Französische Soldaten ziehen mit wehender Tricolore durch die Stadt – mit diesem Anblick waren MainzerInnen mehrfach konfrontiert, unter anderem 1798 und 1918. Beide Jahreszahlen stehen für tiefe historische Einschnitte: für den Wechsel von Herrschaftsverhältnissen, für das Ende von Reichen – im einen Fall für das nahe Erlöschen des Kurstaats, im anderen für den Übergang von der Monarchie zur Republik. Wie wirkten sich diese Umbrüche konkret vor Ort aus? Dieser zentralen Frage gingen zwei Hauptseminare nach, die im Sommersemester 2023 am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz stattfanden. Unter der Leitung von Prof. Dr. Bettina Braun und Dr. Andreas Linsenmann diskutierten Studierende Vergleichsaspekte zwischen den beiden „Reichsenden am Rhein“, recherchierten in der Fachliteratur sowie im Stadtarchiv – und entwickelten diese virtuelle Präsentation, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit ausgewählte Aspekte aufzeigen soll.
1798
1918
1798
Die Französische Revolution begann 1789 und führte in den folgenden Jahren zu weitreichenden Veränderungen in Staat und Gesellschaft. Darüber hinaus hatte sie weitreichende Folgen für ganz Europa.
Zunächst waren die Abschaffung der Monarchie und die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz zentrale Ziele der Revolution. Mit der Zeit radikalisierte sich die Revolution jedoch und wurde immer gewaltsamer, da sich im In- und Ausland Gegner der Revolution sammelten und es mit den anderen Großmächten Europas zum ersten Koalitionskrieg kam. In der sogenannten „Zeit des Terrors” kam es zu zahlreichen Hinrichtungen. Die darauffolgende Zeit war von gegensätzlichen Bewegungen geprägt. Während bürgerliche Kräfte versuchten, mehr Rechte zu erlangen, bemühten sich konservative Kräfte, die Monarchie wiederherzustellen.
Die Revolution endete schließlich 1799, nachdem sich Napoleon Bonaparte durch einen Staatsstreich zum ersten Konsul erklärt hatte.
Als die französischen Revolutionstruppen im Jahre 1792 große Teile des linksrheinischen Gebietes und die Stadt Mainz besetzten, die bis dahin kurmainzische Residenz gewesen war, versuchten auch hier deutsche Revolutionäre, eine Republik zu gründen und den französischen Revolutionären nachzueifern. Dieses Experiment, das heute unter dem Namen Mainzer Republik bekannt ist, wurde bereits ein Jahr später durch die Rückeroberung von Mainz durch preußische und österreichische Truppen beendet.
Der Begriff Mainzer Republik steht für das politische Experiment, das zwischen Oktober 1792 und Juli 1793 im linksrheinischen Gebiet und vor allem in Mainz stattfand. Nach der Besetzung von Mainz durch französische Revolutionstruppen gründeten glühende Anhänger der Französischen Revolution einen Jakobinerklub nach Pariser Vorbild, der seinen Namen einem Versammlungsort französischer Revolutionäre verdankte: dem ehemaligen Kloster St. Jakob in Paris. Bei den Sitzungen des Jakobinerklubs propagierten die Mainzer Revolutionäre die Errungenschaften der Revolution, wie Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte. Auf diese Weise entstand zum ersten Mal eine breite Politisierung der Öffentlichkeit, in der kontrovers über politische Themen diskutiert wurde. Das war neu – denn unter kurfürstlicher Herrschaft hatte die Zensur offene politische Diskussion weitgehend unmöglich gemacht.
Im Jahr 1797 kehrten die Franzosen jedoch wieder an den Rhein zurück. Denn im Frieden von Campo-Formio war der Rhein zwischen Andernach und Basel als Ostgrenze Frankreichs festgelegt worden. Da Mainz auf dem linken Rheinufer liegt, wurde es am 30. Dezember 1797 an Frankreich übergeben. Die völkerrechtliche Anerkennung des Rheins als neuer Grenze und die Integration von Mainz in die Französische Republik wurden im Friedenschluss von Lunéville 1801 bestätigt.
Seit April 1792 befand sich das revolutionäre Frankreich in einem Krieg mit seinen monarchischen Nachbarn. Die Ziele dieses Krieges, der heute auch als Erster Koalitionskrieg bezeichnet wird, änderten sich jedoch schnell und bald kamen auch Eroberungen in Frage. Dabei war das Dogma der „natürlichen Grenzen” Frankreichs prägend, die aus den Pyrenäen im Süden, den Alpen im Südosten und dem Rhein im (Nord-)Osten bestehen sollten.
Beendet wurde der Erste Koalitionskrieg 1797 durch den Vertrag von Campo-Formio: Österreich erkannte unter anderem die französischen Eroberungen im heutigen Belgien an. Auch erhielt Frankreich vorläufig das linke Rheinufer. Da es sich hier jedoch nicht um österreichisches Territorium handelte, sondern um Gebiete des Heiligen Römischen Reiches, musste diese Abmachung noch durch das Reich bestätigt werden. Fürs Erste wurde Mainz hiermit dennoch französisch.
Die völkerrechtliche Bestätigung folgte im Februar 1801. Nach einer weiteren militärischen Auseinandersetzung mit Frankreich – dem Zweiten Koalitionskrieg – schlossen Frankreich und das Reich im Vertrag von Lunéville einen Frieden, der die Rheingrenze nun offiziell bestätigte und den Wunsch des revolutionären Frankreich nach einer „natürlichen Grenze” im Osten verwirklichte.
Mit dem Herrschaftswechsel zu Frankreich wurde aus Mainz nun Mayence. Damit endete die jahrhundertealte Herrschaft der Erzbischöfe und es begann ein neuer Abschnitt in der bewegten Geschichte der Stadt Mainz. Während die Stadt vor der Revolution noch als „Centralort des Reiches“ gelten konnte, fiel ihr jetzt nur noch die Rolle einer Provinzhauptstadt des neu gegründeten französischen Départements Mont-Tonnerre (Departement Donnersberg) zu, die sie bis zum Ende der Franzosenzeit 1814 behalten sollte.
Dieser politische Wandel lässt sich auch in den unterschiedlichen Briefköpfen der Mainzer Verwaltung der Zeit erkennen. Diese veränderten sich über die Jahre der französischen Herrschaft sehr stark. Anfänglich überladene Briefköpfe wurden mit der Zeit schlanker und eleganter gestaltet. Im Vergleich mit Briefköpfen aus der kurfürstlichen Zeit fallen sofort die Siegel auf, die auf kurfürstlichen Briefköpfen nicht zu finden sind und die ausführlichere bürokratische Beschriftung. Sowohl in kurfürstlicher als auch in französischer Zeit wurden die Briefköpfe bereits vorgedruckt und lediglich wichtige Daten und Informationen per Hand eingetragen.
Welche politischen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen brachte die französische Herrschaft in Mainz nun mit sich? Dazu mehr in den folgenden Themenblöcken.
1798
Am Anfang stand der Freiheitsbaum
Unmittelbar nach der Besetzung von Mainz durch französische Truppen am 30. Dezember 1797 bemühte sich die französische Administration ihre neue Herrschaft symbolisch und publikumswirksam zu demonstrieren. Aus diesem Grund wurde am 7. Januar 1798 auf dem Speisemarkt – dem heutigen Marktplatz am Dom – ein Freiheitsbaum gepflanzt. Genau an dieser Stelle hatte sich bereits der erste Freiheitsbaum der Mainzer Republik im Jahre 1792/93 befunden. Heute wird an der Heunensäule, die 1975 errichtet worden ist, in einer kleinen Inschrift an dieses Ereignis erinnert.
Der Freiheitsbaum geht auf die Tradition der Mai- und Kirchweihbäume zurück und wurde bereits während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges als politisches Symbol verwendet. Zur Zeit der Französischen Revolution sollte der arbre de la liberté die Ideale Volksherrschaft, Freiheit und Gleichheit verkörpern und verkünden. Es handelte sich um einen bis auf den Wipfel entlaubten Baum, dessen Stamm in den Farben der Französischen Republik blau - weiß - rot angestrichen und auf dessen Spitze eine Jakobiner-Mütze platziert wurde. Der Freiheitsbaum nahm eine zentrale Rolle in der republikanischen Festkultur ein, da er ein wichtiger Ort für Umzüge, Feste und politische Reden war.
Die Pflanzung des Freiheitsbaums wurde den Mainzern in einer Bekanntmachung am 6. Januar 1798 angekündigt. Damit die Menschen den Text verstehen konnten, war er auf Deutsch verfasst worden. Erlassen wurde diese Bekanntmachung noch von den alten kurmainzischen Institutionen: dem Statthalter (Vizedom) und dem Stadtrat. Auf Drängen des französischen Militärs willigten diese in die Pflanzung ein und hofften damit, ihre alte politische und gesellschaftliche Stellung bewahren zu können.
Die Bekanntmachung schildert den geplanten Ablauf der Pflanzung:
Um 11 Uhr sollte der Freiheitsbaum unter Begleitung von Kanonensalven vom Deutschhaus zum Speisemarkt getragen werden. Die Einwohner von Mainz wurden zu diesem Ereignis ausdrücklich eingeladen und sollten sich mit dem Anstecken der dreifarbigen, revolutionären Kokarde – ein kreisförmiges Abzeichen in den Revolutionsfarben – zum neuen politischen Regime bekennen.
