Hertha Paschen, übernommen wurden. Den Bauauftrag erhielt der Mainzer Unternehmer Jakob Schmitt, die Bildhauereiarbeiten übernahm der Mainzer Bildhauer Karl Hoffmann. Die Baugenehmigung wurde am 25. Juli 1939 erteilt. Über die Bauarbeiten selbst ist nichts überliefert, wahrscheinlich sind sie zur geplanten Einweihungsfeier abgeschlossen worden. Die Feierlichkeiten zur Einweihung haben nur zum Teil stattgefunden. So ist es erstaunlich, dass die Einweihung des Denkmals selbst am 27. August 1939 nie stattgefunden hat. Zurückzuführen ist das auf den unmittelbar bevorstehenden Kriegsausbruch. Viele geladene Gäste konnten nicht kommen, weil sie bei den Vorbereitungen des Angriffs auf Polen gebraucht wurden.
Eine besondere politische Aufladung erhielt das „Kreuzer Mainz“-Denkmal durch den Ort, an dem es errichtet wurde. Nach dem Ende der französischen Besatzung im Rheinland (1918–1930) gründete sich ein Ausschuss, um dem ehemaligen Reichsaußenminister Gustav Stresemann ein Denkmal zu setzen. Stresemann hatte sich Zeit seines Lebens für die Befreiung der Rheinlande und die Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland eingesetzt, so dass das Ende der französischen Besatzung einen willkommenen Anlass für den Denkmalbau darstellte.
Trotz erheblicher finanzieller Probleme erfolgte der Baubeginn am 26. Februar 1931. Hierfür war ein alter Teil der Stadtbefestigung abgerissen worden, die bis dato noch am Fischtorplatz gestanden hatte. Durch Spenden gelang es, den Bau schließlich fertig zu stellen und am 5. Juli 1931 im Zuge einer großen Einweihungsfeier zu eröffnen. Im Beisein französischer Gäste gedachte man dem Befreier der Rheinlande.
Hatten die Nationalsozialisten schon die Einweihungsfeier gestört, so nahm ihre Abneigung gegen das Denkmal in den folgenden Jahren weiter zu. Mit der Machtübernahme wurde das Denkmal 1933 für den Publikumsverkehr geschlossen. Ein Abriss des Baus erfolgte um das Jahr 1936. So wurde der Ort, der in Mainz an Frieden und Völkerverständigung erinnern sollte, umdefiniert. Nicht mehr Frieden und Freundschaft, sondern Opferbereitschaft und blinder militärischer Gehorsam sollten fortan an diesem Ort propagiert werden.
Das Gedenken an die Verstorbenen der S.M.S. „Mainz“ außerhalb von Mainz
Das „Kreuzer Mainz“-Denkmal war nicht der erste Ort, an dem der Verstorbenen gedacht wurde. Bereits im Jahre 1914 wurde der „Mainz“ auf Borkum ein erstes Denkmal errichtet, welches die im Seegefecht Verstorbenen als „gefallene Helden“ glorifizierte. An diesem Denkmal, das sich auf dem Hof einer Kaserne befand, wurde zum einjährigen Gedenken des Untergangs der „Mainz“ am 28. August 1915 eine Gedächtnisfeier ausgerichtet. Der Mainzer Oberbürgermeister Dr. Karl Göttelmann reiste zwar nicht an, doch steuerte er eine Rede bei, in der er nicht müde wurde zu betonen, dass des Schiffes „Geist […] in der deutschen Wehrmacht zur See, zum Schutze des Vaterlandes, zum Schrecken seiner Feinde“ lebendig sei. Heute existiert dieses Denkmal nicht mehr. Es soll in den 1950er Jahren abgetragen worden sein.
Ein weiterer Gedenkort befindet sich in Westerland auf Sylt. Dort wurde fast genau ein Jahr nach der Errichtung des Denkmals in Mainz ein neuer Ehrenfriedhof für die im Ersten Weltkrieg verstorbenen Marinesoldaten eröffnet. Finanziert wurde die Erneuerung der alten Anlage durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die Einweihung geschah am 11. August 1940 in Anwesenheit von Ehrengästen aus der NSDAP und der Wehrmacht. Darüber hinaus war ein Vertreter der Stadt Köln anwesend, aus Mainz war niemand gekommen. Zusätzlich lässt sich nicht sagen, ob die Teilnehmenden der Einweihungsfeier etwas über das ein Jahr zuvor in Mainz errichtete Denkmal wussten. In seiner Weiherede gedachte der Marineoberpfarrer a. D. Köhne der „Größe und Heiligkeit des Opfertodes für das Vaterland“ – ein Zeugnis nationalsozialistischen Heldenkults. Auf dem Ehrenfriedhof wurden 65 Marineangehörige beigesetzt, die überwiegend den Kreuzern „Köln“ und „Mainz“ angehörten und am Strand der Insel geborgen werden konnten.
Noch heute existiert dieses Gräberfeld auf dem Westerländer Gemeindefriedhof, auf dem die steinernen Sarkophagdeckel platziert worden sind. Diese tragen die Aufschrift „Helgoland 28.8.1914“, weisen neben unterschiedlichen Seefahrermotiven aber keine Namen der gefallenen Soldaten oder der versenkten Schiffe auf. Die Namen der Gefallenen sind stattdessen in einer Ehrenhalle, die an das Gräberfeld angeschlossen ist, verzeichnet. Auch eine Darstellung leidender oder sterbender Soldaten findet sich hier nicht. Zudem wurde die Erneuerung der Gedenkstätte nicht zufällig in der Anfangszeit des Zweiten Weltkriegs realisiert, diente die neue Herrichtung doch bewusst der Instrumentalisierung der im Ersten Weltkrieg gefallenen Marinesoldaten für die nationalsozialistische Propaganda. Der Kirchengemeinderat Westerland, der den Friedhof betreut, hat eine erklärende Tafel aufgestellt, mit der er es sich zur Aufgabe gemacht hat, „in guter, friedensfördernder und ehrlicher Weise der Vergangenheit zu gedenken“.
Das „Kreuzer Mainz“-Denkmal entschlüsselt – Inschriften und Bildsprache verstehen
Das Denkmal befindet sich am Molenkopf der Fischtortreppe. Der Aufstellungsort der Stele ist dem Fischtorplatz vorgelagert, der den Zweiten Weltkrieg weitestgehend unbeschadet überstanden hat. An der Fischtortreppe landeten die Ausflugsschiffe an, was der Absicht, Kriegerdenkmäler an Mittelpunkten des öffentlichen Lebens zu errichten, zugutekam. An diesem öffentlichen Ort gelang es, zahlreiche Personen mit dem Denkmal zu erreichen und an die Verbindung des Rheins mit der Nordsee zu erinnern.
Gedenken am Fischtorplatz? – Eine Chronologie
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05.07.1931
Die Einweihungsfeier des Gustav Stresemann-Denkmals am Fischtorplatz findet mit französischen Gästen statt. Der Reichstagsabgeordnete Dr. Dingeldey hält die Gedächtnisrede.
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1933
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird das Stresemann-Denkmal für den Publikumsverkehr geschlossen.
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Nach 1936
Das Gustav-Stresemann-Denkmal wird von den Nationalsozialisten abgerissen.
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25.–28.08.1939
Die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Gründungsjubiläum der Marinekameradschaft Mainz, dem 25. Jahrestag des Untergangs des Kreuzers und der Errichtung des Ehrenmals für den Kreuzer werden teilweise durchgeführt.
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18.10.1951
Marineveteranen beschweren sich über den Zustand des Denkmals bei der Stadt Mainz und erbitten eine Instandsetzung. Der Bitte wird stattgegeben, und das Denkmal wird nach und nach in Stand gesetzt.
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29.05.1953
Der Marineverein beschwert sich bei der Stadt Mainz über die Plakatierung des Denkmals sowie über die mittlerweile von Autos zugeparkte Fläche. Die Plakate werden entfernt, die Autos dürfen mit Verweis auf das hohe Verkehrsaufkommen weiterhin am Denkmal parken.
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28.08.1953
Die Gedenkfeier zum 39. Jahrestag des Untergangs der „Mainz“ wird mit Beflaggung am Denkmal durch die Stadt durchgeführt. Allerdings weigert sich die Stadt, einen Kranz zu stiften. Man verweist auf die traditionelle Kranzniederlegung durch den Verein.
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11.11.1953
Die durch die Beschwerde des Marinevereins im Jahr 1951 angestoßene Instandsetzung des Denkmals ist mit einem Kostenaufwand von ungefähr 2.320 DM fertiggestellt.
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28.08.1955
Eine weitere Anfrage der Kranzstiftung durch den Marineverein an die Stadt Mainz wird mit einer Absage beantwortet. Es sei unüblich und auch nicht für andere militärische Vereinigungen erfolgt oder geplant.
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Oktober 1960
Die erste von der Stadt unterstützte Feierlichkeit findet statt. Oberbürgermeister Stein führt die Kranzniederlegung durch. In seiner Amtszeit (1949–65) beginnt die Tradition, am Volkstrauertag einen Kranz für das Denkmal zu stiften. Durch ein vorangegangenes NATO-Manöver ist auch das 3. Minensuchgeschwader vor Ort und nimmt an den Feierlichkeiten teil.
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28.08.1964
Die Gedenkfeier anlässlich des Untergangs der SMS „Mainz“ vor 50 Jahren findet im Beisein der letzten Überlebenden des Untergangs und des 3. Minensuchgeschwaders statt. Da die Feierlichkeit in der Kritik steht, betont man bei dieser Veranstaltung den Willen, ein Bewusstsein zu schaffen, welches eine weitere Katastrophe (wie Krieg) in Zukunft verhindern könne.
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1997
Eine Kranzniederlegung im Zuge einer erneuten Gedenkveranstaltung mit dem 3. Minensuchgeschwader findet statt.
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2014
Der Friedensaktivist Hans Ripper entfernt den von der Stadt niedergelegten Kranz, der zum 100-jährigen Jahrestag von der Stadt durch Oberbürgermeister Michael Ebling gestiftet worden war. Ripper wurde dabei gefilmt und stellte das Video im Anschluss ins Netz.
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April 2020
Eine Antwort auf eine von der Stadtratsfraktion der AfD gestellten Anfrage bezüglich der Verschmutzung und Besprühung des Denkmals ergibt, dass in den letzten 10 Jahren etwa 2.000 € für vier Reinigungen des Denkmals aufgewendet wurden.
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10.03.2021
Ein gemeinsamer Antrag der Grünen und Linken-Fraktion wird beim Ortsbeirat Mainz-Altstadt eingereicht, in dem um einen Stopp der Kranzniederlegung gebeten wird. Die CDU-Fraktion spricht sich gegen die Aussetzung der Gedenkfeiern aus. Zusätzlich fordern die Antragstellenden eine das Denkmal einordnende Informationstafel, was auf allgemeine Zustimmung stößt. Der Antrag wird mit 7:5:1 Stimmen beschlossen.
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18.01.2023
Die Grünen stellen die Anfrage, warum trotz der 2021 beschlossenen Empfehlung, keine Kränze mehr am Denkmal abzulegen, weiterhin diese Praxis durchgeführt wird. Oberbürgermeister Günter Beck begründet dies mit dem Gedenken an die Opfer des Krieges.
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12.07.2023
Die Stadtratsfraktionen der Grünen, FDP und SPD sprechen sich noch einmal für die Errichtung einer einordnenden Informationstafel am Denkmal aus.
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19.11.2023
Oberbürgermeister Nino Haase bricht mit der Tradition und spendet im Zuge des Volkstrauertages keinen Kranz mehr zum Gedenken am Denkmal selbst.
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24.01.2024
Oberbürgermeister Nino Haase antwortet auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Ortsbeirat Mainz-Altstadt: Eine Historische Einordnung durch eine Informationstafel sei nötig, eine Umwidmung wird in Betracht gezogen. So könne das Denkmal ein Erinnerungsort bleiben.