Im Anschluss an die Pflanzung wurden mehrere Reden auf dem Speisemarkt gehalten. Diese zeigen recht unterschiedliche Sichtweisen auf das Ereignis. Als erster Redner rief Philipp Anton von Bibra, der bisherige kurfürstliche Statthalter, zu Ruhe und Ordnung auf. Er forderte die Bürger auf, sich nicht spalten zu lassen oder auf Vergeltung zu sinnen, sondern als eine harmonische Einheit die Gesetze der neuen französischen Herrscher zu befolgen.
Einen etwas anderen Ton schlug General Hatry, der Kommandant der französischen Truppen, an. Zwar rief auch er die Bürger dazu auf, von Hass, Zwietracht und Spaltung abzusehen, aber gleichzeitig machte er deutlich, dass für die Mainzer nun ein neues Zeitalter als Brüder der Franzosen begonnen habe.
Mathias Metternich hingegen nutzte seine Rede zu einer Abrechnung mit dem alten kurfürstlichen Regime. Er kritisierte insbesondere, dass dessen Vertreter an der Pflanzung des Freiheitsbaumes – einem freiheitlich-revolutionären Ritual – überhaupt mitwirken durften. Schließlich hatten gerade diese Kräfte die Akteure der Mainzer Republik nach 1793 verfolgt und vertrieben. Für ihn stellte diese zweite Pflanzung eines Freiheitsbaumes einen Tag der Freiheit und eine Anknüpfung an die Zeit von 1792/93 dar. Unter dem Schutz der französischen Soldaten sollten nun endgültig die Ideale der Revolution verwirklicht werden.
Mathias Metternich (1747-1825) war Mathematikprofessor an der Mainzer Universität. Während der Mainzer Republik schloss er sich dem Mainzer Jakobinerklub an und wurde einer seiner wichtigsten und vehementesten Agitatoren. So forderte er eine stärkere Revolutionierung der Bauern auf dem Land und die konsequente Absetzung von reaktionären Beamten. In dieser Zeit brachte er auch eine eigene Wochenschrift mit dem Namen “Der Bürgerfreund” heraus, in der er seine politischen Ansichten verbreitete. Nach dem Ende der Mainzer Republik wurde Metternich verhaftet und in die Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz gebracht. Nach seiner Freilassung 1795 ging er zunächst nach Frankreich, bevor er im Jahr 1797 nach Mainz zurückkehrte, nachdem die Stadt erneut durch die Franzosen besetzt worden war.
Nach der Machtübernahme Napoleons in Frankreich am 9. November 1799 verschwanden auch in Mainz nach und nach die revolutionären und demokratischen Elemente aus dem Stadtbild. Das betraf auch den Freiheitsbaum auf dem Speisemarkt, der nicht mehr gepflegt wurde und verdorrte. Erst im Zuge des Hambacher Festes von 1832 wurden wieder Freiheitsbäume in der Region gepflanzt.
Revolutionskalender – Die Zehn-Tage-Woche
Für jedes Kind ist es heute und war es damals klar: Eine Woche hat sieben Tage und ein Tag 24 Stunden. Nicht so im Frankreich der Revolutionszeit. Denn damals wurde eine neue Zeitrechnung eingeführt, die mit dem 22. September 1792 im Jahr I begann. Mit dem Einzug der Franzosen galt der Kalender auch für das annektierte Mayence. Statt einer Woche gab es nun die Dekade, welche zehn Tage umfasste. Ein Tag zählte zehn Stunden, eine Stunde 100 Minuten, eine Minute 100 Sekunden.
Doch wozu überhaupt dieser ganze Aufwand? Nachdem die Revolutionäre die Trennung von Kirche und Staat beschlossen hatten, wollten sie sich vom christlichen Kalender distanzieren. Stattdessen sollte ein rationaler Kalender her, der auf dem Dezimalsystem beruhte. Der Ruhetag fiel für die Mainzer nun nicht mehr auf den siebten, sondern auf den zehnten Tag. An diesem Tage war es den Bewohnern der Stadt per Dekret verboten zu arbeiten. Dadurch, dass jetzt nur noch jeder zehnte Tag ein Ruhetag war, es also mehr Arbeitstage gab, sollte die wirtschaftliche Produktivität gesteigert werden. Die Beliebtheit des Kalenders steigerte sich dadurch sicherlich nicht.
Die Monate erhielten neue französische Namen, die meist auf die Jahreszeiten Bezug nahmen. Ihren Ursprung hatten die neuen Namen im Französischen oder Lateinischen. Am Ende des Jahres gab es sechs Übergangstage, die Sansculottiden, die zugleich Feiertage darstellten. So wurde unter anderem das Fest des Geistes, das Fest der Arbeit und das Fest der guten Taten gefeiert.
Monat | Bedeutung | Ursprung | Dauer |
---|---|---|---|
Vendémiaire | Weinlese | Vindemia (lat.) | 22. September bis 21. Oktober |
Brumaire | Nebel | Brume (frz.) | 22. Oktober bis 20. November |
Frimaire | Raureif | Frimas (frz.) | 21. November bis 20. Dezember |
Nivôse | Schnee | Nix (lat.) | 21. Dezember bis 19. Januar |
Pluviôse | Regen | Pluvia (lat.) | 20. Januar bis 18. Februar |
Ventôse | Wind | Ventus (lat.) | 19. Februar bis 20. März |
Germinal | Spross | Germen (lat.) | 21. März bis 19. April |
Floréal | Blume | Flos (lat.) | 20. April bis 19. Mai |
Prairial | Wiese | Prairie (frz.) | 20. Mai bis 18. Juni |
Messidor | Ernte | Messis (lat.) | 19. Juni bis 18. Juli |
Thermidor | Warm | Thermos (gr.) | 19. Juli bis 17. August |
Fructidor | Frucht | Fructus (lat.) | 18. August bis 16. September |
An die Stelle der alten christlichen Feste traten neue Revolutionsfeste. Am bekanntesten ist sicher der 14. Juli, der nun aber 23. Messidor hieß. Der Kalender galt vom 22. September 1792 bis Ende 1805. Nach seiner Kaiserkrönung und der Wiederannäherung an die katholische Kirche führte Napoleon ab dem 1. Januar 1806 wieder den alten christlichen Kalender ein. Bereits 1803 war es jedoch so, dass in einem Mainzer Alltagskalender, der wohl für den Hausgebrauch bestimmt war, die Heiligenfeste wieder erwähnt wurden.
Nationalfest oder fête nationale?
Der 14. Juli – Der Sturm auf ... St. Peter?!
Unter den vielen Festen, welche die Franzosen nach Mainz brachten, hatte der 14. Juli einen besonderen Stellenwert. Die in Mainz stattfindenden Feierlichkeiten sollten jedoch nicht einfach eine Kopie des französischen Fests sein, sondern waren an die Mainzer Verhältnisse angepasst. Besonders anschaulich wird dies bei den Feierlichkeiten aus dem Jahre 1798, als der 14. Juli zum ersten Mal seit Besatzungsbeginn gefeiert wurde. Dass die Verwaltung aber auch in den Folgejahren darum bemüht war, den Mainzern den 14. Juli nahezubringen, zeigt dann ein Blick auf die Feierlichkeiten aus dem Jahre 1801.
Im Sommer 1789 beunruhigte der Verlauf der Revolution den französischen König Ludwig XVI. Als dieser dann Truppen um Paris und Versailles versammelte, machte schnell das Gerücht die Runde, dass das Militär sich darauf vorbereite, in Paris einzumarschieren, um der Revolution ein Ende zu bereiten.
Um sich gegen die königlichen Truppen und umherziehende Straßenräuber zu schützen, besorgten sich wütende Pariser am Morgen des 14. Juli Waffen und zogen dann auf der Suche nach Schießpulver zur Bastille. Nach blutigen Schießereien und mit der Unterstützung von Soldaten eroberten die Pariser schließlich die Festung.
Die streng anmutende Festung, ein altes mittelalterliches Gefängnis, verkörperte die Willkür des alten Regimes, der Sturm auf die Bastille galt deshalb als Anfang vom Ende der alten Herrschaft.
Am Ende und als Höhepunkt der Feierlichkeiten des Jahres 1798 wurde in Mainz statt der Bastille die Kirche St. Peter von einer großen Anzahl Soldaten „erobert“, und am Altar schworen Bürger und Soldaten den Eid „Hass dem Königtum und der Anarchie“. In dieser Nachstellung diente St. Peter als ein Zeichen der alten kurfürstlichen Herrschaft des Mainzer Erzbischofs. Was die Mainzer 1789 selbst nicht miterlebt hatten, sollten sie jetzt nachträglich erfahren können. Die französische Verwaltung war also durchaus bemüht, eine symbolische Brücke zwischen dem französischen Nationalfest und den Mainzer Verhältnissen zu schlagen – das wird auch an den Verweisen auf den in Mainz erfundenen Buchdruck sichtbar:
So sollte im Festzug im Jahre 1801 neben Mainzer Professoren, Gelehrten und Schriftstellern auch eine mit Lorbeerkränzen geschmückte Druckerpresse sowie eine Büste von Johannes Gutenberg vertreten sein, der à la française jedoch zu Jean Gutenberg wurde. Auf einem Schild war zu lesen:
Der Buchdruckerzunft!
Dem Meisterwerke des menschlichen Erfindungsgeistes!
Sie hat die Völker durch Aufklärung gebildet,
Sie verkündet heute Freiheit, Sieg und Frieden.
Mit dem Sturm auf St. Peter und den Verweisen auf Gutenberg wird deutlich, dass man den Mainzern den 14. Juli als Feiertag erst einmal näherbringen musste. Denn die Mainzer hatten ja ursprünglich gar keinen Bezug zu diesem Ereignis, da zwischen dem Sturm auf die Bastille 1789 und dem Beginn der französischen Besatzung 1797 bereits einige Jahre vergangen waren. Der Sturm nahm also im kollektiven Gedächtnis der Mainzer einen weitaus geringeren Stellenwert ein, als er das bei einem Pariser getan hätte. Der „Sturm auf St. Peter“ bot also die Möglichkeit, sich anlässlich des Feiertages mit der bisherigen Geschichte der Revolution zu identifizieren und dadurch noch stärker zu einem citoyen français zu werden.
Der Festzug vom 14. Juli 1801
Vendémiaire – Neujahr im Herbst
Nach dem Revolutionskalender begann das Jahr am 22. September. Denn am 22. September 1792 war in Frankreich die Monarchie abgeschafft und zugleich der neue Kalender eingeführt worden. Die Botschaft war klar: Mit der Republik begann eine neue Zeitrechnung.
Der erste Monat im Revolutionskalender hieß Vendémiaire, ein Name, der jahreszeitlich passend an die Weinlese (“vendage”) erinnerte. Jährlich wurde nun mit der Fête du 1er Vendémiaire der Beginn des neuen Jahres gefeiert. Das galt ab 1798 selbstverständlich auch für das nun französische Mainz. So wurde am Abend des 21. September 1800 das Fest durch eine Generalsalve der Geschütze zu Weisenau, Mombach, in den Schanzen auf dem linken Rheinufer und in Kastel angekündigt. Die Feierlichkeiten wurden am 22. September um 9 Uhr morgens durch zwei Kanonenschüsse und das Läuten der Glocken eröffnet. Die zivilen Beamten und das Militär sollten sich in der zum Dekadentempel erklärten Kirche St. Peter versammeln. Anschließend formierte sich ein Zug aus den Schülerinnen und Schülern mit ihren Lehrerinnen und Lehrern sowie Vertretern der Verwaltung und des Militärs, die Schilder mit sich führten, die die Revolution priesen und an wichtige Stationen ihrer Einführung in Mainz erinnerten. Die Mainzer Fête du 1er Vendémiaire feierte also nicht nur allgemein die Revolution, sondern ganz konkret deren Umsetzung in Mainz.
1798
Das Ende von Mainz als Residenz
Mit dem Übergang an Frankreich veränderten sich in Mainz die sozialen Verhältnisse insofern, als die Stadt ihre Residenzfunktion verlor. Konkret bedeutete dies, dass der Adel, der die Spitze der Mainzer Gesellschaft gebildet hatte, nach und nach die Stadt verließ. Die Stadt wurde nun bürgerlich, in die Positionen des Adels rückten bürgerliche Kauf- und Handelsleute und Beamte ein. Das Problem dabei: Der Adel war sehr konsumfreudig gewesen und hatte dementsprechend einen wichtigen Faktor in der städtischen Wirtschaft gebildet. Für Luxusgüter gab es deshalb nun kaum noch Nachfrage. Außerdem waren viele Menschen am Hof - zum Beispiel als Pagen, Hofköche oder Musiker – angestellt gewesen. Für diese Menschen stellte sich die Frage, wie es für sie unter der neuen Herrschaft weitergehen sollte: Sollten und konnten sie dem Kurfürsten nach Aschaffenburg folgen oder versuchten sie, unter den geänderten Bedingungen zurechtzukommen oder boten sich ihnen vielleicht sogar neue Chancen?
Die neuen Zollgrenzen
Eine gravierende Neuerung war auch die neue Zollgrenze. Mit der Zugehörigkeit der linksrheinischen Gebiete zu Frankreich war der Rhein nun Zollgrenze.
Für Frankreich war dies von Vorteil, da sich durch die Integration der linksrheinischen deutschen Gebiete in den französischen Markt neue Handelswege und größere Absatzmärkte für französische Produkte eröffneten. Deshalb war man bemüht, die Zollverschiebung schnellstmöglich umzusetzen.
Das Vollziehungs-Direktorium, in Erwägung, daß dem Interesse der Republik viel daran gelegen ist, daß die Verlegung der Zoll-Bureaux und Brigaden sowohl an das linke Rheinufer als auf die Gränzen der anderen neuvereinigten Lande so geschwind als möglich bewerkstelligt werden […]; beschließt:”
Für die Mainzer aber stellte sich die Situation ganz anders dar. Denn mit der am 1. Juli 1798 eingeführten neuen Zollgrenze wurden sie vom einen auf den anderen Tag von ihren traditionellen Handelswegen und langjährigen Partnern abgeschnitten und mussten sich von nun an auf den linksrheinischen französischen Markt hin orientieren.
Dem französischen Wunsch nach einer schnellen Integration der linksrheinischen Gebiete in den französischen Markt standen also wirtschaftliche Herausforderungen für die Mainzer gegenüber. An der rheinischen Zollgrenze selbst konnte nicht gerüttelt werden, aber zu Zugeständnissen in konkreten Zoll- und Handelsfragen war die französische Verwaltung durchaus bereit. Aus diesem Grund wurde bereits während der Verschiebung der Zollgrenze das Stapelrecht beinahe unverändert wieder eingeführt. Ein bemerkenswerter Schritt, da dieses Recht noch aus kurfürstlicher Zeit stammte und für die alte Ordnung stand.
Das Stapelrecht war ein seit dem Mittelalter bestehendes Handelsrecht einer Stadt. Sie konnte dadurch von Händlern verlangen, dass diese ihre Waren für einen bestimmten Zeitraum auf dem örtlichen Stapelplatz abladen und zum Verkauf anbieten mussten.
Bereits Ende August 1798 wurden weitere Maßnahmen erlassen, die den Handel an der Zollgrenze erleichtern sollten. So sollte beispielsweise auf eine weitgehend ungehinderte Abwicklung der Zölle und Anmeldung der Waren geachtet werden. Zölle sollten nur am Zielhafen fällig werden und den Händlern sollten zur Anmeldung Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden. Zudem konnten Waren aus Frankreich und den neuen Rhein-Departements zollfrei auf dem Rhein transportiert werden.
Die wirtschaftliche Freiheit
Vor allem aber trat mit dem Einzug der französischen Truppen auch ein neues Wirtschaftssystem in Kraft, das für den einen mehr, für den anderen weniger vorteilhaft werden sollte.
Ein zentraler Punkt der neuen Wirtschaftsordnung in Mainz war die von nun an geltende Gewerbefreiheit und die damit verbundene Auflösung des mittelalterlichen Zunftsystems.
In einer Zunft schlossen sich ab dem 11. Jahrhundert die Meister einer Berufsgruppe – also zum Beispiel Schreiner, Fischer, Bäcker oder Metzger – zusammen. Innerhalb der Zünfte wurden unter anderem die Lieferung von Rohstoffen, die Zahl der in einem Betrieb zulässigen Beschäftigten, Löhne, Preise und Absatzmengen geregelt. Darüber hinaus nahmen die Zünfte auch politische Funktionen wahr und boten ihren Mitgliedern eine gewisse soziale Absicherung. Nur Mitglieder der jeweiligen Zunft durften das betreffende Handwerk oder Gewerbe ausüben. Dieser sogenannte Zunftzwang wurde im 18. Jahrhundert zunehmend kritisiert, mit dem Argument, dass damit die wirtschaftliche Dynamik ausgebremst würde.
Was im ersten Moment nach einer vorteilhaften Änderung für die Mainzer klang, war für einige jedoch problematisch. Während noch in den Jahren zuvor ein Zunftzwang bestanden hatte und bestimmte Berufe nur von Mitgliedern der Zünfte ausgeübt werden durften, konnte von nun an jeder gegen Erwerb eines Patents problemlos ein Gewerbe ausüben. Dies führte logischerweise dazu, dass die Zahl der Gewerbetreibenden enorm – nämlich um das Fünffache innerhalb weniger Monate – anstieg. Gut für die Bürger, die zuvor keiner Zunft angehört hatten – und eher schlecht für diejenigen, die Zunftmitglied gewesen waren. Von jetzt auf gleich entstand scharfe Konkurrenz, die für manche ehemaligen Zunfthandwerker zu stark wurde und in einigen Fällen zur Insolvenz für die Betriebe führte. Hingegen eröffneten sich Chancen für andere, die in dieser „kleinen Gründerzeit“ ohne Vorgaben ein Gewerbe ausüben konnten. Aber auch manche Kaufleute profitierten von den neuen Verhältnissen, insbesondere dann, wenn sie sich auch politisch auf die neuen Gegebenheiten einstellten.