Ein Denkmal entsteht – von der Baugeschichte bis zur Einweihung
Einweihung | 3. November 1935 Zeit des Nationalsozialismus |
Baukosten | 6.500 RM |
Künstler | Bildhauer Carl Hoffmann |
Inschriften | Gedenket der Toten des Krieges und wofür sie starben 1914 – UNSEREN HELDEN – 1918 |
Errichtet für | Gefallene des Ersten Weltkriegs; Erweitert für Gefallene des Zweiten Weltkriegs |
Renovierung | 2009 |
Wissenswertes | Erinnerung an zwei jüdische Gefallene Erinnerung an einen SS-Sturmmann Eingemauerte Zeitkapsel, gefunden bei der Renovierung 2009 |
Am 3. November 1935 wurde das Kriegerdenkmal in Ebersheim eingeweiht. Jedoch scheint es schon in den Jahren zuvor Überlegungen zur Errichtung eines Denkmals gegeben zu haben – ohne nachhaltige Planungen oder Beschlüsse. Ab dem Jahr 1933, mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, nahm der Bau eines Denkmals Fahrt auf. Auf einer Sitzung am 22. Juni 1934 gaben Vertreter des hessischen Hochbauamts Mainz Erläuterungen und grundsätzliche Ausführungen über die Errichtung eines Denkmals vor der katholischen Kirche, woraufhin der Gemeinderat einer Errichtung zustimmte. Anfang 1935 begannen nun die endgültigen Planungen.
Der mittlerweile vorherrschende Einfluss der NS-Regierungsbehörden zeigte sich auch bei der Auswahl des Künstlers, sollte doch ursprünglich der Nieder-Olmer Bildhauer Heinz Müller das Kriegerdenkmal realisieren. Dieser war jedoch kein Mitglied der „Reichskammer der bildenden Künste, Fachverband Bund Deutscher Bildhauer“ und so fiel die Wahl schließlich auf den Mainzer Bildhauer Carl Hoffmann.
Es war nicht das erste Denkmal, das vor der Ebersheimer Kirche errichtet wurde: Zuvor stand an dieser Stelle bereits ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71, das für das neue Denkmal seitlich zurückversetzt wurde. Zudem waren am 28. November 1926 bereits zwei Steinplatten, in die die Namen der gefallenen oder vermissten Ebersheimer Soldaten des Ersten Weltkrieges eingraviert waren, aufgestellt worden. Darauf waren auch zwei jüdische Soldaten (Berthold Kahn und Julius Goldschmitt) erwähnt worden. Erstaunlicherweise konnten diese Steinplatten in das neue Kriegerdenkmal, das nun 1935 errichtet wurde, eingebunden werden, obwohl die nationalsozialistische Volksgemeinschaftsideologie Juden generell ausschloss.
Das Denkmal wurde am Sonntag, den 3. November 1935 eingeweiht. Der Tag begann mit einem Festgottesdienst für die Kriegsteilnehmer. Nach dem Musikstück „Die Himmel rühmen“ von Ludwig van Beethoven (einem Stück mit christlichem Motiv) erfolgte die Begrüßung durch den Bürgermeister, die Übergabe des Denkmals durch die Bauleitung des hessischen Hochbauamts Mainz und dessen Enthüllung. Unter Glockengeläut erklang das berühmte Soldatenlied „Vom guten Kameraden“, bevor ein „Sanktus aus der Messe“ vorgetragen wurde. Die Weihe des Denkmals übernahm Pfarrer Singer, die Lieder „Heldentod“ und „Den Gefallenen“ wurden von örtlichen Gesangsvereinen vorgetragen. Eine Kranzniederlegung sowie Ehrensalven waren ebenfalls geplant. Das Schlusswort übernahm Bürgermeister Balthasar Becker, gefolgt vom nationalsozialistischen „Horst-Wessel-Lied“ und dem „Deutschlandlied“. Die Einbeziehung des Pfarrers und der kirchlichen Lieder verwundert angesichts des Standorts (Kirche) und der katholischen Prägung der Gemeinde nicht. Der Einweihung folgte ein Umzug durch den ganzen Ort, an dem Radsportverein, Schulkinder, Jungvolk und Hitlerjugend, Musikzüge, B.D.M., S.A. sowie Ehrengäste, Kriegsopfer, Ortsvereine und eine Ehrenkompanie der Kyffhäuser teilnahmen.
Trotz der etwas außerhalb gelegenen Ortschaft fand die Denkmalseinweihung Niederschlag in den örtlichen Zeitungen. Das katholisch geprägte Mainzer Journal kündigte die Weihe in ihrer Samstagsausgabe an und berichtete am 6. November 1935 über die Einweihungsveranstaltung, dass der 3. November für Ebersheim ein „Festtag“ gewesen sei. Der Mainzer Anzeiger berichtete bereits einen Tag nach der Einweihung und fasste den Bauprozess und die gehaltenen Reden zusammen. Bemerkenswert war die Rede des NSDAP Ortsgruppenleiters Georg Oskar Grabfelder:
Er gedachte des Heldentums der Gefallenen, das ewig fortleben werde im deutschen Volk. Auch der für das neue Reich Gefallenen als den Wegbereitern deutscher Zukunft, deutscher Größe und Ehre gedenkend, rief er zu einem Treugelöbnis für den Führer auf.“
Grabfelder malte also den typisch nationalsozialistischen Heldenkult aus und stellte die Kämpfer der NSDAP in eine Reihe mit den Kriegstoten. Zugleich nutzte er die Gelegenheit, ein Treuegelöbnis für Adolf Hitler einzufordern. Der Sinn der Einweihungsfeier wurde damit verfälscht und für die Nationalsozialisten instrumentalisiert. Gleichwohl konnte so ein Gemeinschaftsgefühl evoziert werden, das sichtbar die angestrebte „Volksgemeinschaft“ belegte und Identität erzeugte.
Über die weitere Nutzung des Denkmals ist wenig bekannt. Ein Foto zeigt, dass am 16. März 1941, am „Heldengedenktag“, eine öffentliche Zusammenkunft und Kranzniederlegung am Denkmal stattfand. 1958 wurde das Ebersheimer Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges durch die Hinzufügung der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs erweitert.
Das Denkmal untersuchen – Interpretation und Symbolik
Mit dem Blick von der Straße auf die Kirche steht eine abgrenzende Mauer vor den Treppen, die zur Kirche führen. In rotem, eingearbeitetem Sandstein in der Mauer stehen folgende eingravierte Worte:
Von der Kirche aus, Richtung Straße, wird die Gestaltung der Innenseite der Mauer offenbar. Hier befinden sich zwei Reihen mit rechteckigen Sandsteintafeln, die an der Mauer befestigt sind. Diese enthalten Namen, Todesdaten, Todesort und das Alter zum Zeitpunkt des Todes sowie die militärische Einheit (Regiment) der Gefallenen des Ersten Weltkriegs. In der Mitte der Mauer ist eine große Sandsteintafel angebracht:
Die Renovierung und Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur
Nach über 70 Jahren wurde das mittlerweile mehr und mehr verfallende Ebersheimer Kriegerdenkmal 2009 auf Initiative des Kultur- und Geschichtsvereins Ebersheim grundlegend renoviert. In Verhandlungen zwischen dem Verein und der katholischen Kirchengemeinde, die Eigentümerin des Denkmals ist, einigte man sich über Renovierung und Finanzierung. Die Gesamtrenovierung wurde in zwei Bauabschnitten geplant. An erster Stelle stand die Sanierung der Mauer und des Denkmals von 1914 – 1918. Nachdem bei der Renovierung eine Kupferkartusche in der Mauer gefunden worden war, wurde diese samt ihrem Inhalt, der am 2. Oktober 2009 ausgestellt worden war, wieder am ursprünglichen Platz eingemauert.
Im Frühjahr 2011 wurden die restaurierten Gedenktafeln für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs an die katholische Pfarrgemeinde als Eigentümerin übergeben, womit die Renovierung des Kriegerdenkmals vollständig abgeschlossen war.
Die Renovierung des Kriegerdenkmals in den Jahren 2009 bis 2011 sorgte aber nicht nur durch den Fund der Zeitkapsel für eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit. Die Wiederanbringung einer Tafel, auf der sich der Name und Dienstgrad eines gefallenen SS-Mannes befindet, stieß bei einigen Einwohnern Ebersheims auf Protest und sorgte infolgedessen auch für neue Kritik an dem Denkmal. Man forderte eine Entfernung des Namens, zumindest aber eine Kontextualisierung der Rolle der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg am Denkmal, was jedoch u.a. vom Kultur- und Geschichtsverein Ebersheim abgelehnt wurde, weil er darin eine unzulässige Veränderung des historischen Bauzustandes erblickte.
Die Nennung eines SS-Mitgliedes auf einem Kriegerdenkmal ist jedoch kein Einzelfall, sondern noch in vielen weiteren Fällen in Deutschland vorzufinden. Einen Anstoß für eine Kontextualisierung dieses Umstandes lieferte das Künstlerkollektiv „Artresist“ am Volkstrauertag 2012.
Mithilfe einer 2,20 m langen, schmalen Plexiglasscheibe, die mit der Einstufung der SS als verbrecherische Organisation beschriftet war, sollte der Name überdeckt werden. Somit war die Inschrift der Denkmaltafel zwar noch sichtbar, die Plexiglasscheibe störte aber den Blick und fügte eine kurze historische Einordung der SS hinzu. Nur wenige Tage nach der Installation wurde die Verankerung der Plexiglasscheibe gewaltsam herausgerissen und zerstört.
Das Kriegerdenkmal in Ebersheim ist damit ein bemerkenswertes Beispiel dafür, dass auch scheinbar längst aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwundene Kriegerdenkmäler nach wie vor politischen Streit entfachen können.
Die Architektur des Ehrenhofes
Das Ehrenmal präsentiert sich als großer rechteckiger, versunkener Ehrenhof. Eine seiner Hauptmerkmale ist eine dicke Wand aus rotem Sandstein, die fast die gesamte Länge der Südseite des Hofes einnimmt. Auf dieser Wand sind die Schlachten-Ehren des Regiments und seiner Einheiten eingraviert. Die Basis der Wand bildet eine Bank, die sich zum gepflasterten Hof hin öffnet, und eine Treppe neben der Wand führt etwa einen Meter unter das Straßenniveau zum Hof hinab. An einem Ende der Wand ist das Monogramm der Großherzogin Alice eingemeißelt. Auf der Westseite des Hofes steht ein großer bronzener Hessischer Löwe (das Symbol des Regiments) von Carl Moritz Hoffmann geschaffen. Warum Hoffmann den Löwen so anmutig auf seinen Pfoten tänzelnd gestaltet hat, ist leider unklar. Auch sind keine weiteren Daten über den Künstler Hoffmann überliefert. Die Nordseite ist heute eine durch eine niedrige Sandsteinmauer getrennte Rasenfläche. Diese Rasenfläche war ursprünglich eine zweigeteilte Springbrunnenanlage, welche allerdings Ende der 1990er Jahre zurückgebaut wurde.
Die Geschichte des 117er Regiments
Das über 200 Jahre alte Regiment mit acht Kompanien hat eine beeindruckende Geschichte militärischer Einsätze. Schon im 17. Jahrhundert kämpften seine Stammkompanien im sogenannten Türkenkrieg und im Holländischen Krieg. Im 18. Jahrhundert war das Regiment im Spanischen Erbfolgekrieg und im Siebenjährigen Krieg im Einsatz, wo es unter Friedrich dem Großen diente. Später, 1806, erhielt es den Titel „Leibregiment von Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt“. Im 19. Jahrhundert kämpfte es im Deutsch-Französischen Krieg, insbesondere in der Schlacht von Gravelotte. Im Ersten Weltkrieg war das Regiment unter anderem in der Schlacht an der Marne und um Verdun involviert. 1916 wurde es sogar von Kaiser Wilhelm II. besucht und wegen seiner Leistungen geehrt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Regiment am 30. April 1919 aufgelöst. Die 117er hießen stets das „blaue Regiment“, aufgrund der blauen Schulterklappen auf den Uniformen.
Das Regiment und Mainz
Am 1.Oktober 1872 zog das Regiment in seine letzte Garnison, die Festung Mainz, ein. Schnell wuchsen die Soldaten des Regiments und die Bewohner der Stadt zusammen. Dies hatte mehrere Gründe: Zum einen konnten die 117er bei Hochwasserereignissen im Jahr 1882 die Innenstadt durch den Bau von Dämmen vor größeren Schäden bewahren. Zum anderen war der Sport ausschlaggebend. Viele Angehörige des Regiments stammten selbst aus Mainz und diese Sportler waren recht erfolgreich. So gewannen etwa die Fußballer der 117er im Jahr 1913 die Goldene Kette von Mainz.