Einzelfall: Heinrich von Mappes
Die Mainzer Kaufleute hatten sich wohl oder übel den neuen Bedingungen der Franzosen anzupassen. Zwar war die Reaktion vieler Gewerbetreibenden auf die neu gegründeten Institutionen, wie die Handelskammer oder das Handelsgericht, eher verhalten, doch gab es auch einige, die zu einer Zusammenarbeit mit den neuen Obrigkeiten bereit waren – wenn auch aus pragmatischen Gründen. Einer von ihnen war Heinrich Mappes, der mit seinem Bruder bereits in kurfürstlicher Zeit die Weinhandelsfirma “Gebrüder Heinrich und Konrad Mappes” betrieben hatte. Wie viele andere Kaufleute hatte auch Mappes die Hoffnung, von der Teilnahme am großen französischen Markt wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Nicht nur für geschäftlichen, sondern auch für politischen Erfolg sorgte schließlich seine Mitgliedschaft ab 1798 in der “Commité de commerce”, der ersten Handelskammer des französischen Mayence. 1803 wurde er sogar zum geschäftsführenden Vizepräsidenten der Handelskammer ernannt und erwarb sich dadurch große Verdienste in diversen wirtschaftlichen Bereichen der Stadt Mainz. Später wurde er zudem noch Vorsitzender des Wahlkollegs Département Donnersberg. Aber auch die folgenden politischen Umbrüche verstand er für sich zu nutzen: So vertrat er die Stadt Mainz auf dem Wiener Kongress 1815 und wurde nach dem Übergang von Mainz und Rheinhessen nach Hessen berufenes Mitglied auf Lebenszeit der Ersten Kammer des Landtages des Großherzogtums Hessen. Auch die Verleihung des Kreuzes der Ehrenlegion durch Napoleon und die Erhebung in den Freiherrnstand zeigen, dass die Gründung der Handelskammer Mappes Türen zum großen Aufstieg eröffnet hatte.
Die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen durch die französische Herrschaft stellten die Stadt und ihre Bewohner also vor neue Möglichkeiten und Herausforderungen, denen sie sich stellen mussten. Die Beschlüsse der französischen Verwaltung und die neuen Freiheiten waren dabei für viele eine Hilfe, bedeuteten für andere aber auch neue Hindernisse und Hürden. Die neue Herrschaft sorgte auf der einen Seite für viele, teils radikale Veränderungen, während auf der anderen Seite auch vieles beim Alten blieb.
1798
Gutenberg – Ein Franzose aus Mainz? Die Erinnerungskultur an Johannes Gutenberg und die französische Herrschaft in Mainz
Gutenberg und die Franzosen
Jeder hat es schon einmal in der Hand gehalten, ein Buch, das es ohne die Erfindung von Johannes Gutenberg wohl in dieser Form nicht geben würde. Aus Mainzer Perspektive ist Johannes Gutenberg ein Mainzer. In Frankreich jedoch gibt es nicht wenige, die ihn als Franzosen betrachten. Die Vertreter:innen dieser Sichtweise beziehen sich dabei auf Gutenbergs Zeit im elsässischen Straßburg in den Jahren zwischen 1434 und 1444.
Zwischen 1434 und 1444 lebte Gutenberg in Straßburg. Deshalb beanspruchte Straßburg ebenso wie Mainz den Ruhm für sich, Ort der bahnbrechenden Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern zu sein. Die Stadt Straßburg erbaute Gutenberg deshalb ebenfalls ein Denkmal, allerdings erst im Jahre 1840, also drei Jahre nach Mainz.
Im Zuge der Aufklärung im 18. Jahrhundert erreichte die Verehrung Gutenbergs in Frankreich einen Höhepunkt. So schrieb beispielsweise der französische Philosoph und Aufklärer Voltaire, der Buchdruck sei eine wesentliche Bedingung für die Freiheit der Presse. In diesem Zusammenhang wurde sogar gefordert, Gutenbergs sterbliche Überreste nach Paris zu überführen, um sie in einer eigens eingerichteten „Grabstätte für Schlüsselfiguren der Aufklärung“ beizusetzen.
Auch Napoleon schien den Medienrevolutionär zu schätzen. Er ordnete für Mainz im Jahr 1804 den Bau eines Gutenbergplatzes mit Denkmal an. Dieser sollte dem Stadtviertel zwischen Schillerplatz und Höfchen eine neue Gestalt verleihen. Wichtig für diesen Entschluss war, dass Gutenberg als Mainzer und Franzose eine die Nationen übergreifende Identifikationsfigur darstellen sollte. Möglicherweise wollte Napoleon mit dem gemeinsamen „Erinnerungsort“ die französische Herrschaft in Mainz festigen.
Napoleons Idee eines Gutenbergplatzes mit Denkmal
Natürlich wollte Napoleon, dass sich die neue französische Herrschaft auch im Mainzer Stadtbild widerspiegelt. Das sogenannte Deutschhaus, bisher die Residenz des Deutschen Ordens, sollte für Kaiser Napoleon zur Residenz werden. Das 1793 zerstörte Comödienhaus sollte durch ein neues Theater in der Nähe des Doms ersetzt werden. Das wohl umfangreichste Bauvorhaben war aber die Errichtung eines Gutenbergplatzes mit einem dazugehörigen Denkmal. Dieser sollte nach der Vorstellung Napoleons an der Stelle der zerstörten Dompropstei, einem architektonischen Relikt aus kurfürstlicher Zeit, entstehen. Zuständig hierfür war der französische Chefingenieur Eustache St. Far (1746/47-1822). Der „Plan topo-graphique de la ville de Mayence“ aus dem Jahr 1806 zeigt eine mögliche Realisierung des städtebaulichen Projekts inklusive der Anlage des Gutenbergplatzes im Stadtzentrum. Die neue „Grande Rue Napoleon“ (heute: Ludwigsstraße) sollte die „Place Verte“ (heute: Schillerplatz) mit dem Gutenbergplatz verbinden und sich dahinter zum „Marché aux Herbes“ (Gemüsemarkt) fortsetzen. Das Höfchen, zuvor das politische Zentrum des kurfürstlichen Mainz, existierte nach diesem Plan nicht mehr als eigenständiger Platz, sondern sollte in den Marktplatz integriert werden. Der Plan verdeutlicht, dass der Gutenbergplatz mit seiner geplanten Größe künftig das Zentrum der Mainzer Innenstadt bilden sollte:
Da Mainz nun in das französische Staatsgebiet eingegliedert war, sollte sich dies auch im Stadtbild widerspiegeln, indem die Straßennamen an die neuen Gegebenheiten angepasst wurden. Oftmals wurden die Straßennamen lediglich übersetzt oder durch rue (dt. Straße), place (dt. Platz), marché (dt. Markt) oder port (dt. Hafen) ergänzt. Außerdem wurden französische Akzente an die deutschen Straßennamen hinzugefügt oder die Präposition de (dt. von) angebracht, um diese zu französisieren. Aber es sind auch weitergehende Änderungen zu beobachten. So wurden christliche Bezüge in der Namensgebung durch eine Rückbesinnung auf die Antike ersetzt. Die Ideale der Französischen Revolution sollten in den Benennungen ebenso ihren Niederschlag finden wie politische Ereignisse der jüngsten Vergangenheit oder die Mitglieder der neuen kaiserlichen Familie Napoleons. Zwar wurden die meisten Straßen nach dem Ende der französischen Herrschaft wieder eingedeutscht, allerdings sind ein paar wenige Benennungen noch auf die Zeit zwischen 1798 und 1804 zurückzuführen, wie eben z. B. der Gutenbergplatz.
Über die konkrete Gestaltung des Gutenbergplatzes liegen zahlreiche Detailskizzen St. Fars aus den Jahren 1806 und 1808 vor. So zeigt beispielsweise der Plan aus dem Jahr 1806 ein rechteckiges Denkmal zu Ehren Gutenbergs, welches von einem flachen Wasserbecken umgeben ist. Die angrenzenden Gebäude wurden im Stil des französischen Klassizismus geplant und sollten in ihrer Gesamtheit dem Platz einen französischen Charakter verleihen.
Die unterschiedlichen Bauprojekte konnten jedoch bis zum Ende der französischen Herrschaft im Jahr 1814 nicht mehr realisiert werden. Die große Straßenachse „Grande Rue Napoleon“ wurde ansatzweise umgesetzt, während am Gutenbergplatz nur eines der geplanten Gebäude erbaut wurde.
Dennoch gelten die Pläne des Eustache St. Far als wegweisend, da sowohl die Straßenachse als auch der Gutenbergplatz zeitnah nach der französischen Herrschaft fertiggestellt werden konnten. Die zentrale Achse von Mainz ist damit ein direktes Resultat der französischen Herrschaft.
Der Gutenbergplatz und das Denkmal in der Zeit nach Napoleon
Schon am 1. Oktober 1804 erließ Napoleon ein Dekret, das die Schaffung eines neuen zentralen Platzes für Mainz zwischen Schillerplatz und Höfchen vorsah. Der früheste Entwurf für diesen Platz, der den Namen Gutenbergs tragen sollte, stammt ebenfalls aus diesem Jahr und wurde auf Initiative der Franzosen angefertigt. Da die Mainzer und Franzosen Gutenberg gleichsam als Mainzer und Franzosen ansahen, sollte dieser ihm zu Ehren errichtete Platz einen gemeinsamen Erinnerungsort der Mainzer und Franzosen darstellen. Natürlich nicht ohne den Hintergedanken daran, so die französische Herrschaft in Mainz zu festigen und zu legitimieren. Auch wenn die Planungen zur Anlage des Platzes während der französischen Besatzungszeit in Mainz angestoßen wurden, wurde er während dieser Zeit nicht fertiggestellt.
Auch wenn die Errichtung des Gutenbergplatzes also erst später und noch dazu in abgeänderter Form verwirklicht wurde, legten die Franzosen gewissermaßen den ›Grundstein‹ für den Platz und das Gutenberg zu Ehren errichtete Denkmal.
Das Denkmal wurde von dem dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen entworfen, wobei das Gussmodell hierfür 1834 fertiggestellt wurde. Dieser Guss wurde dann von Charles Crozatier in Paris angefertigt und im Mai 1836 fertiggestellt. Obwohl das Denkmal schon im August 1836 in Mainz ankam, wurde es erst einmal nicht aufgestellt. Denn erst im Jahre 1837 konnte abschließend geklärt werden, an welchem Ort auf dem Gutenbergplatz es aufgestellt werden sollte. Das Denkmal wurde schließlich am 14. August 1837 unter der Anwesenheit zahlreicher Gäste aus ganz Europa feierlich enthüllt, die Festivitäten zogen sich dabei über drei Tage hin.
Aber auch nach seiner Installation blieb das Aussehen des Denkmals und des Platzes selbst keineswegs immer gleich, sondern unterlag unterschiedlichen Veränderungen im Laufe der Zeit. So war das Denkmal beispielsweise anfänglich von einem Zaun umgeben, der jedoch 1933 abgerissen wurde, da die Nationalsozialisten mehr Platz für Aufmärsche und Kundgebungen zur Verfügung haben wollten. Während des Zweiten Weltkrieges wurde es dann zum Schutz vor den alliierten Bomben vergraben und erst nach Kriegsende wieder auf seinen angestammten Sockel zurückgestellt.
Die Bedeutung des Gutenbergplatzes und des Denkmals für die Erinnerung an Johannes Gutenberg
Die Errichtung des Gutenbergplatzes geht damit wesentlich auf die französische Besatzungsmacht zurück. Er wurde jedoch sehr schnell zentraler Veranstaltungsort in Mainz und wurde so zu einem ›Symbol‹ der Stadt und zu einem wichtigen Erinnerungsort für Johannes Gutenberg.
So wurden schon im 19. Jahrhundert die Gedenkfeiern vor dem Denkmal ein fester Bestandteil der Feierlichkeiten zu Ehren Gutenbergs. Bereits 1840 wurde das Denkmal in den Mittelpunkt des Festes zur vierten Jahrhundertfeier der Erfindung des Buchdrucks gestellt. Und der Johannistag (24. Juni) als Namenstag Gutenbergs ist seit 1968 neben der Fastnacht das bedeutendste Mainzer Volksfest. Auch hier stehen der Gutenbergplatz und das Gutenbergdenkmal im Mittelpunkt.
Zu verdanken aber hat Mainz diesen Platz einer weitgehend vergessenen Phase der Mainzer Stadtgeschichte – nämlich der Franzosenzeit zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts.
Der Gutenbergplatz im Laufe der Jahre
Mainz - Mayence? Französische Relikte im Mainzer Dialekt
Die Zugehörigkeit des linken Rheinufers zu Frankreich wurde seitens der neuen Regierung auf verschiedenen Ebenen verdeutlicht. Die Verwaltung, aber auch das kulturelle Leben sollte den französischen Gepflogenheiten angepasst werden. Französisch wurde zur offiziellen Amtssprache erklärt. In dem Dekret vom 30. März 1798 wurde festgelegt, dass alle Dokumente der Verwaltung sowie die Namen von Personen und Orten in französische Sprache übersetzt werden sollten. So erhielt die Stadt Mainz den Namen Mayence. Später sollte die französische Sprache sogar zur Alltagssprache gemacht werden. Darüber hinaus hielt das Französische auch in den Schulen Einzug. In Mainz wurde eine Sekundärschule auf der Basis des Schulgesetzes von 1802 gegründet. In der Sekundärschule sollten die Schüler und Schülerinnen die französische Sprache erlernen sowie eine möglichst frühe republikanische Prägung erhalten.
Was ist denn von der Sprachenpolitik noch heute übriggeblieben?
Zwei Sprachen trafen also in Mainz in der Franzosenzeit aufeinander und sollten zur Kommunikation zwischen Mainzer: innen und Franzosen dienen. Um Französisch aber wirklich als Amts- oder sogar als Alltagssprache in Mainz durchzusetzen, war die Zeit der französischen Herrschaft zu kurz. Einige Überbleibsel haben sich dennoch bis heute erhalten, so beispielsweise im Mainzer Dialekt, aber auch in manchen Straßennamen.
Abgezogen? Was bleibt von der Franzosenzeit noch übrig?
Die Légion de Mayence: Ein Verein in der Erinnerung der Franzosenzeit in Mainz
Zwar sind die französischen Truppen schon vor über 200 Jahren abgezogen, doch es kann hin und wieder passieren, dass einem französische Grenadiere im Mainzer Stadtbild begegnen. Wenn die Légion de Mayence ihre Uniformen aus den Schränken holt, lebt die Napoleonische Zeit wieder für einen Moment auf. Dieser Verein, zwischen Tradition und Moderne, interessiert sich nicht nur für die Franzosenzeit in Mainz und betreibt entsprechende Forschungen, sondern versucht auch, sie auch so originalgetreu wie möglich darzustellen, indem man diese Zeit in diversen Reenactment-Events wieder aufleben lässt.
Die Mainzer Fastnacht und die Franzosenzeit
Narhalla-Marsch: „Ritz am Ba, Ritz am Ba, morsche fängt die Fassnacht aa!“. Diese Melodie klingt in Mainz in allen Ohren in der Zeit zwischen dem 11.11. um 11 Uhr 11 und dem Aschermittwoch. Der Legende nach sang die Mainzer Bevölkerung dieses Lied, als der französische Statthalter Ricembeau die Fastnacht in Mainz verbieten wollte. Dass es weder ein solches Verbot noch einen Statthalter Ricembeau gab, ist zwar mittlerweile nachgewiesen, aber dennoch sind einige Aspekte der Mainzer Fastnacht auf die Franzosenzeit zurückzuführen.
Die Franzosen: eine Inspirationsquelle für die Fastnacht
Die vierfach bunte Fahne: ist das nicht irgendwie die Trikolore?
Die Abstammung der Mainzer Fastnachtsfarben ist unklar. Eine Theorie über den Ursprung der Mainzer Fastnachtsfahne und ihrer Farben besagt, dass die französische Trikolore (die Blau-Weiß-Rote Fahne) schlichtweg umgedreht und zusätzlich mit der Farbe Gelb versehen wurde. Seit dem ersten Rosenmontagsumzug im Jahre 1838 wird sie nunmehr geschwenkt. Diese Farben finden sich häufig in den Uniformen der verschiedenen Fastnachtsgarden wieder. Diese empfinden oft reale Vorbilder von Militärregimentern nach.
Die Narrenkappe und die Phryger Mütze
Ursprünglich trug das Volk der Phryger diese meist aus Wolle gewobene Mütze mit längerem rundem Zipfel, der meist in Richtung Stirn fiel. Zu Unrecht hielten die Jakobiner diese Mütze als ein antikes Zeichen für freigelassene Sklaven und trugen diese als ein Bekenntnis ihrer politischen Ambitionen, nämlich sich von der Tyrannei der Monarchie zu befreien. Als auch die Mainzer Jakobiner und später die französische Besatzungsmacht ihre Häupter mit dieser Mütze schmücktem, etablierte sich diese Kopfbedeckung zu einem allgegenwärtigen Symbol französischer bzw. republikanischer Ideologie. Als Persiflage gedacht, entwickelte sich die Narrenkappe, die bei der Saalfastnacht auch heute noch getragen wird, aus dem Modell der Jakobiner-, bzw. Phryger Mütze.
1918
Die politische Zäsur wurde anhand von Personen symbolisch deutlich: Kaiser Wilhelm II. begab sich am 11. November 1918 ins Exil in den Niederlanden. Bereits am 7. November 1918 war in München der „Volksstaat Bayern“ ausgerufen und ein Arbeiter- und Soldatenrat ausgerufen worden. Als dann in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1918 Ernst-Ludwig Großherzog von Hessen und bei Rhein in Darmstadt abgesetzt wurde, bildete sich in der Nacht zum 10. November auch in Mainz ein Arbeiter- und Soldatenrat. Dessen vorrangige Aufgabe war es, in Mainz die öffentliche Ordnung zu stabilisieren, was rasch gelang.