Die Stadtbevölkerung hatte auch mehrere Spitznamen für die Männer des Regiments: beispielsweise nannte man sie „Viehmörder“, da ein Soldat versehentlich im Fort Weisenau eine Kuh erschossen haben soll. Auch waren die 117er Teil der sog. „närrischen Divisionen“. Diese Bezeichnung ergab sich aus dem Umstand, dass die anderen Regimenter der Mainzer Festung gelbe, rote und weiße Ärmelaufschläge hatten. Zusammen mit den blauen Aufschlägen der 117er ergeben sich so die vier Farben der Fastnachtshochburg Mainz.
Einweihungsfeier des Ehrenhofes
Aufgrund der französischen Besatzung der Stadt Mainz bis 1930, war ein von der Reservistenkameradschaft angestrebtes Denkmal für die 117er nicht realisierbar. Nach der „Rheinlandbefreiung“ 1930 jedoch begannen erste Bestrebungen zur Errichtung eines Denkmals, die 1933 endlich Früchte trugen. Am ersten Juliwochenende 1933 fand die Einweihungsfeier für den 117er Ehrenhof statt. Dieses Ereignis war eingebettet in die nationalsozialistische Propaganda, die auf die Stärkung der militärischen Tradition und die „Wiederwehrhaftmachung“ Deutschlands nach dem Versailler Vertrag abzielte. Die Feierlichkeiten erstreckten sich über drei Tage und umfassten Andachten, Paraden der SS, SA und Polizei, sowie festliche Konzerte und Bankette in der Mainzer Stadthalle. Anwesend waren prominente Vertreter wie der Reichsstatthalter und NSDAP-Gauleiter Jakob Sprenger, der Oberbürgermeister und auch Großherzog Ernst Ludwig von Hessen. Die Veranstaltung zielte darauf ab, eine Traditionslinie zwischen der alten kaiserlichen Elite und der neuen NS-Bewegung aufzuzeigen, und wurde von tausenden Zuschauern verfolgt. Damit setzte man auch in Mainz um, was am sog. Tag von Potsdam, dem 21. März 1933, dort bei der feierlichen Eröffnung des neu gewählten Reichstages im Handschlag zwischen Reichskanzler Adolf Hitler und dem Weltkriegshelden Reichspräsident v. Hindenburg zum Ausdruck gebracht worden war.
Wenn auch der 117er Ehrenhof fortan zu einem zentralen Ort für Gedenkfeiern und Aufmärsche der nationalsozialistischen Ära in Mainz wurde, erlangte er doch nie die ihm zugedachte weihevolle Aura. Schon während des Zweiten Weltkrieges kam es zu ersten Beschwerden der Reservisten über Missstände im Ehrenhof, weil dort Kinder spielten und Passanten sich nicht an die vorgesehenen Gehwege hielten. Grünanlagen wurden zertreten, der Ort verschmutzt und wenig respektvoll behandelt.
Der Ehrenhof nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der Verfall fort. Bereits 1952 war das Denkmal durch Hundekot und spielende Kinder beschädigt. In den folgenden Jahren wurde der historische Ort weiter vernachlässigt: Der einstige Springbrunnen wurde zur Rollschuhbahn umfunktioniert, Graffiti und Schmierereien verschandelten das Gelände. Trotz gelegentlicher Gedenkfeiern für die Gefallenen des Regiments blieb die Pflege unzureichend. Im Jahr 1961 wurde auf dem Ehrenhof für die „Division Weintraube“ der Wehrmacht ein weiteres Denkmal eingeweiht.
1981 endlich wurde der Ehrenhof unter Denkmalschutz gestellt, was jedoch nicht verhinderte, dass Vandalismus und Verfall weiter anhielten. Eine erste Sanierung erfolgte 1996 im Rahmen einer größeren Maßnahme für diverse Denkmäler in Mainz, doch die Probleme setzten sich fort.
Kontroversen um eine mögliche Umbenennung des Geländes in Georg-Forster-Platz begleiteten die Diskussionen über den Erhalt des historischen Kriegerehrenmals.
Trotz ehrenamtlicher Bemühungen zur Instandhaltung und gelegentlicher Reparaturen blieb die Zukunft des 117er Ehrenhofs unsicher. Die Aufstellung von Containern für schulische Zwecke 2017 auf dem Gelände verstärkte die Debatte um die Nutzung des Denkmals. Erst 2023 wurden die Container entfernt, doch die Diskussion um das Denkmal und seinen Namen geht weiter im Ortsbeirat der Mainzer Neustadt.
Beschreibung des Denkmals
Das Kriegerehrenmal in Mainz-Bretzenheim besteht aus einer steinernen Stele, auf der sich ein aus Bronze gefertigter Soldat befindet. Das Gelände in unmittelbarer Nähe des Ehrenmals ist mit Steinen gepflastert, drumherum befindet sich eine Wiese mit Büschen, Bäumen und Hecken. Umrandet wird das Gelände von einer niedrigen Steinmauer. Das Ehrenmal zeichnet sich durch mehrere Gedenktafeln aus, die sich an der Front, den Seiten sowie an der Rückseite befinden, auf denen die Namen der Gefallenen und ihr Todestag eingemeißelt sind. Auf dem steinernen Sockel befindet sich ein bronzener Soldat in Uniform.
Bei einem Vergleich der beiden Fotografien fällt auf, dass der bronzene Palmzweig auf dem Sockel der Stele bei der aktuellen Fotografie fehlt. Darüber hinaus wirken das Denkmal und der Platz auf der Fotografie von 1990 sauberer, der Soldat weniger fleckig und die Schrift auf der Gedenktafel ist deutlicher zu erkennen.
Der bronzene Soldat
Zentrales Merkmal des Kriegerdenkmals ist die bronzene Statue, die auf dem Denkmalsockel steht. Die Statue wurde von dem Freiburger Künstler Wilhelm Eugen Merten im Jahr 1922 erschaffen. Sie ist eine von vielen vergleichbaren Werken, die der Künstler während seiner Schaffenszeit fertigte. Der bronzene Soldat in Mainz-Bretzenheim ist hingegen mutmaßlich das einzige Werk Mertens, das sich außerhalb des Großraums Freiburg befindet. Wie die Statue den Weg auf das Denkmal in Mainz-Bretzenheim fand, ist bisher nicht bekannt.
Interpretation des Denkmals
Version Nr. 1 „Helm ab zum Gebet“
Der bronzene Soldat, der allgemein fein gearbeitet ist und in seiner filigranen Gestaltung keineswegs den sonst häufiger anzutreffenden muskulösen Soldatenfiguren auf Kriegerdenkmälern entspricht, scheint die Hände zum Gebet gefaltet zu haben. Dieser Eindruck wird durch die kniende Haltung sowie den Umstand verstärkt, dass sich das Denkmal auf kirchlichem Gelände befindet. Allgemein wirkt der Soldat entrückt und sein Blick scheint in die Ferne zu schweifen, was dadurch verstärkt wird, dass der Soldat einst den alten Friedhof überblickte. Auch die Tatsache, dass sich das Denkmal auf kirchlichem Gelände befindet und die katholische Kirche Bretzenheim an der Planung des Ehrenmals beteiligt war, spricht für diesen Interpretationsansatz.
Version Nr. 2 „Sehnsucht nach Frieden“
Der knieende Soldat kann aber auch anders interpretiert werden. Zwar sind seine Hände gefaltet und umschließen den Helm, doch weder die Hände noch der Helm befinden sich auf Höhe der Brust, sondern seitlich auf Höhe der Hüfte des Soldaten. [Ein Beispiel für ein Denkmal, bei dem sich das Motiv hervorragend erkennen lässt, ist das Denkmal „Helm ab zum Gebet“ (1924) von Richard Emil Kuöhl.] Darüber hinaus scheint der Soldat nicht zu knien, sondern eher zu Boden zu sinken. Der in die Ferne schweifende Blick kann im Kontext des Ehrenmals, das sich zwar auf Kirchengelände befindet, jedoch von der weltlichen Gemeinde errichtet wurde, als ein Blick in eine friedliche Zukunft gedeutet werden. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass das Ehrenmal evangelischer, katholischer und sogar einer kleinen Anzahl jüdischer Gefallener gedenkt und daher außerhalb des konfessionellen Kontextes interpretiert werden kann.
Der Künstler der Bronzestatue – Wilhelm Eugen Merten
Der deutsche Bildhauer Wilhelm Eugen Merten wurde am 14. Juni 1879 in Gaggenau nahe Karlsruhe geboren. Nachdem er mit 14 Jahren zum Vollwaisen geworden war, brach Merten das Realgymnasium in Karlsruhe ab und begann eine Lehre als Ziseleur. Von 1896 bis 1900 besuchte er die Kunstgewerbeschule Karlsruhe und von 1902 bis 1908 die Karlsruher Akademie. Danach lebte Merten in Wien, wo er mit anderen Künstlern zusammenarbeitete. In dieser Zeit gewann er den ersten Preis bei einem Wettbewerb, der ihm eine Studienreise nach Italien einbrachte. 1910 ging Merten nach Paris. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs musste er Paris jedoch verlassen und somit auch den Großteil seines Werks aufgeben. In Deutschland angekommen, wurde er in Freiburg ansässig, wo er den Rest seiner Lebzeit verbrachte.
Neben der Bretzenheimer Soldatenstatue fertigte Merten zahlreiche Werke, die sich unter anderem auf dem Gelände der Universitätsklinik in Freiburg finden lassen. Er schuf zudem zahlreiche Grabplastiken sowie weitere Kriegerdenkmäler, die sich noch heute im Großraum Freiburg befinden. Am 16. Februar 1952 starb er in Freiburg.
Die Gedenktafeln und die Gefallenen des Kriegerdenkmals Mainz-Bretzenheim
Das Leben der gefallenen Soldaten des Bretzenheimer Kriegerehrenmals
Das Bretzenheimer Kriegerehrenmal lädt durch die ausführliche Nennung von 178 Gefallenen dazu ein, deren Biografien zu beleuchten. In Denkmalsakten lassen sich im Stadtarchiv der Stadt Mainz 131 Dokumente zu ihrem Kriegstod finden. Diese Dokumente, sogenannte Kriegsstammrollen, liegen in unterschiedlichen Versionen vor. Zum einen sind Vordrucke vorzufinden, in denen alle aufzufindenden Informationen zu den Gefallenen handschriftlich ausgefüllt wurden. Einige dieser Kriegsstammrollen mussten aufgrund von Zeitmangel schnell ausgefüllt werden. Aus diesem Grund sind manche Handschriften kaum lesbar oder verschmiert. Dies ist insbesondere bei den vielen Toten zu sehen, die in verlustreichen Schlachten und gegen Ende des Krieges gefallen sind. Zum anderen sind Vordrucke vorzufinden, die mit einer Schreibmaschine ausgefüllt wurden und dadurch deutlich leichter zu lesen und zu entziffern sind.
Im Folgenden präsentieren Diagramme die statistische Auswertung des Kriegerehrenmals Mainz-Bretzenheim, die mit Hilfe der Stammrollen erfolgte. Hierbei wurden Alter, Konfession, Familienstand, Sterbeort, Beruf, Todesursache und der militärische Rang der Gefallenen Bretzenheimer betrachtet, zusammengetragen und ausgezählt.
Das Geburtsdatum der Gefallenen ließ sich in allen 131 im Stadtarchiv vorzufindenden Dokumenten feststellen. Das früheste Geburtsjahr war 1872, das späteste 1899. Der jüngste Gefallene war zum Zeitpunkt seines Todes also gerade 18 Jahre und 29 Tage alt. Der älteste Gefallene war zum Zeitpunkt des Todes 42 Jahre alt. Auffällig ist, dass ein erheblicher Teil der Gefallenen (41 Männer) im Zeitraum von 1890 bis 1892 geboren wurde, mithin zwischen 22 und 28 Jahre alt und im besten Jugendalter waren, als sie der Tod auf dem Schlachtfeld ereilte.
Die Konfession der Gefallenen ließ sich in 123 von 131 Fällen herausfinden. Eine deutliche Mehrheit der Gefallenen (96) war katholischer Konfession, 18 Gefallene waren evangelisch, acht jüdisch.