Die Ereignisse wurden je nach politischem Standpunkt unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Dies spiegelt sich in den Mainzer Zeitungen. Die erste Bekanntmachung des Mainzer Arbeiter- und Soldatenrates druckten alle in Mainz erscheinenden Zeitungen ab:
An die Bevölkerung von Mainz! Aus der Mitte der Mainzer Garnison und der Arbeiterschaft hat sich gestern ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet […] Der Auschuß des Arbeiter- und Soldatenrates übernimmt die vollziehende Gewalt. Er sorgt für Ruhe und Ordnung und gewährleistet die Sicherheit der Bevölkerung und des Eigentums. Plünderungen und Straßenraub werden mit dem Tode bestraft. […]
Der Ausschuß hält es für nötig, sich an die Bevölkerung mit der Bitte zu wenden, ihren bisherigen Berufs- und häuslichen Obliegenheiten ungestört weiter nachzugehen. Kinder sind in den nächsten Tagen nach Möglichkeit von der Straße zu halten. Der Arbeiter- und Soldatenrat erwartet von der Einsicht der Bürger und Soldaten, daß sie in diesen schweren Tagen sich allen Anordnungen fügen, um einen sicheren Übergang in eine bessere und glücklichere Zukunft zu gewährleisten.“
An der Spitze des Arbeiter- und Soldatenrates stand der Mainzer Stadtverordnete und Landtagsabgeordnete Bernhard Adelung (1876-1943, SPD). Dieser rief am 10. November vor der Mainzer Stadthalle die Republik aus – ein Ereignis, von dem es keine Fotografie, sondern lediglich eine Zeichnung gibt. Nur einen Tag später, am 11. November, wurde der Waffenstillstand in Compiègne unterschrieben.
Das „Mainzer Journal“ titelte: „Seit Montag 11 Uhr Waffenstillstand!“ und druckte eine nichtamtlichen Funkspruch des Marschalls Foch ab.
Die Waffenstillstandsbedingungen beinhalteten Regelungen, die Mainz unmittelbar betrafen. So sollte das linksrheinische Gebiet entmilitarisiert, sowie die Infrastruktur nicht zerstört werden und innerhalb von 14 Tagen auf dem rechten Rheinufer eine 30 bis 40 km tiefe neutrale Zone errichtet werden soll. Auf dieser Grundlage wurde Mainz ab dem 8. Dezember 1918 von französischen Truppen besetzt, die Stadt wurde Sitz des Oberkommandos der 10. Französischen Armee.
[Transkript]
„Berlin, 10. November (WTB)
Folgendes ist ein Auszug aus den Waffenstillstandsbedingungen:
1. Inkrafttreten sechs Stunden nach Unterzeichnung.
2. Sofortigen Räumung Belgiens, Frankreichs und Elsaß-Lothringens binnen 14 Tagen. Was von Truppe nach dieser Zeit übrigbleibt, wird interniert oder gefangen.
3. Abzugeben: 5000 Kanonen, zunächst schwere, 30 000 Maschinengewehre, 3000 Minenwerfer und 2000 Flugzeuge.
4. Räumung der linken Rheinufer. Mainz, Koblenz und Köln wird besetzt vom Feinde auf 30 Kilometer Tiefe.
5. Auf dem rechten Rheinufer 30-40 Kilometer tiefe neutrale Zone. Räumung in 14 Tagen.
6. Auf linken Rheinufer-Gebiet nichts hinwegzuführen, alle Fabriken und Eisenbahnen intakt zu lassen.
7. 5000 Lokomotiven, 150 000 Waggons, 10 000 Frachtwagen abzugeben.
8. Unterhalt der feindlichen Besatzungstruppen durch Deutschland-
9. Zum Osten alle Truppen hinter die Grenze zurücknehmen. Termin nicht angegeben.
10. Verzicht auf die Verträge von Brest-Litowst und Bukarest.
11. Bedingungslose Kapitulation von Ostafrika.
12. Rückgabe des Bestandes der belgischen Bank, des russischen und rumänischen Geldes.
13. Rückgabe der Kriegsgefangenen ohne Gegenseitigkeit.
14. Abgabe von 100 Unterseebooten, 8 leichten Kreuzern und 6 Dreadnoughts. Die übrigen Schiffe desarmiert und überwacht von den Alliierten in neutralen und alliierten Häfen.
15. Sicherheit der freien Durchfahrt durch den ??? Wegräumung der Minenfelder und Besetzung aller Forts und Batterien, von denen diese Durchfahrt gehindert werden könnte.
16. Die Blockade bleibt bestehen. Deutsche Schiffe dürfen weiter gekapert werden.
17. Alle von Deutschland für die Neutralen verhängten Beschränkungen der Schifffahrt werden aufgehoben.
18. Waffenstillstand 30 Tage.“
Das „Mainzer Journal“ veröffentlichte denselben Text, berichtete aber weitergehend: „Ferner enthält die der deutschen Delegation überreichte Note bereits gewisse Einzelheiten über die Friedensbedingungen. So erklärt die Entente, daß die Besetzung der deutschen Gebiete mit Ausnahme Elsaß-Lothringens, nur vorübergehender Natur sein wird. Außerdem wurden bereits Angaben über die Höhe der zu zahlenden Entschädigung für Nordfrankreich, Belgien, und die durch den Unterseebootkrieg entstandenen Schäden gemacht. Diese Entschädigungen sollen nicht allein in barem Gelde bestehen, sondern es soll eine Verrechnung in der Form beschlagnahmter Schiffe und noch auszuliefernder Materialien erfolgen.“
Zentrale Quellen, anhand derer sich MainzerInnen im November 1918 über die politischen Entwicklungen in Darmstadt, München oder Berlin informieren konnten, waren neben Plakataushängen und Flugblättern Tageszeitungen. Entsprechen ihrer Anbindung im politisch-weltanschaulichen Spektrum nahmen diese Zeitungen Perspektiven ein, setzten Schwerpunkte und bewerteten Vorgänge durchaus unterschiedlich.
Als Beispiele hierfür sollen Ausgaben der drei großen damals erscheinenden Mainzer Zeitungen vom 8. November 1918, also unmittelbar vor dem entscheidenden Epochenumbruch, zugänglich gemacht werden: Der „Mainzer Anzeiger“, welcher für eine liberale Berichtserstattung stand, die „Mainzer Volkszeitung“, bei der es sich um die Parteizeitung der SPD handelte, sowie das „Mainzer Journal“, welche einen katholisch-zentrumsnahen Standpunkt vertrat.
Im liberalen „Anzeiger“ und in der „Volkszeitung“ stand die Frage nach einem Amtsverzicht des Kaisers im Vordergrund, während das „Mainzer Journal“ die Waffenstillstandsverhandlungen vorrangig erörterte. Die Frage um die Zukunft Deutschlands und des Kaisers rückte hierin den Hintergrund. Die „Volkszeitung“ positionierte sich mit der radikalsten Position und plädierte für eine Abdanken des Kaisers, die als wichtiger Wendepunkt in der deutschen Geschichte positiv dargestellt wurde, verbunden mit der Befürchtung, dass ansonsten ein Bürgerkrieg drohen könnte.
In den folgenden Tagen und Wochen informierten die Zeitungen die Mainzer Bevölkerung weiter, bis im Dezember 1918 die französischen Besatzungstruppen eintrafen. Danach unterlagen die Publikationen einer Zensur, die insbesondere verhinderte, dass Artikel erschienen, die kritisch über die Besatzungssituation berichteten.
Nach der Unterzeichnung der Waffenstillstandsbedingungen begann auf deutscher Seite der Rückzug der Truppen aus den teils seit Jahren verteidigten Frontstellungen. Für den Rückmarsch der Soldaten von der Westfront bildete aufgrund der Transportinfrastruktur Mainz eine zentrale Etappe.
Einige Tage vor dem Eintreffen der deutschen Truppen gingen bei der Stadtverwaltung Schreiben ein, in welchen der Nachrichtendienst der amtierenden Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin sich an den Bürgermeister von Mainz wandten. Es sollte innerhalb kürzester Zeit ein Empfangsausschuss gebildet werden, welcher die Aufgabe hatte, die Rückkehr der deutschen Soldaten angenehm zu gestalten, um „in ihnen [den Soldaten] das Gefühl zu wecken, das sie, die jahrelange Strapazen hinter sich haben, herzlich willkommen sind.“
Die Anregungen umfassten unter anderem: Das Abreißen aller Kriegsplakate, eine üppige Verpflegung der Soldaten zu gewährleisten, Triumphbögen auf den Straßen zu errichten, Gebäude in Festfarben zu schmücken und wo immer möglich Musik zu spielen. Innerhalb weniger Tage wurde die Stadt festlich umgestaltet und mit Fahnen geschmückt. Die rückkehrenden Soldaten wurden ehrenvoll empfangen, nicht wie Besiegte.
Die ersten Soldaten erreichten Mainz um den 21. November 1918, die letzten Truppenteile durchquerten die Stadt am 4. Dezember 1918 – so lange dauerten auch die entsprechenden Feierlichkeiten. Mehrere Generäle schrieben im Anschluss an die Stadt Mainz, dass sie von Feierlichkeiten beeindruckt gewesen seien und bedankten sich. Wenige Tage später folgte die Ankunft der französischen Besatzungstruppen.
Vor dem Eintreffen der französischen Truppen in den dafür vorgesehenen Gebieten, mussten die Stadtverwaltungen Listen anzufertigen, aus denen die Zahl der Einwohner der jeweiligen Kommune ersichtlich war. Dazu mussten auch Militärangehörige hervorgehoben werden. Für die Stadt Mainz wurden 109.374 Einwohner mitgeteilt.