Der Familienstand der Gefallenen ließ sich bei 121 von 131 herausfinden. Während 83 Gefallene zum Zeitpunkt ihres Todes ledig waren, waren 38 verheiratet. Von den 38 Verheirateten waren nur zwölf Ehepaare kinderlos. Die hohe Anzahl an ledigen Männern lässt sich durch das teilweise sehr junge Todesalter erklären. Eine Vielzahl der Gefallenen war nur knapp über 18 Jahre alt.
Darüber hinaus konnte den Akten des Stadtarchivs auch der Beruf der Verstorbenen entnommen werden. Zu insgesamt 89 Personen finden sich einschlägige Angaben. Ganz überwiegend handelte es sich bei den Bretzenheimer Gefallenen um Handwerker. Fünfzehn Maurer, zwölf Landwirte, sieben Gärtner, aber auch Schlosser (sieben), Schreiner (sechs), Fabrikarbeiter (fünf) und Tüncher (fünf) und viele weitere handwerkliche Berufe finden sich in den überlieferten Sterbeverzeichnissen. Einzig zwei Kaufmänner und ein Bürobeamter fallen aus dem klassischen handwerklichen Berufsmuster heraus.
Schließlich konnten bei 70 Soldaten die militärischen Dienstränge festgestellt werden. Die große Mehrzahl der Bretzenheimer Gefallenen waren „Musketiere“ (20), „Landstürmer“ (10), „Kanoniere“ (4) oder „Füsiliere“ (4), bei neun Reservisten ist der Dienstgrad nicht angegeben. Nur drei Unteroffiziere und zwei Offiziere befanden sich unter den Gefallenen des Bretzenheimer Kriegerdenkmals – man könnte es daher als ein Ehrenmahl der einfachen Soldaten und ihres Kriegsleidens bezeichnen.
Ebenso liefern die Akten nähere Informationen zu den Todesursachen der Soldaten. Bei 38 von 90 Gefallenen findet sich die Angabe “gefallen”, elf allerdings sind bei Artilleriegefechten ums Leben gekommen, acht durch Granatsplitterverletzungen, sechs Personen wurden “verwundet” und starben daraufhin. Im Hintergrund solcher Todesfälle dürfte der bei den Soldaten des Ersten Weltkrieges so gefürchtete sogenannte Wundbrand stehen, eine schlimme und oft schmerzhafte Wundinfektion, die angesichts noch fehlender Antibiotika oft tödlich verlief. Bei den beiden auf dem Denkmal erinnerten Matrosen, die auf See gestorben sind, wurde nur “ertrunken” notiert.
Bei 90 von 131 Verstorbenen konnte der genaue Ort, an dem die Person gefallen ist, identifiziert werden. Die Mehrheit der auf dem Bretzenheimer Kriegerdenkmal geehrten Gefallenen (62) ist in Frankreich ums Leben gekommen. Elf sind in Deutschland gestorben, wobei es sich hier ausschließlich um Personen handelt, die an den Kriegsfolgen in der Heimat gestorben sind. Bei acht Soldaten konnte der Sterbeort in Belgien identifiziert werden, ebenso acht im heutigen Polen sowie jeweils einer in der heutigen Ukraine und dem heutigen Rumänien.
Gefallene im Westen
Die Karte zeigt die Truppenbewegungen des Ersten Weltkrieges nach dem Schlieffenplan (grau) und dem Plan XVII (blau). In der Karte wurden mit Hilfe von kleinen blauen Punkten die Sterbeorte der im Ersten Weltkrieg gefallenen Bretzenheimer Soldaten hinzugefügt, bei denen der Sterbeort ermittelt werden konnte und sich auf der Karte befindet.
Bei der Betrachtung der auf der Karte eingezeichneten Sterbeorte der Bretzenheimer Gefallenen ist zu erkennen, dass ein Großteil auf den Offensivrouten ums Leben gekommen ist. Einige der Punkte liegen auf den grauen bzw. blauen Pfeilen, die die Truppenbewegungen abbilden, oder streuen um die Pfeile herum. Bei einigen der ermittelten Bretzenheimer, die im Westen gestorben sind, handelte es sich bei dem Sterbeort um die Gegend von St. Quentin und in Verdun. Wenig verwunderlich ist, dass Bretzenheimer Gefallene bei der verlustreichen Schlacht von Verdun (1916) gestorben sind.
Umbauarbeiten (1956/57)
Zwischen den Jahren 1956 und 1957 kam es zu Umbauarbeiten an dem Platz rund um das Ehrenmal. Anlass waren Beschwerden des städtischen Bauausschusses, dessen Mitglieder sich über den Zustand des Platzes und die angebliche Zweckentfremdung durch spielende Kinder beschwerten. In der Folge wurde ein Teil des Platzes mit einer steinernen Mauer umzäunt, um das Betreten des Platzes zu erschweren, wobei Bruchsteine verwendet wurden, die bereits der katholischen Kirche in Bretzenheim gehörten. Darüber hinaus wurde die Grünfläche neu hergerichtet, die Wege mit Kies bestreut und die alten Eichen gefällt und durch eine Kiefer und einen Ahornbaum ersetzt. Die Umbauarbeiten begannen im Jahr 1956 und wurden durch die Bretzenheimer Firma Theo Enders durchgeführt. Am 6. April 1957 waren die Bauarbeiten weitgehend abgeschlossen, am 20. Mai 1957 wurden sie endgültig beendet.
In der Bilderreihe finden sich vier verschiedene Digitalisate von Archivakten aus dem Stadtarchiv Mainz. Zu sehen sind unterschiedliche Baupläne für die Umbauarbeiten an dem Platz, der das Ehrenmal umgibt. Die Pläne stammen aus den Jahren 1954 bzw. 1956 und zeigen die Mauer und die Bepflanzung rund um das Denkmal.
Historisch-gesellschaftliche Relevanz des Ehrenmals
Die aufgewandten Kosten von mehr als 4.000 DM belegen die Relevanz des Ehrenmals und der verewigten Gefallenen zu diesem Zeitpunkt. Dieser Umstand sollte sich in der Folgezeit jedoch ändern. Davon zeugen zwei Ereignisse, anhand derer sich die nachlassende Bedeutung des Denkmals erkennen lässt. Da wäre zum einen die Entfernung der Bänke vor dem Denkmal, die 1956 auf Bitten des katholischen Pfarrers der Gemeinde erfolgte. Zum anderen wurde das Denkmal in der Nacht von 20. auf den 21. April 2016 durch Unbekannte beschmutzt. In einer nächtlichen Aktion wurden dabei antifaschistische Sprüche angebracht. Während des gesamten Zeitraums seiner Existenz ließen sich zudem keine Hinweise auf eine besondere Nutzung des Ehrenmals erkennen, wie etwa Versammlungen oder Gedächtnisfeiern an besonderen Gedenktagen oder am Volkstrauertag.
Gefallenendenkmal beschmiert
BRETZENHEIM (ber). In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben Unbekannte in Bretzenheim das Gefallenendenkmal geschändet. Das Ehrenmal auf dem Gelände der Kirche St. Georg wurde auf allen vier Seiten mit Schriftzügen beschmiert, darunter etwa "Antifa lohnt sich" oder "Nazi Pigs".
Warum sich die Täter dieses Denkmal ausgesucht haben, ist unklar. […]
Die Polizeiinspektion Mainz 3 ermittelt nun wegen Sachbeschädigung. Hinweise bitte unter Telefon: 06131-654310.
(Quelle: Gefallenendenkmal beschmiert, in: Allgemeine Zeitung, 23.04.2016.)
Die historisch-gesellschaftliche Relevanz des Ehrenmals in Mainz-Bretzenheim
Ein Gespräch mit dem katholischen Pfarrer Markus Kölzer
Zum Abschluss der Recherche wurde gemeinsam mit Herrn Markus Kölzer ein Interview geführt. Thema war vorrangig die aktuelle historisch-gesellschaftliche Relevanz des Denkmals für die katholische Kirche und die Gemeinde in Mainz-Bretzenheim.
Die folgenden Ausschnitte beleuchten die zentralen Aspekte des Interviews.
Divriotis, Alexandros/Scheerer, Nicolas (2024): Gespräch mit Herrn Markus Kölzer über das Kriegerdenkmal in Mainz-Bretzenheim vom 06.03.2024 [Interview].
Auf einem Plan des Weisenauer Friedhofs von 1913 kann man erkennen, wie die Umgebung des Denkmals ursprünglich aussah: Dort wo das Denkmal 1925 errichtet wurde, begann damals noch ein Feldweg. Zwischen 1913 und 1925 wurde der Friedhof nach Südwesten (rechts) erweitert, womit das Denkmal mit seiner Torform eine optische Trennung der beiden Friedhofsteile darstellte. Auch ist zu erkennen, wie dicht belegt der Friedhof vor dem Tor ursprünglich war.
Betritt man den Alten Friedhof heutzutage, sieht man auf den ersten Blick, dass dies kein gewöhnlicher Friedhof mehr ist. Seit 2001 dürfen hier keine Begräbnisse mehr stattfinden. 2021 liefen die letzten Ruhefristen ab und der Großteil des Friedhofs wurde in der darauffolgenden Zeit entwidmet. Nur einige denkmalgeschützte Grabsteine stehen noch. Die Diskussion, was nun mit dem Gelände geschehen soll, ist in vollem Gange.
Einige alte Gräber sind noch auf dem Friedhof verblieben. In manchen liegen für den Ort bedeutsame Personen, andere sind aufgrund ihrer künstlerischen Gestaltung belassen worden. Das Denkmal befindet sich am Ende des zentralen Weges über den Friedhof.
Der Zaun trennt die noch nicht entwidmete Hälfte des Friedhofs, auf der sich das Denkmal befindet, von der bereits entwidmeten auf der wir uns jetzt befinden. Gräber befinden sich jedoch noch auf beiden Seiten des Zauns. Durch ein Tor, welches nur tagsüber und unter der Woche geöffnet ist, gelangt man zu dem Denkmal.
Das Denkmal ist mit 20 Metern Länge, fünf Metern Höhe und sieben Metern Tiefe kaum zu übersehen. Die langen Flügel mit den Gedenktafeln rechts und links waren bei Kriegsdenkmälern aus dem Ersten Weltkrieg in kleinen Gemeinden nicht unüblich, da sie die Möglichkeit boten, alle Gefallenen namentlich zu würdigen.
Geht man unter dem Torbogen hindurch, gelangt man auf eine Wiese mit sehr vereinzelten Gräbern in sehr schlechtem und teilweise überwuchertem Zustand.
Von hinten ist das Denkmal an einigen Stellen überwuchert und abseits der dekorativen Leiste nicht besonders gestaltet. Hier sind die weißen Kalkausblühungen, die das Denkmal über die letzten Jahre angesammelt hat, auch sehr deutlich zu sehen.
Das Denkmal erinnert mit seiner Form an einen Triumphbogen. Für die Zeit der Weimarer Republik, aus der das Denkmal stammt, war diese Form äußerst unüblich geworden. Dies verwundert wenig, bedenkt man, wie grausam und verlustreich der Erste Weltkrieg war. Eigentlich war diese Bogenform auf Prachtstraßen üblich, um einen Sieg öffentlich zu würdigen, sie passt nicht zu einem Friedhof. Warum sie in diesem Fall nun doch gewählt wurde, lässt sich nicht eindeutig sagen. Sollte trotz des verlorenen Krieges eine heldenhafte Würdigung der Soldaten erreicht werden? Oder sollte vielleicht bewusst ein Gegensatz gezeigt werden, zwischen der triumphalen kriegsverherrlichenden Triumphbogenform und der traurigen Realität? Werfen wir dafür einen genaueren Blick auf die Reliefs.
Werfen wir nun einen Blick auf den restlichen Teil des Denkmals. Wie zuvor bereits angedeutet, wurde das Denkmal nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal erweitert. Daher erkennt man, dass sich die oberen Gedenktafeln aus dem Ersten Weltkrieg, von denen aus dem Zweiten Weltkrieg (unten) hinsichtlich des Materials, der Schriftart, der Menge und Verteilung der Namen stark unterscheiden. Insgesamt sind auf den Tafeln 204 Gefallene aus dem Ersten Weltkrieg, sowie 491 Tote aus dem Zweiten Weltkrieg verzeichnet.
Bei den Kriegstoten des Ersten Weltkriegs sind die vollständigen Vor- und Zunamen verzeichnet. Die Tafeln sind – von Verschmutzungen abgesehen – gut lesbar und dekorativ verziert. Die Toten sind nach Todesjahren und in alphabetischer Reihenfolge sortiert. Alle Toten werden gleichgesetzt, militärische Ränge oder Titel wurden weggelassen.