Der Tag der Besetzung wurde mit Spannung erwartet, die Medien berichteten bereits zuvor ausführlich vom Einrücken von Entente-Truppen in Städte wie Düsseldorf, Köln, Mannheim und Trier. Ferner wurde explizit eine Abschiedsfeier für das Kampfregiment Nr. 137, der letzten durch Mainz ziehenden deutschen Truppe, angekündigt.
Die Bevölkerung wurde zur Ruhe aufgefordert, da die einrückenden französischen Soldaten nur ihre Pflicht erfüllen würden. Verbunden war dies mit einem Aufruf die „Würde des deutschen Volkes“ zu zeigen, um die Franzosen zu veranlassen, in vergleichbarer Weise zu agieren. Der „Mainzer Anzeiger“ versuchte seine LeserInnen aufzumuntern, indem er im Tonfall einer Durchhalteparole schrieb, dass die Besatzungszeit vorübergehen werde. Zugleich appellierte das Blatt, den französischen Besatzern zu zeigen, „dass das Rheinland nicht zu haben ist“. Der Mainzer Arbeiter- und Soldatenrat wurde aufgelöst, der Zugverkehr in der Stadt bereits ab dem 5. Dezember 1918 eingestellt.
Unmittelbar nach Eintreffen einer französischen Militärkommission am 8. Dezember 1918, die die Besetzung vorbereitete, wurden umfangreiche Verordnungen erlassen. Die Bevölkerung wurde ermahnt, eine „achtungsvolle Haltung“ gegenüber den Offizieren der Ententestreitkräfte zu zeigen. Die Behörden kündigten Requisitionen an und drohten bei Gegenwehr mit Strafen. Der Verkauf und das Mitführen von Waffen wurden verboten.
Das Eintreffen der Besatzungstruppen markiert das Ende des unmittelbaren politischen Epochenbruches 1918 in Mainz. Erst am 30. Juni 1930 zogen die französischen Truppen aus der „Mainzer Zone“ wieder ab.
1918
Beispiel: Einführung von Französischunterricht
Die widerstrebenden Dynamiken zwischen den Implementierungszielen der Besatzungsmacht und dem Selbstbehauptungswillen der Stadtverwaltung führten zu einer Eskalation, als der französische Befehlshaber General Charles Mangin zu Beginn des Jahres 1919 beabsichtigte, an den Mainzer Schulen französischen Sprachunterricht verbindlich einzuführen. Die Vorgänge haben ihren Niederschlag unter anderem in städtischem Verwaltungsschriftgut gefunden. So ging am 7. Februar 1919 bei der Stadtverordnetenversammlung eine Anfrage des Stadtverordneten Christ ein. Dieser hatte Gerüchte gehört, dass die Einführung eines flächendeckenden Französischunterrichts unmittelbar bevorstehe. Allerdings war der zuständige Schulausschuss der Stadtverordnetenversammlung darüber nicht informiert worden.
Oberbürgermeister Göttelmann antwortete, dass er von dieser Absicht zufällig von General Mangin erfahren habe. Die Anordnung war offenbar bereits am 25. Januar 1919 erfolgt. Die Stadtverordnetenversammlung wertete diese Anordnung als Überschreitung der Kompetenzen der französischen Besatzungsmacht und beschloss bei nur zwei Gegenstimmen, bei der Waffenstillstandskommission im belgischen Spa offiziell Einspruch einzulegen.
Bereits am 9. Februar 1919 wurde Göttelmann aufgrund dieser Sache zu zwei französischen Ordonnanzoffizieren einbestellt. Sie gaben ihm zu verstehen, dass der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung bei den Besatzungsbehörden nicht gut aufgenommen worden sei. Am Folgetag sprach Göttelmann mit General Mangin persönlich und fertigte im Anschluss an die Unterredung ein Gedächtnisprotokoll an. Demnach hatte Mangin den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung als Affront aufgefasst, weil die Debatte nicht genehmigt worden sei. Laut Göttelmanns Aufzeichnungen folgte eine scharfe Diskussion, in welcher der Oberbürgermeister darlegte, dass seiner Ansicht nach die Debatte unumgänglich gewesen sei und die Besatzer nur das durchsetzen dürften, was ihnen den Waffenstillstandsbedingungen entsprechend ausdrücklich erlaubt sei. General Mangin habe demgegenüber – so notierte es Göttelmann – die Auffassung vertreten, dass erlaubt sei, was nicht ausdrücklich verboten sei: „Es ist noch Krieg, nur die Waffen schweigen“, zitiert das Stadtoberhaupt den französischen Befehlshaber.
Am 11. Februar 1919 ging bei Göttelmann ein Brief ein, in dem General Mangin dem Oberbürgermeister vorwarf, aus einer sozialen Frage ohne Not eine politische Frage gemacht zu haben. Aus diesem Grund sei das Verhältnis zwischen beiden tief gestört. Göttelmann erklärte daraufhin seinen Amtsverzicht, die Geschäfte führte Kommissarisch Bürgermeister Dr. Karl Külb (1870-1943). Während der ersten Separatistenunruhen wurde Karl Göttelmann am 26. April 1919 von der französischen Militärregierung schließlich aus Mainz ausgewiesen, er beantragte daraufhin die Versetzung in den Ruhestand.
Diese Machtprobe zwischen der französischen Besatzungsmacht und der Mainzer Stadtverwaltung war damit entschieden. An diesem Konflikt zeigte sich beispielhaft, dass die französische Besatzungsmacht nicht an einer autonomen Selbstverwaltung der Stadt interessiert war, sondern die Verwaltung als Instrument ihrer Herrschaft unter Kontrolle halten wollte. Auch Göttelmanns Nachfolger, der am 23. Juni 1919 von der Stadtverordnetenversammlung zum Oberbürgermeister gewählte Karl Külb, ereilte ein ähnliches Schicksal. 1923 wurde er, wie zahlreiche weitere MainzerInnen, für anderthalb Jahre in unbesetztes Gebiet ausgewiesen. Dies verdeutlicht, wie fest der Zugriff der Besatzung auf die politischen Institutionen der Stadt war.
Beispiel: Ausstattung französischer Amtsgebäude mit Gemälden aus der Städtischen Gemäldegalerie
Ein weiteres Beobachtungsfeld illustriert die Machtverhältnisse auf symbolischer Ebene: Die französischen Besatzungsverwaltung beschlagnahmte nicht nur zahlreiche Gebäude und Wohnungen. Sie strebte auch an, Amtsgebäude der Besatzungsmacht mit Gemälden aus der Städtischen Gemäldegalerie repräsentativ auszustatten. Trotz ablehnender Stimmen aus der Leitung wurde den Bitten nachgegeben und Leihgaben an die französischen Besatzer ausgehändigt.
Jedoch sollte es nicht bei einer bloßen Dekoration der wichtigsten Amtsgebäude bleiben. Die französischen Militär-Administratoren der Provinz und des Kreises – darunter General Mangin selbst – verlangten weitere Gemälde, welche sie verwenden wollten, um ihre Wohnquartiere zu dekorieren. Dies führte zu stärkeren Protesten der Museumsleitung. Der Bestand im Magazin sei schon stark geschrumpft, entgegnete man, bald müsse man auf Gemälde aus dem Akademiesaal zurückgreifen. Dies geschah später tatsächlich, was zu Lücken in den Ausstellungen führte.
Ab dem 13. Juni 1919 schaltete sich Mangin in die Vorgänge ein und erklärte, dass keine weiteren Gemälde ausgeliehen werden dürften. Trotzdem folgte die nächste Anfrage auf weitere Gemälde bereits am 21. Juni 1919. Insgesamt wurden 64 Gemälde an die französische Administration ausgehändigt. Trotz einiger Komplikationen wurden diese beim Abzug der Besatzung wieder in ihrer Gesamtheit an die Städtischen Gemäldegalerie zurückgegeben.
1918
Einquartierungen
Kurz vor der Besetzung der Stadt Mainz durch französische Truppen richtete der „Mainzer Anzeiger“ am 4. Dezember 1918 folgende Worte an die Bevölkerung: „Es ist selbstverständlich und die Pflicht eines jeden, dem Feinde mit Ruhe, Ernst und Würde zu begegnen, dazu gehört nicht, daß aus Missverständnis die Fahnen, die zur Begrüßung unserer Soldaten dienten, dann noch wehen. Es wird darum Sache aller Bürger sein, Fahnen und anderen Schmuck rechtzeitig zu entfernen“. Die Passage bringt deutlich zum Ausdruck, als was man die einrückenden Franzosen betrachtete: als Feinde.
Am 9. Dezember 1918 erreichten die ersten größeren Kontingente der 10. Französischen Armee Mainz. Die Besatzung wurde bis zu ihrem Ende am 30. Juni 1930 zu einem prägenden Faktor des Lebens in der Stadt. Mainz musste während dieser Zeit tausende französische Soldaten aufnehmen. Allein bis Ende Dezember 1918 wurden in Mainz 5453 Offiziere und Soldaten sowie 360 Pferde einquartiert.
Die Besatzungstruppen hatten – so bewertete es zumindest das Einquartierungsamt Mainz – hohe Ansprüche bezüglich ihrer Unterbringung. In einer Unterkunft sollten eine Kochgelegenheit sowie Platz für die Einnahme von Mahlzeiten vorhanden sein. Auch sollten Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen sowie Beleuchtungs- und Brennstoffe bereitgestellt werden.