Die Opfer des Zweiten Weltkriegs sind nach Zivilopfern und Gefallenen aufgeteilt. Es fällt auf, dass viel mehr Opfer auf einer Tafel verzeichnet wurden, sodass die Lesbarkeit deutlich erschwert ist. Dies geht auf die schiere Menge an Toten und pragmatische Gründe wie die Finanzierung der Tafeln zurück.
Links neben dem Denkmal befindet sich das Ehrenfeld für die Bombenopfer. Das Kreuz und die Gedenksteine erinnern an die Weisenauerinnen und Weisenauer, die infolge der verheerenden Bombenangriffe in den Jahren 1944 und 1945 verstarben. Viele von ihnen sind auch auf dem Kriegsdenkmal verzeichnet. Über die Bombenangriffe selbst wird an späterer Stelle noch einmal ausführlicher berichtet.
Die Entstehungsgeschichte des Denkmals
Die Initiative zur Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges in Weisenau geht auf die dortige Ortsgruppe des Sozialverbandes des „Reichsbundes der Kriegs- und Zivilgeschädigten“ unter Ortsgruppenleiter Friedrich Freudenberger zurück. Wahrscheinlich wurde die Bitte erstmals 1924 geäußert, also etwa sechs Jahre nach Kriegsende. Am 20. Februar 1925 schließlich beschloss die Gemeindevertretung unter Bürgermeister Johann Neidecker den Bau einer „Gedächtnis-Stätte zum bleibenden Andenken an unsere im Weltkrieg 1914–1918 gefallenen Brüder und Mitbürger“. Es wurde ein Arbeitsausschuss gegründet und als Bauplatz der Weisenauer Friedhof gewählt, „denn der Friedhof ist der Ort der Ruhe [,] zu dem die trauernden Hinterbliebenen mit mehr geistiger Sammlung ihrer Lieben gedenken können als anderswo.“ Die Programmatik war also vorgegeben. Es sollte ein Denkmal entstehen, das zum persönlichen Gedenken an die gefallenen Angehörigen einlädt und den Verlust ins Zentrum stellt:
Als oberster Grundsatz kam bei den Beratungen zum Ausdruck, daß unter allen Umständen darauf gesehen werden muß, daß für Weisenau nur eine würdige Gedenkstätte in Frage kommen kann und dementsprechend in Material und künstlerischer Ausstattung hochwertig auszuführen sei. Ferner kam zum Ausdruck, daß alles vermieden werden soll, was den Krieg als solchen in irgend einer Form verherrlicht.“
Entworfen wurde das Denkmal vom Weisenauer Künstler und Lehrer Fritz Sulzbach. Die Finanzierung des Denkmals (veranschlagt wurden 12.000 Mark) überstieg die Möglichkeiten der Gemeindeverwaltung, weshalb ein Spendenaufruf an die Bevölkerung erging:
Nun Bevölkerung von Weisenau beweise, daß du unsere gefallenen Brüder nicht vergessen wirst! Hilf mit durch tatkräftige Unterstützung, daß das Werk gelingt! Die Kriegshinterbliebenen und unsere Nachkommen werden es Dir danken!“
Der Aufruf war ein großer Erfolg. Neben Privatpersonen folgten der Bitte auch Vereine und Betriebe, sogar Mainzer Großfirmen, mit Geld- und Sachspenden. Der Realisierung stand nichts mehr im Wege, sodass Ende Juni 1925 die Arbeiten begannen und (etwas später als geplant) im Frühjahr 1926 vollendet werden konnten.
Kurzbiographien wichtiger zeitgenössischer Akteure
Friedrich Freudenberger (geb. am 10. Oktober 1887 in Bad Dürkheim, gest. am 4. April 1968 in Mainz), kam 1911 nach Weisenau, um als Schlosser und später als Vorarbeiter im dortigen Zementwerk Portland zu arbeiten. Er hatte am Ersten Weltkrieg teilgenommen, aus dem er kriegsversehrt zurückgekehrt war und mit gesundheitlichen Folgen wie Taubheit lebenslang zu kämpfen hatte. Bereits ab dessen Gründungsjahr 1917 war er Mitglied im „Reichsbund der Kriegs- und Zivilgeschädigten“ und ab ca. 1921 Vorsitzender der Ortsgruppe Weisenau. Ab 1927 arbeitete er hauptamtlich in der Mainzer Geschäftsstelle des Reichsbundes. Mit der „Gleichschaltung“ des Reichsbundes durch die Nationalsozialisten wurde Freudenberger 1933 entlassen und dadurch arbeitslos, was ihn nach eigenen Angaben sehr belastete und seine Gesundheit schwächte. Etwa 1935 zog er mit seiner Familie nach Bodenheim, wo er sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges für die Neugründung des Reichsbundes einsetzte. Freudenberger wurde vom Weisenauer Heimatforscher und ehemaligen Ortsvorsteher Max Brückner in jüngerer Vergangenheit als der Initiator des Denkmals in Weisenau bezeichnet. Fest steht, dass er als Leiter der Ortsgruppe des Reichsbunds eine maßgebliche Rolle für die Entstehung des Denkmals hatte. Darüber hinaus ist er auf persönlicher Ebene mit dem Bauwerk verbunden: Die Namen seiner beiden im Zweiten Weltkrieg gefallenen Söhne sind auf dem Denkmal vermerkt.
Johann Neidecker (geb. am 13. August 1874, gest. am 22. November 1929) war von 1920 bis zu seinem Tod der einzige hauptamtliche und überhaupt letzte Bürgermeister Weisenaus. Er stammte aus dem Odenwald, kam aber 1897 zur Preußisch-Hessischen Eisenbahnverwaltung nach Mainz und heiratete 1900 in Weisenau. Seit 1907 saß er ununterbrochen im dortigen Gemeinderat und war 1919 Bürgermeisterkandidat der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Er verhandelte die Eingemeindung Weisenaus nach Mainz mit, die er wegen seines frühen Todes aber nicht mehr erlebte. Sein Tod löste in der Bevölkerung große Anteilnahme aus. Auch wurde die Errichtung des Denkmals anlässlich seines Todes in einem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates als „sein Werk“ gewürdigt. In Weisenau ist eine Straße nach ihm benannt und sein Grab zählt noch heute zu den wenigen gepflegten und gut erhaltenen auf dem Alten Friedhof.
Fritz (Friedrich) Sulzbach (geb. am 26. Juli 1897, gest. am 21. Juli 1939) stammte aus Weisenau. Er besuchte die Baugewerkschule in Darmstadt und die Kunstgewerbeschule in Mainz, blieb aber ohne Abschluss. Er leistete von September 1914 bis Dezember 1915 sowie von Oktober 1916 bis November 1918 freiwilligen Militärdienst und arbeitete danach als Architekt und Künstler. Zwischen 1921 und 1922 schuf er eine Gedenktafel für die Weltkriegstoten der evangelischen Gemeinde Weisenau. Ab 1923 war er außerdem Lehrer in Nieder-Olm und Weisenau, später in Mainz. Er schuf das Weisenauer Denkmal ohne finanzielle Gegenleistung und half auch 1927/28 den Mitgliedern der Weisenauer Ortsgruppe des Reichsbundes kostenlos in Bauangelegenheiten, weshalb eine gewisse Verbundenheit zum Reichsbund naheliegend ist. Der Gesangverein „Liedertafel“, der bei der Denkmalseinweihung sang, vermerkt in seiner Chronik „mit besonderem Stolz“, dass der Entwurf für das Denkmal von einem seiner Sänger stammte. Ab 1931 stellten sich massive gesundheitliche Probleme ein. Er war immer wieder dienstunfähig erkrankt und starb im Alter von 42 Jahren. Das Tor zu seinem Weisenauer Wohnhaus trägt noch heute seine Initialen.
Gründungsurkunde des Ehrenmals (Kopie), 20. August 1925
Die Einweihung des Denkmals
Am 28. März 1926 wurde das Denkmal eingeweiht. Aus dem erhaltenen Programm, einem Aufstellungsplan der Abordnungen und der Berichterstattung in den Zeitungen wissen wir, dass alle Weisenauer Vereine (z.B. Turnvereine, Gesangsvereine und die Feuerwehr) bei der Einweihung anwesend waren. Ebenso kamen die Vertreter der beiden Kirchen sowie Politiker. Der Zug, der vom Marktplatz zum Friedhof führte, wurde angeführt von Witwen, Waisen und Kriegsveteranen aus dem Ersten Weltkrieg und den Kriegen von 1866 und 1871. Über die Reaktionen der Bevölkerung auf die Enthüllung des Denkmals wissen wir wenig. Ein Zeitungsartikel berichtet, der Anblick der Reliefs habe zu „sichtbare[r] Ergriffenheit“ geführt. Im Folgenden wollen wir einen genaueren Blick auf das Programm und die gehaltenen Reden werfen.
Zu sehen ist hier das offizielle Programm der Einweihungsfeier. Die folgenden Texte sind die überlieferten Reden, die zu dem Anlass gehalten wurden. Abgedruckt wurden sie in einem Artikel des Mainzer Journals vom 6. April 1926:
Insgesamt ist der Ton der Reden ein etwas anderer als das zunächst sehr antikriegerisch wirkende Denkmal. Während die Toten auf dem Denkmal „Gefallene“ genannt werden, also ein sehr neutraler Begriff verwendet wird, zeigt Neideckers Rede durch seine Bezeichnung als „Helden“ eine andere Tendenz. Vor allem in der Formulierung „sie mußten sterben, auf daß wir leben“ wird klar, dass dem Kriegstod hier eine Bedeutung zugemessen wird, und er nicht nur als sinnloses Leid gesehen wird. Trotzdem ist Neideckers Rede sehr persönlich und mit einem starken regionalen Bezug versehen. Die Männer starben für die Weisenauerinnen und Weisenauer, die er mit „wir“ bezeichnet, für ihre Familien, Freunde und Lieben. Anders sieht das im Weiheprolog von Anna Wolf aus. Es ist nicht bekannt, wer den Text verfasst hat. Jedoch wird sehr deutlich, wie stark patriotisch und revisionistisch er orientiert ist: Hier ist das „Vaterland“ die Instanz, für die Opfer erbracht werden sollen. Das Sterben im Krieg für die Heimat wird im Prolog als ruhmreich und tugendhaft dargestellt. Auch sollte die Formulierung der „unbesiegt[en]“ Helden beachtet werden, die den Ausgang des Krieges zu verklären scheint. Noch deutlicher ist die Bemerkung, dass die Jugend stets bereit sei, den Gefallenen nachzustreben und Opfer für das „Vaterland“ zu erbringen. Verbindet man den Weiheprolog mit dem tatkräftigen Kind auf dem rechten Relief, so entsteht ein etwas anderes Bild des Denkmals. Es wirkt nun fast schon revisionistisch, auf einen neuen Krieg eingestellt. Ob dies die Intention war, oder eher eine alternative Auslegung darstellt, die ausschließlich durch die Rede auf dem Weiheprolog provoziert wird, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Im Vergleich mit den anderen primär auf Trauer und Gedenken fokussierten Reden erinnert diese in ihrer Rhetorik und revisionistischen Aussage eher an eine Rede aus dem „Dritten Reich“. Im nächsten Abschnitt wird noch einmal genauer darauf eingegangen, wie sich das Gedenken am Denkmal dann tatsächlich in der Zeit des Nationalsozialismus verändert hat.
Die beiden zentralsten Artikel zur Einweihung aus dem Mainzer Journal und der Mainzer Volkszeitung können hier in Gänze nachgelesen werden.
Transkription: Einweihung der Krieger-Gedächtnisstätte in Weisenau.
„In einer erhebenden Trauerkundgebung für die gefallenen Söhne der Gemeinde Weisenau gestaltete sich die am 28. März stattgefundene Einweihungsfeier der Krieger-Gedächtnisstätte auf dem hiesigen Friedhof. Unter dem Geläute sämtlicher Glocken der beiden Kirchen marschierten um 11 Uhr vormittags sämtliche Ortsvereine mit ihren Fahnen vom Marktplatze aus, wo sie sich gruppiert hatten, nach dem Friedhofe. Dem Zuge voran schritten die hinterbliebenen Kinder und Frauen der im Weltkriege Gefallenen, die Kriegsgeschädigten, die Veteranen von 1866 und 1870, die Gemeindevertretung, die beiden Ortsgeistlichen; Vertreter der Regierung und der Kreisverwaltung. Fast sämtliche Häuser hätten zum Ausdruck der Teilnahme an der Trauerkundgebung ihre Fahnen halbmast gehißt. Eingeleitet wurde die Feier auf dem Friedhof, wo sich der größte Teil der Bevölkerung und eine Anzahl geladener Gäste versammelt hatte, durch den Vortrag des Gesangverein Sängerlust „Weltenfriede”, dem sich der Choral „Chor der Priester” des Musikvereins anschloß. Sodann erfolgte durch Herrn Bau-Inspektor Beyer namens des Arbeits-Ausschusses die Uebergabe der Gedächtnisstätte an Herrn Bürgermeister Neidecker zur dauernden Wartung und Pflege. Herr Beyer führte dabei u. a. folgendes aus: „Als der Gemeinderat vor etwa Jahresfrist der Errichtung einer Kriegergedächtnisstätte für die Gefallenen der hiesigen Gemeinde zugestimmt und einen Arbeits-Ausschuß hierführ gewählt hatte, wurde sofort mit den nötigen Vorarbeiten begonnen und schon Ende Juni 1925 konnte die Grundsteinlegung in Anwesenheit des gesamten Arbeits-Ausschusses erfolgen. Aus eigener Kraft hat sich die Bevölkerung von Weisenau dieses Gedenkzeichen gegeben. In hochherziger Weise wurden Baustoffe von hiesigen und auswärtigen Firmen beigesteuert. Die Unternehmer stellten sich dadurch in den Dienst der Sache, daß sie die Ausführung der Bauarbeiten ohne jeglichen Gewinn tätigten. Allen Mitarbeitern, allen Spendern, Stiftern, Helferinnen und Helfern namens des Arbeits-Ausschusses herzlicher Dank” – Eine sichtbare Ergriffenheit war bei allen Anwesenden zu bemerken als die Hülle gelöst und die beiden Reliefs des Denkmals, die den Abschied des Kriegers und die trauernde Gattin mit Kindern darstellend, sichtbar wurden. Nach dem Choral: „Niederländisches Dankgebet” ergriff nunmehr Herr Bürgermeister Neidecker namens der Gemeindevertretung das Wort zu folgenden Ausführungen:
„Hochverehrte Teilnehmer! Werte Gäste, werte Damen und Herren! Was wir so lange und so sehnlichst erwarteten ist nunmehr zur Tat geworden. Die Hülle der neuen Krieger-Gedächtnisstätte ist gefallen und Sie sind heute unserem Rufe gefolgt, um die Weihe dieses wunderbaren Kunstwerkes in würdiger Weise vollziehen zu helfen. Ich begrüße Sie alle – die Hunderte und Tausende, die Herren Regierungsvertreter und sonstigen werten Gäste, die immerbereiten Vereine und die liebe Bevölkerung namens der Gemeindevertretung auf das herzlichste. Der erste Auftakt der Weihe ist bereits vollzogen. Von dem Arbeits-Ausschuß wurde durch Herrn Beyer das Kunstwerk der Gemeinde übergeben, das dem Gedächtnis unserer gefallenen Helden dient und das in verhältnismäßig kurzer Zeit entstanden ist. Welche Gefühle uns beim Anblick dieses nunmehr enthüllten Kleinodes bewegen, brauche ich nicht besonders zu schildern. Der herzlichste Dank gebührt allen denen, die dazu beigetragen haben, ohne Inanspruchnahme fremder Mittel, den Bau zu vollenden. Welche Arbeit und Mühe war mit der Errichtung verbunden. In rastloser und aufopfernder Tätigkeit haben Künstler, Arbeitsausschuß und Unternehmer seit Monaten gewirkt, um einen solchen Bau ermöglichen zu können und dies alles in der uneigennützigsten Weise. Die Vorgeschichte der Errichtung der Gedächtnisstätte ist kurz folgende:
Die Anregung zur Errichtung gab die hiesige Ortsgruppe des Reichsbundes für Kriegshinterbliebene und Kriegsbeschädigte vor Jahresfrist. Die ganze Bevölkerung stand der Errichtung sympathisch gegenüber, was die Aussprache einer damals einberufenen Vertretung von Vereinen bewies. Alsbald wurde vom Gemeinderat ein Arbeits-Ausschuß gebildet und dieser befaßte sich umgehend mit den nötigen Vorarbeiten. Eine Ausschreibung von Entwürfen fand nicht statt; hatten wir doch in unseren Mauern unseren jungen Künstler Fritz Sulzbach, der ebenfalls in der uneigennützigsten Weise in kurzer Zeit Modelle und Skizzen lieferte, die den ungeteilten Beifall des Ausschusses und der Gemeindevertretung fanden. Nachdem auch noch der Gemeinderat die Genehmigung erteilt und noch die fehlenden Baugelder vorlagsweise zur Verfügung gestellt hatte, konnte mit dem Bau begonnen werden. Fast alle an der Gedächtnisstätte verwendeten Materialien sind unentgeltlich geliefert und die Namen der edlen Spender auf immer mit dem Bau innigst verbunden. Alles weitere haben Sie aus den Ausführungen des Herrn Beyer bei der Uebergabe erfahren. Also nochmals herzlichsten Dank allen denen, die durch Rat und Tat ein solches Werk ermöglicht haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gemeinde hat nun das Ehrenmal zur dauernden Unterhaltung und Behütung übernommen. Ich darf Sie wohl versichern, daß es stets das innigste Bestreben der Gemeindebehörde sein wird, dieses schöne Kunstwerk in Ehren zu halten. Sind wir doch unseren gefallenen Helden so viel Dank schuldig. 206 unserer Besten sind dem großen Völkerringen zum Opfer gefallen und die Mütter, Frauen und Kinder ihres Ernährers beraubt worden. Wir werden nie vergessen, was sie für uns getan haben; sie mußten sterben, auf daß wir leben. Aber dennoch sind sie für uns nicht tot. Im Geiste ziehen sie heute alle an uns vorüber, die braven und wackeren Helden. Mögen sie gut ruhen in fremder Erde und mögen die trauernden Angehörigen bei dem Anblick der Weihestätte die Ueberzeugung gewinnen, daß die Gemeinde Weisenau ihre braven Helden nie vergißt. Ihr Gedächtnis wird uns stets heilig sein. Zum Zeichen unserer Trauer lege ich namens der Gemeinde nun zum ewigen Andenken an die gefallenen Helden diesen schlichten Kranz an dem Ehrenmal nieder und rufe ihnen zu: Auf Wiedersehn in lichten Höhen.“
Hierauf schloß sich weihevoll der durch den Gesangverein Einigkeit vorgetragene Chor „Den Entschlafenen“ wie der nachstehende Weiheprolog gesprochen von der Kriegswaise Anna Wolf, an:
Der Vater, Bruder, Bräutigam und Sohn,
In fernem, fremdem Boden schlummernd liegt.
Nicht ward Euch Sieg, doch ewiger Gotteslohn.
Ihr wurdet Helden! Bliebt doch unbesiegt.
Ihr kehrtet, ach, zu unserm heißen Schmerz,
Zurück nicht in das traute Heimathaus,
Es brach uns, Euren Lieben, fast das Herz:
Drum sei Euch Tapfern übers Grab hinaus
Erinnern, Liebe, Dank der deutschen Jugend,
Geweiht mit dem Gelöbnis, daß allzeit
Wir selbstlos Euch nachstreben in der Tugend;
Zu Opfern stets fürs Vaterland bereit. –
Für’s Vaterland woll’n Höchstes wir erreichen,
Es soll von hier das Wort zum Himmel geh’n
Zu Eurem Denkstein, Eurem Ruhmeszeichen:
Ihr mußtet sterben! Deutschland muß besteh’n!
Der Vorsitzende der Ortsgruppe des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen, Herr Freudenberger, gedachte in zu Herzen gehender Ansprache der im Weltkriege gefallenen und in fremder Erde ruhenden Söhne der hiesigen Gemeinde. Im Namen der Weisenauer Kriegsopfer sprach er der Gemeindevertretung und dem Arbeits-Ausschuß den tiefgefühlten Dank für die Erstellung dieses Kunstwerkes aus und legte im Auftrage der Hinterbliebenen einen schlichten Lorbeerkranz nieder. Auch die beiden Ortsgeistlichen, Herr Pfarrer Sieben und Herr Pfarrer Page widmeten den Heldensöhnen warme Nachrufe und ermahnten die Hinterbliebenen und die anwesende Trauerversammlung dem Beispiel der Pflichttreue dieser Helden in jeder Beziehung zu folgen. Als Vertreter des Herrn Ministers des Inneren und des Kreisamtes Mainz, gab Herr Regierungsrat Dr. Falck dem Mitgefühl für die Hinterbliebenen und der Freude über die Errichtung dieses prachtvollen Gedenkzeichens Ausdruck. Mit besonderer Genugtuung bewunderte er den Opfersinn der Gemeinde Weisenau, der ein solches Werk erstehen ließ. Voll Trauer und Dankbarkeit für die Heimgegangenen legte er namens des Kreises Mainz einen Lorbeerkranz mit den hessischen Landesfarben nieder. – Dem Ernste des Tages entsprechend trugen noch der Evangelische Kirchengesangverein die Chöre „Bitte um Frieden“ und der Gesangverein Liedertafel „Die Sonne sank“ vor. Unter den schlichten Weisen „Ich hatt’ einen Kameraden“ trennte man sich von der hehren Stätte.
Und so erstrahlt nun auf dem Weisenauer Friedhof als ständiges Wahrzeichen der Dankbarkeit für die Gefallenen dieses hehre Ehrenmal. Weisenau kann stolz sein, ein solches Kleinod zu besitzen. – –
Das Kunstwerk, das zwischen dem alten und neuen Friedhof seine Aufstellung gefunden hat, ist aus Beton mit Mischenkalkvorsatz. Der von den beiden Reliefs getragenen Architrav hat die Inschrift:
„Den Gefallenen. Ihr Gedächtnis ist uns heilig.“
Die Namen der 206 Gefallenen ziehen sich in kupfergetriebenen Schriftplatten zu beiden Seiten der Reliefs hin.
Transkription: *Weisenau. Die Einweihung der neu errichteten Kriegergedächtnisstätte fand am Sonntag auf dem hiesigen Friedhofe unter Beteiligung fast aller Gemeindeangehörigen und vieler Gäste statt und nahm einen würdigen Verlauf. Nachdem der Arbeitergesangverein „Sängerlust“ in klangvollprächtiger Weise sein „Alle Völker wollen Frieden“ gesungen hatte, übergab Herr Beyer die Gedächtnisstätte der Gemeinde und gedachte mit warmen Worten aller, die an deren Zustandekommen gearbeitet haben und derjenigen, derem [sic!] Gedächtnis dieselbe geweiht ist. Der Herr Bürgermeister dankte bewegt und hob in seiner Ansprache hervor, daß Einigkeit und Friede in der Gemeinde dieses Werk ermöglicht haben. Im Namen der Kriegshinterbliebenen sprach Herr Freudenberger und fand zu Herzen gehende Worte. Eine Kriegswaise, Frl. Wolf, trug einen kurzen Weiheprolog vor, und als Vertreter der Regierung und der Kreis- und Provinzialbehörde sprach Herr Regierungsrat Dr. Falk, während zwischendurch die Gesangvereine ihre Chöre vortrugen und die Musik spielte. Der evangelische Geistliche, Herr Pfarrer Page, hielt eine Ansprache und verstand es, in vornehm taktvoller Weise die Empfindungen Andersdenkender nicht im geringsten [sic!] zu verletzen. Anders der katholische Geistliche, Herr Pfarrer Sieben. Wenn die Leute Friede wollen, kann sein Weizen nicht gedeihen. Er nahm die Gelegenheit wahr, wo ihm keiner entgegnen konnte, und hielt eine Brandrede, die nur durch ihre Hohlheit keinen größeren Schaden verursachte. Er maßte sich an, der Dolmetsch der Gefallenen zu sein, deren letzte Wünsche er zu vermitteln habe [.] Diese letzten Wünsche versucht er in halb verschleierter Weise als das Verlangen nach der Konfessionsschule darzustellen, und er sprach von den „falschen Erziehern, die in der Nachkriegszeit Gift in die Herzen der Jugend gestreut hätten” (Vielleicht meinte er damit seine Berufskollegen und Parteifreunde). Im gleichen Atemzuge verhöhnte er die Bestrebungen zur Körperpflege und damit den Sport überhaupt. Was der Jugend mit dem „Schlagworte“ Körperpflege als Ersatz für die Religion (!!) geboten würde, wäre Talmi. Das allein notwendige sei Religion. Ein solches Lied singt der berufene Vertreter christlicher Liebe und Duldsamkeit im Augenblicke höchster Weihe und Gedenkens. Der letzte Akt einer Summe gedeihlichen Zusammenarbeitens aller Richtungen in der Gemeinde endete so mit einem häßlichen Mißklang.
Weisenauer Zivilopfer im Zweiten Weltkrieg
Auf dem Bombenopferfeld, schräg hinter dem Denkmal, sind die Namen von 45 Weisenauer Opfern der Luftangriffe auf Mainz im Zweiten Weltkrieg verzeichnet. Besonders verheerend waren die Angriffe vom 19. Oktober 1944 (18 Tote auf dem Bombenopferfeld) und vom 27. Februar 1945 (14 Tote auf dem Bombenopferfeld). Ein Name ist ohne Todesdatum, die übrigen verstarben an anderen Tagen. Einigen Zivilopfern wird somit nicht nur am Kriegerdenkmal, sondern auch an ihrem Grab auf dem Bombenopferfeld gedacht. Die folgenden Informationen stützen sich vor allem auf die Recherchen des Geschichts- und Brauchtumsverein Mainz-Weisenau (GBV).
Auf besondere Weise tragisch war der Luftangriff am 19. Oktober 1944. Stellvertretend möchten wir die Vorkommnisse dieses Tages hier näher darstellen, um das Ausmaß der Angriffe und die Auswirkung auf die Zivilbevölkerung zu veranschaulichen. Allein durch die Bombeneinschläge auf einen sogenannten Splittergraben (eine Art Notbunker aus Beton, zwischen Bettelpfad und Westendstraße) starben an diesem Tag und in Folge an ihren Verletzungen ca. 40 Zivilistinnen und Zivilisten. Viele von ihnen wurden wie erwähnt auf dem Bombenopferfeld beigesetzt. 2012 wurden die Reste des verschütteten Grabens wieder freigelegt und archäologisch untersucht, bevor er fast vollständig einer Tiefgarage weichen musste.
Bereits 1996 hatte ein Zeitzeuge berichtet, dass ein Kind in Folge des Bombeneinschlags auf den Splittergraben mit dem Fuß in einem Riss der Bunkerwand eingeklemmt gewesen war. Bei den Ausgrabungen 2012 konnten im Graben mehrere Gegenstände gefunden werden. Darunter war auch ein in einem Riss eingeklemmter Kinderschuh. Damit konnte die Darstellung des Zeitzeugen belegt werden. Nachforschungen des GBV ergaben, dass das Kind lebend aus dem Bunker gerettet wurde und auch seine Mutter überlebte. Seine Großmutter und sein Bruder aber waren im Bunker ums Leben gekommen.
Der GBV sammelte in seinen Publikationen Zeitzeugenberichte über die Luftangriffe auf Weisenau. Aus den Erinnerungen von Annemarie Palzer, Rita Rüb und Willi Gill, Herrn Schneider und Frau Rüb kann die persönliche Sicht der Weisenauerinnen und Weisenauer auf die Angriffe vom 19. Oktober 1944 nachvollzogen werden. Da es sich bei dem Erzählten um traumatisierende Erlebnisse handelt und die Folgen der Gewalt teilweise im Detail beschrieben werden, sind die Berichte möglicherweise nicht für jeden und jede geeignet.
Ich war damals 16 Jahre alt und lebte mit meinen Eltern in der Taunusstraße (heute: Im Leimen), damals Haus Nr. 21. Bei Fliegeralarm suchten wir in aller Regel einen sogenannten Splittergraben westlich der Westendstraße auf. Dort gab es zwei voneinander getrennte Schutzbauten dieser Art auf freiem Feld. Am 19. Oktober 1944 gab es nach lange vorher ergangenem Voralarm gegen 13 Uhr Vollalarm. Es blieb zunächst ruhig – von Überfliegern und Flakbeschuß abgesehen.
Als es Vollalarm gab, verließ ich meine Lehrstelle am Graben in Mainz und lief über Stadt- und Volkspark nach Hause; mit mir lief der Weisenauer Heinz Zwilling. In Höhe der Ketteler-Siedlung sahen wir, weil es sonnig und klar war, wie die Flugzeuge sich in Gruppen nach rechts und links teilten und Rauchzeichen setzten. Von der Göttelmannstraße liefen wir nun quer über die Äcker zu den Splittergräben, wo ich meine Mutter vermutete. Die war aber an diesem Tag zu den Kellern in der Mönchstraße gelaufen.
Weil jeder in dem Splittergraben einen bestimmten Platz hatte, lief ich durch den Gang des Grabens, um dorthin zu kommen, wo sich sonst meine Mutter aufhielt. Von dem Zeitpunkt an ist meine Erinnerung zu Ende. Als ich wieder zu mir kam, hatten mich Soldaten aus den Trümmern der Grabenmauern und aus den Betonbrocken herausgezogen; sie führten mich in einen nahegelegenen Garten am heutigen Bettelpfad. Ich muß lange bewußtlos gewesen sein und stand noch immer unter Schock. Alle Kleider waren mir vom Leib gerissen, ich hatte nur noch ein Hemd an. Mein Gesicht war geschwärzt und mein Mund war voll von Erde. Dann muß ich erfahren haben, daß meine Mutter an der Mönchstraße zu suchen sei, denn ich lief alsbald dorthin – so, wie ich war. Unterwegs sah mich der Weisenauer Martin Schmitt, der bis heute nicht meinen Anblick vergessen hat. Dessen Mutter war auch in dem Graben umgekommen.
Vom Keller Mönchstraße aus nahm mich Frau Köppe aus dem Haus Zollgasse 6 mit nach Hause, um mich zu säubern und neu einzukleiden. In diesem Augenblick muß mich das schreckliche Erleben erst richtig gepackt haben, denn ich verlor die Sprache und fand sie erst 14 Monate später wieder. Sogar meine Regelblutungen blieben aus und setzten erst im 19. Lebensjahr wieder ein.
Bei dem Angriff verloren wir auch unsere Wohnung und allen Hausrat. Bei Familie Schömbs in der Römerstraße, heute Blussusstraße, kamen wir danach unter.
Quelle: Zitiert aus: Geschichts- und Brauchtumsverein Mainz-Weisenau e.V. (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte Weisenaus (Band 8), Mainz 2015, hier S. 49.
Aufgeschrieben von Norbert Falkenhage.
Am 10.10.1944 [Anm. d. Verf.: Hierbei handelt es sich vermutlich um einen Tippfehler in der Publikation, gemeint ist mit ziemlicher Sicherheit der 19.10.1944.] war um die Mittagszeit in Weisenau Fliegeralarm. Bei unserer Oma, Frau Christine Balz, geb. Gill in der Westendstraße, standen noch Essensreste auf dem Tisch – Kartoffelsalat und gebackene Rheinfische. Oma, Tante Sefa mit Rita, Karlchen und die Tante Suss ließen alles stehen und liegen und rannte[n] in den Splittergraben, der sich unmittelbar hinter den westlichen Hausgrundstücken befand. Auch etliche andere Hausbewohner aus der Westendstraße, dem Bretzenheimer Weg und dem Heiligkreuzweg rannten dorthin.
Die Hoffnung der schutzsuchenden Weisenauer Zivilisten, dass es auch diesmal zu keinen Bombenabwürfen kommen würde, erfüllte sich nicht. Die Bomben fielen zwar nicht flächendeckend, aber ausgerechnet im Bereich des Splittergrabens [...]. Mit verheerenden Folgen. Es gab über 40 Tote – Kinder, Frauen und ältere Männer, die zum Teil in Stücke gerissen wurden und es gab eine Vielzahl von verletzten und traumatisierten Personen.
Rita kann sich noch gut daran erinnern, dass sie von einem Hausnachbarn, Herrn Hohmann, unter einem leblosen Körper eines Erwachsenen herausgezogen und am oberen Böschungsrand abgelegt wurde. Herr Hohmann hätte gesagt: „das Ritache ist auch tot”. Als sie an der Böschung ins Rutschen kam, hätte der Weisenauer Pfarrer Sieben, der einer der ersten Helfer gewesen wäre, sie aufgehoben und zu den anderen oben liegenden Toten gelegt. Sie hätte das alles mitbekommen, wäre jedoch nicht in der Lage gewesen, sich bemerkbar zu machen – wohl unter der Schockwirkung.
Erst am Nachmittag wurde bemerkt, dass sie noch am Leben war. Viele der Überlebenden hatten giftige Explosionsgase eingeatmet und dadurch mit ihrer Atmung große Probleme. So auch unsere Oma, die deshalb sogar ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Unsere Tante Suss [...] hatte einen schweren Nervenzusammenbruch und wurde mit einem Leiterwagen zu ihrer Wohnung in der Hohlstraße gebracht ins Anwesen Wolf. Bei dem Transport hatte sie hysterische Anfälle.
Quelle: Zitiert aus: Geschichts- und Brauchtumsverein Mainz-Weisenau e.V. (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte Weisenaus (Band 8), Mainz 2015, hier S. 47.
Wir haben in der Westendstr. gewohnt und wir waren bei meiner Oma und Opa in Bad Kreuznach in Urlaub. An dem Tag, als der Splittergraben bombardiert wurde, standen wir auf einer Brücke und haben von dort aus gesehen, wie Mainz total hell war und über all die Tannenbäume am Himmel. Mein Opa sagte: „Und jetzt wird Mainz bombardiert”. Mein Opa bekam am nächsten Tag ein Telegramm, er solle nach Mainz kommen, was er dann auch getan hat. Als er zurück kam, sagte er zu meiner Oma, es sei fürchterlich gewesen. Im Splittergraben hingen in Betonspalten Leichen mit den Köpfen nach unten und überall lägen Leichenteile herum.
Quelle: Zitiert aus: Geschichts- und Brauchtumsverein Mainz-Weisenau e.V. (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte Weisenaus (Band 8), Mainz 2015, hier S. 65.
Ich war mit meiner Mutter und meinem Brüderchen im Splittergraben. Wir haben gerade um die Ecke gesessen, wo die vielen Toten waren. Wir waren die einzigen, die rausgekommen sind. Unser Leben haben wir einem der Helfer zu verdanken. Der hat uns unter den Trümmern herausgezogen. Dann haben sie mich unter die Toten gelegt. Ich habe irgendwann gerufen: Ich bin nicht tot, aber man hat mich nicht gehört. Bis ein anderer Mann kam und sagte, das Kind zappelt mit seinem Fuß. Ich war damals 13 Jahre alt und ich kann das mein Leben lang nicht vergessen. Ich krieche heute noch nachts unter die Bettdecke, wenn ich ein Flugzeug höre.
Quelle: Zitiert aus: Geschichts- und Brauchtumsverein Mainz-Weisenau e.V. (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte Weisenaus (Band 8), Mainz 2015, hier S. 65f.
Heute erinnert eine Gedenkstele am Bettelpfad an das Unglück.
Die Erweiterung des Denkmals nach dem Zweiten Weltkrieg
In den späten 1950er Jahren entstand die Initiative, das Denkmal um die vielen Opfer, die der Zweite Weltkrieg gefordert hatte, zu erweitern. Nicht nur sollten die Namen der Toten auf den Platten ergänzt werden, sondern es sollte auch das Bombenopferfeld neben dem eigentlichen Denkmal neugestaltet werden, um einen würdigen separaten Ort für das Gedenken an diese Toten zu haben. Diskussionen über Aussehen, Material und Kosten der Platten wie auch der Prozess des Sammelns aller Namen zogen sich über fast fünf Jahre von der ersten Initiative im November 1957 bis hin zum Abschluss des Prozesses Anfang 1962. Ähnlich wie beim Bau des Denkmals nach dem Ersten Weltkrieg kam die Idee von einem Sozialverband, dem Verband für Kriegsgeschädigte (VdK) Mainz-Weisenau.
Zu sehen ist der Prozess vom ersten Entwurf für eine der Tafeln von 1958 bis zur vollendeten Tafel, wie sie heute am Denkmal hängt. Eine volle Nennung der Namen der Toten war aus Platzgründen nicht möglich, zur genaueren Identifizierung wurden die Geburtsdaten hinzugenommen. Genau wie bei den Tafeln des Ersten Weltkrieges wurde auf die Nennung von Diensträngen verzichtet, wodurch keine Hierarchisierung der Opfer entsteht.
Unter den vielen Weisenauer Gefallenen, die im Rahmen der Erweiterung gewürdigt wurden, waren auch die beiden Söhne von Friedrich Freudenberger: Christian (geb. 1912) und Ernst (geb. 1918), die 1945 starben.
Feiern und Gedenken am Denkmal
Über Gedenkfeiern in den frühen Jahren nach Einweihung des Denkmals ist nur wenig bekannt. Ein Eintrag in der ev. Kirchenchronik belegt immerhin, dass es im März 1927 eine kirchliche Gedenkfeier am Denkmal gegeben hat, die „sehr gut besucht“ war und „in Gebet, Ansprache [und] Kranzniederlegung […] als christlich evangelische Feier ausgestaltet werden“ konnte. Auch für März 1928 ist eine reich besuchte Gedenkfeier am Denkmal belegt. Bei der Gedenkveranstaltung 1933 wird betont, dass die Gemeinde bei der Kranzniederlegung „dem Ruf der Gefallenen lauschend sich zu neuem Dienst am Vaterland“ bereit mache.
1935 fand am 17. März erstmals eine ökumenische Gemeindefeier auf dem Friedhof statt. Im Jahr zuvor war von den Nationalsozialisten auf nationaler Ebene dieser „Heldengedenktag“ eingeführt worden. Das Ziel dabei war, die Feierlichkeiten des Volkstrauertages auf einen einheitlichen Termin zu legen und diese von einem Traueranlass hin zu einer festlichen Zelebrierung des „ehrenvollen Kriegstodes“ umzudeuten. Beide Pfarrer betonten den „Heldenmut“ und das Opfer der Gefallenen und ermahnten zum Gedächtnis. 1937 fand die Gedenkfeier erstmals ohne die Beteiligung der Kirchen statt, die Feier wurde von der NSDAP durchgeführt. Zu Wort kamen Ortsvorsteller Keller sowie ein Parteifunktionär namens Discher. Keller lobte die „deutschen Helden in fremder Erde und […] Kämpfer des Dritten Reiches“. Vergleicht man die einschlägigen Zeitungsberichte im Laufe der Zeit, wird deutlich wie die Instrumentalisierung der Erinnerungsfeierlichkeiten und damit auch des Denkmals für die Propaganda des Nationalsozialismus fortschritt, obwohl die Aussage des Denkmals dafür ja eigentlich eher ungeeignet war. 1938 berichtet ein Zeitungsartikel davon, dass am Wochenende des Heldengedenktages schon am Samstag die älteren Schulklassen samt Lehrkörper „der deutschen Helden [...] [mit] vaterländischen Liedern der Jugend” gedachten. Die offizielle Feier am Sonntag war geprägt von den verschiedenen Unterorganisationen der NSDAP. Außerdem war die Belegschaft der Portland-Zementwerke versammelt und die Gesangsvereine „Liedertafel” und „Einigkeit” sangen. Als einziger Redner wird von einem NS-Parteifunktionär namens Weis berichtet. Dieser verkündete, man müsse sich „der gefallenen Helden des großen Krieges und Deutschlands Erhebung würdig […] erweisen“. Ein Artikel aus dem Mainzer Anzeiger vom 16. März 1942 beschreibt, in allen Mainzer Vororten seien an den Ehrenmälern Kränze von Vertretern der NSDAP, der Wehrmacht und den Behörden abgelegt worden.
Auf dem Bild sind Angehörige der NSDAP-Ortsgruppe Weisenau auf dem Alten Friedhof an Allerheiligen um 1935 zu sehen. Im Hintergrund ist der Hauptweg des Friedhofes zu erkennen, die genaue Position konnte nicht ermittelt werden. Bei der Fahne links im Bild handelt es sich um eine Feuerwehrfahne. Es ist dies das einzige Foto aus der NS-Zeit, das im Kontext des Denkmals zu finden ist.
Auch in der Nachkriegszeit wurden Feiern am Denkmal durchgeführt, jedoch liegen Belege für solche nur punktuell vor.
Anlässlich des 10-jährigen Bestehens des neu gegründeten Reichsbundes fand am 11. September 1966 eine Totenehrung am Denkmal statt. Bei dieser war auch Friedrich Freudenberger anwesend, der im Zuge dessen für sein Lebenswerk geehrt wurde.
Auch die Feier des Reichsbundes am 21. September 1969 anlässlich des 50. Jubiläums der Ursprungsgründung begann mit einer Totenehrung am Denkmal. Vereinzelt fanden auch Gedenkfeiern am Holzkreuz des Bombenopferfeldes links neben dem Denkmal statt. Die evangelische Kirchenchronik erwähnt erst wieder 1994 zum 50. Jahrestag des verheerenden Bombenangriffs vom 19. Oktober 1944 eine Gedenkstunde mit Reden von Ortsvorsteher und Pfarrer. Es ist jedoch davon auszugehen, dass zum Volkstrauertag jährlich Gedenkveranstaltungen stattgefunden haben.
Der Alte Friedhof und das Denkmal seit der Jahrtausendwende
Nach Eröffnung des Neuen Friedhofs in Weisenau im Jahr 1966 hat der Stadtrat 1983 beschlossen, den Alten Friedhof ab 2001 außer Dienst zu stellen und zu einem öffentlichen Park umzugestalten. Grund dafür war einerseits, dass der Boden nicht mehr aufnahmefähig war und andererseits, dass die historischen Grabstätten erhalten und nicht durch neue ersetzt werden sollten. Diese erhaltungswürdigen Gräber hatte der Geschichts- und Brauchtumsverein Mainz-Weisenau in den 1980er und 1990er Jahren innerhalb einer aufwändigen Bestandsaufnahme ermittelt. Bereits damals hatte man festgehalten:
Als letztes sei darauf hingewiesen, daß eine umfassende Restaurierung des Kriegerdenkmals vordringlich ist, zumal es in einer zukünftigen Zone der Ruhe und Besinnlichkeit einen würdigen Platz einnehmen wird.“
Nach einigen Jahren, mehreren Gutachten und bürokratischen Hürden kam es dann von 2005-2006 zu einer großen Restaurierung des Denkmals. Der GBV und auch der langjährige Ortsvorsteher Max Brückner, setzten sich persönlich stark für diese Maßnahmen ein und sind eng mit der neueren Geschichte und Erforschung des Denkmals verbunden. Dies zeigte sich auch daran, dass der Verein sein 25-jähriges Jubiläum am 17. September 2006 zusammen mit der 80-jährigen Jubiläumsfeier und Wiedereröffnung des Denkmals feierte.
Heute
Seit 2020 kann man in den Zeitungen die angeregten Diskussionen über die weitere Nutzung des Friedhofs beobachten. Der bereits zu Beginn erwähnte Zaun, den das Bauamt zur Bedingung für die Genehmigung der Entwidmung machte, wird oft kritisiert. Außerdem fällt es schwer, eine für alle Beteiligten akzeptable Einigung zur zukünftigen Nutzung des Areals zu finden. Es gibt die Idee der Umgestaltung zu einem Park, den die Bürgerinnen und Bürger zum Ausüben von Sport, als Kinderspielplatz oder als Gemeinschaftsgarten nutzen könnten. Allerdings sind auf dem Friedhof aber natürlich noch die alten Gräber, deren Würde gewahrt werden soll. Unmut gibt es auch über sich häufende Beschädigungen der Gräber und Angst vor unangemessenen Nutzungsformen des Friedhofs als Grillstandort oder für Weinfeste und andere Feiern. Auch wird der Friedhof von vielen Hundebesitzerinnen und -besitzern zum Ausführen ihrer Tiere genutzt. Was das Denkmal selbst betrifft, so wird dieses in den Überlegungen oft nur am Rande erwähnt, da es sich ja auf der nicht entwidmeten Seite befindet.
Interviews
Wir hatten am 2. Mai 2024 die Gelegenheit mit zwei Frauen zu sprechen, die auf die eine oder andere Weise mit dem Denkmal verbunden sind und bereit waren, uns mehr über die aktuelle Situation und ihre persönliche Beziehung zu dem Denkmal zu erzählen.
Barbara Hof-Barocke
Die Weisenauerin Barbara Hof-Barocke (*1954) ist die aktuelle Vorsitzende des Geschichts- und Brauchtumsvereins Mainz-Weisenau e.V., bei dem sie seit 1997 Mitglied ist. Ihr Verein hat viel dazu beigetragen, das Denkmal und den Friedhof zu erforschen sowie Dokumente und Bilder zur Weisenauer Geschichte zu sammeln und dem Mainzer Stadtarchiv zukommen zu lassen. Auch in der Gegenwart ist der Verein aktiv an den Diskussionen um die weitere Nutzung des Friedhofs beteiligt. Frau Hof-Barocke ist darüber hinaus passionierte Fotografin. Von ihr stammen unter anderem die Aufnahmen von den Ausgrabungen des Splittergrabens, die wir hierfür genutzt haben.
Dorothea Freudenberger
Dorothea Freudenberger (*1944) ist die Enkelin von Friedrich Freudenberger, der maßgeblich am Entstehungsprozess des Denkmals beteiligt war. Darüber hinaus sind ihr Vater und ihr Onkel zwei der unzähligen Toten aus dem Zweiten Weltkrieg die auf dem Denkmal verzeichnet sind. Selbst hat Frau Freudenberger nie in Weisenau gelebt, ist mit dem Ort aber durch ihre Familiengeschichte tief verbunden.
Besonders bedanken möchten wir uns bei Barbara Hof-Barocke, die uns nicht nur mit Rat und Tat behilflich war, sondern auch viele Bildquellen zur Verfügung gestellt hat.
Diese virtuelle Ausstellung ist das Ergebnis eines Hauptseminars zu Mainzer Kriegerdenkmälern, das im Wintersemester 2023/24 durch den Arbeitsbereich Zeitgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angeboten wurde, sowie einer Exkursionsübung im Sommersemester 2024, in deren Rahmen Studierende ausgewählte Mainzer Kriegerdenkmäler aufgesucht haben.
Das Hauptseminar wurde als Modell-M Seminar (Mainzer Modelle für digital erweitertes Lernen) der Stiftung Innovation in der Hochschullehre durchgeführt.
Zu den Autor:innen der Ausstellung zählen Nicolai Eckert, Felix Obermüller, Nicolas Scheerer, Alexandros Divriotis, Hanna Hülbusch, Julius Wentland, Leo Döring, Franziska Größl. Die filmische Dokumentation der Exkursion haben Theresa Schiffer, Ernst Christoph Sauerbrei, Elias Nikolai Daul, Svenja Schneider und Robin Jeremy Köhler geleistet. Die fachliche Begleitung der beiden Veranstaltungen lag in den Händen von Prof. Dr. Michael Kißener.
V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Michael Kißener, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Jakob-Welder-Weg 18, 55128 Mainz.
Sollten sich trotz sorgfältiger Recherchen Fehler oder Irrtümer in die Präsentation eingeschlichen haben, wird um Meldung an Prof. Dr. Michael Kißener gebeten. Mögliche Bildrechte sind umfänglich recherchiert worden. Sofern keine Bildrechte ermittelt werden konnten, aber nachweisbare Ansprüche bestehen, bitten die Autor:innen um Meldung an Prof. Dr. Michael Kißener.
Alle Beteiligten danken mit großem Nachdruck den konsultierten Archiven, vor allem dem Stadtarchiv Mainz (insbesondere Dr. Frank Teske) und dem Dom- und Diözesanarchiv Mainz (insbesondere PD Dr. Thomas Brockmann) sowie den unterstützenden Organisationen (Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge) und Gesprächspartnerinnen/Gesprächspartnern, auch in lokalen Historischen Vereinen.
Diese digitale Ausstellung wäre nicht möglich gewesen ohne die Universitätsbibliothek Mainz, die die gestalterische und technische Umsetzung geleistet hat. Hier gilt unser besonderer Dank Frau Silke Mohr.
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