Für die Einquartierungen der Truppen nutzte man Massenquartiere, Magazine, Wachtlokale, Lagerplätze, Lagerhallen und Hotels – beispielsweise den „Mainzer Hof“. Jedoch wurden auch Wohnungen und Zimmer von BürgerInnen u.a. für die Unterbringung von Offizieren herangezogen. Darüber hinaus beschlagnahmten die Franzosen Gebäude, Wohnungen, Werkstätten, Lagerplätze, Magazine und Verkaufsräume.
Die Anfangsphase der Besatzung war von vielen Restriktionen des öffentlichen und privaten Lebens gekennzeichnet. Es galt ein Versammlungsverbot, die Pressefreiheit wurde stark eingeschränkt, ebenso die Bewegungsfreiheit. So gab es ab dem ersten Tag der Besatzung eine nächtliche Ausgangsperre, die von acht Uhr abends bis sechs Uhr morgens galt. Für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel sowie von Automobilen und Motorrädern war eine Genehmigung erforderlich.
Zudem war das Reisen von besetztem Gebiet in unbesetztes Gebiet i.d.R. nicht erlaubt und erforderte eine gesonderte Genehmigung. Auch das Versenden von privaten Briefen oder das Telefonieren zwischen einem besetzten und einem unbesetzten Gebiet war untersagt.
Es dauerte einige Wochen, bis es zu Lockerungen kam. Ab Februar 1919 konnte man sich, unter Vorlage eines Ausweises, einer sogenannten „Carte d´identité“, im jeweiligen Gebiet frei bewegen. Nach dem 12. Juni 1919 fiel das Verbot von Reisen von einem besetzten in ein unbesetztes Gebiet. Verkehrsmittel konnte man ab März 1923 wieder uneingeschränkt nutzen.
Reibungen im Alltag
Dadurch, dass tausende französische Soldaten in der Stadt lebten, wurden Begegnungen zwischen den Soldaten und Mainzer BürgerInnen zum Alltag. Oft verliefen diese friedlich. Es entstanden freundschaftliche Kontakte, doch es häuften sich auch Straftaten, die aktenkundig wurden. In den Polizeiberichten der Jahre 1919 bis 1920, deren Wahrheitsgehalt jedoch nicht überprüft werden kann, finden sich Dutzende Vorfälle, in die französische Soldaten involviert waren. Hier einige wenige Beispiele.
Am 4. Januar 1919 erschien der Kaufmann Albert Krackenberger aus der Vorderen Präsenzgasse auf einer Polizeiwache und schilderte, dass er am 2. Januar 1919 gegen 22 Uhr an der Ecke Fuststraße/Ludwigstraße von französischen Soldaten um eine Zigarette gebeten worden sei. Als er der Bitte nachkommen wollte, stahlen ihm – so stellte es Krackenberger dar – die Soldaten sein silbernes Zigarettenetui. Deshalb wandte er sich an einen befreundeten Brigadier, der mit einigen Kameraden die betreffenden französischen Soldaten offenbar stellte. Diese gaben aber nicht das Etui zurück, sondern die Brieftasche eines anderen Überfallenen. Das in der Brieftasche ursprünglich enthaltene Bargeld blieb verloren.
Ein weiterer Fall vom 7. Dezember 1920 stellt sich in den Unterlagen folgendermaßen dar: Der Lokführer Kaspar Kaufmann berichtete, dass er mit Frau und Kindern sowie einem befreundeten weiteren Lokführer die Große Bleiche entlang gegangen sei, als ihm plötzlich ein französischer Posten in den Weg gesprungen sei und versucht habe, seine Frau zu belästigen. „Mit vereinten Kräften“ sei das jedoch unterbunden worden.
Die Stadtverordnetenversammlung und der Oberbürgermeister leiteten derlei Polizeiberichte häufig als Beschwerde an die französische Besatzungsmacht weiter, damit diese die Vorfälle untersuchen und die betroffenen Soldaten ggf. bestrafen sollten. Sogar die Interalliierte Rheinlandkommission, die für die französisch-belgische Zone ihren Sitz in Mainz hatte, wurde mit dieser Thematik konfrontiert. Am 23. Dezember 1920 beantwortete die Interalliierte Rheinlandkommission entsprechende Beschwerden und beteuerte, dass auch die französischen Behörden an einer friedlichen Besatzung interessiert seien und Straftaten französischer Soldaten konsequent verfolgten. Allerdings zweifelte die Kommission die Vorkommnisse teils an. So behauptete sie, Straftaten seien mitunter von Deutschen in französischen Uniformen begangen worden. Andere Vorfälle seien provoziert worden, würden übertrieben dargestellt oder seien sogar gänzlich erfunden.
Dabei sprach die Kommission auch den Vorfall an, von dem Kaspar Kaufmann berichtet hatte. Seine widersprüchlichen Aussagen hätten deutlich gemacht, dass sein Bericht erfunden sei, erklärte die Kommission. Auf einer belebten Straße wie der Großen Bleiche sei ein solcher Vorfall nicht möglich. Die Kommission hielt den Beschwerden entgegen, dass man mit allen Mitteln versuche, Konflikte zu verhindern, etwa durch gemeinsame Patrouillen mit deutschen Polizisten. Bestrafungen französischer Soldaten seine äußerst selten erforderlich. Darüber hinaus habe es auch vor dem Krieg schon Vorfälle in gleicher Zahl zwischen deutschen Soldaten sowie Mainzerinnen und Mainzern gegeben, argumentierte die Interalliierte Rheinlandkommission.
Die Reaktionen von französischer Seite zeigen, dass man sich als friedliche Besatzungsmacht darstellen und deutlich machen wollte, dass es vorrangiges Ziel sei, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Zudem würden Delikte französischer Soldaten verfolgt. Darüber hinaus wird erkennbar, dass eine Häufung von Vorfällen verharmlost oder gänzlich abgestritten wurde. Diese relativierenden Aussagen stehen nicht im Einklang mit der deutschen Wahrnehmung.
Auch hier zeigt sich eine Machtlosigkeit der Mainzer Stadtverwaltung gegenüber Übergriffen der Besatzungsmacht. Die französische Besatzungsmacht sah sich zwar zu einer Antwort auf die Berichte genötigt, konnte die Vorwürfe jedoch ohne weitreichende Konsequenzen abschmettern.
Womöglich Liebe – zur Interpretation von Studio-Fotografien
Trotz einer verbreiteten anti-französischen Stimmung kam es zu Annäherungen zwischen Mainzerinnen und Besatzungssoldaten. Liebesbeziehungen standen jedoch stets unter schwierigen Voraussetzungen und führten zu teils harschen Reaktionen.
Trotz der Widrigkeiten gibt es zahlreiche Belege für solche Beziehungen. Vor allem Beziehungen zwischen Mainzerinnen und dunkelhäutigen Kolonialsoldaten stellten aufgrund der Propaganda von einer sogenannten „Schwarzen Schmach“ jedoch eine Besonderheit dar.
Der Ausdruck „Schwarze Schmach“ war ein Propagandabegriff, der auch von Teilen der deutschen Presse häufig verwendet wurde. Die Anwesenheit von dunkelhäutigen Kolonialsoldaten wurde damit als besonders demütigend dargestellt. Grundlage dieser Propaganda bildeten rassistische Ressentiments, wonach Kolonialsoldaten als überproportional gewalttätig dargestellt wurden. Außerdem warf man ihnen hohe Bereitschaft für Vergewaltigungen vor, obwohl nachweislich weniger sexuelle Übergriffe von Kolonialsoldaten als von anderen französischen Soldaten verübt wurden. Ziel der der mit dem Begriff betriebenen Hetzkampagne war die Entmenschlichung der dunkelhäutigen Soldaten, die als „Bestien“ stilisiert wurden.
Ein besondere Quelle zum Zusammenleben stellen Studienfotografien aus dem damaligen Mainzer Atelier Ranzenberger in der Rheinstraße 45 dar. Sie zeigen Mainzerinnen mit Kolonialsoldaten.
Allerdings fehlen ergänzende Informationen, die eine klare Einordnung der Aufnahmen ermöglichen. In welcher Beziehung die Personen auf den Fotos zueinander standen, ist daher letztlich unklar. Ob es sich tatsächlich um Liebespaare handelte, wie es die Aufnahmen augenscheinlich nahelegen, oder eher um Bekanntschaften und wer die Frauen waren, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Bei der Interpretation der Fotos ist zudem zu bedenken, dass diese allein schon durch die Studio-Situation gestellt waren und individuellen Selbstinszenierungs-Zwecken dienten.
Allein die Existenz dieser Fotos belegt jedoch, dass, anders als durch zeitgenössische Propaganda behauptet, durchaus freundschaftlicher, bzw. mutmaßlich auch romantischer Kontakt zwischen MainzerInnen und französischen Soldaten bestand. Bis Ende 1923 konnten in ganz Rheinhessen darüber hinaus 20 Nachkommen von deutschen Frauen und Kolonialsoldaten ermittelt werden. Später wurden diese Kinder von den Nationalsozialisten als „Rheinlandbastarde“ diffamiert und verfolgt.
Beispiel für ein gutes Miteinander: das Gästebuch der Familie Klippe
Konflikte finden leichter Niederschlag in amtlichen Schriftstücken oder in Zeitungen als der ganz normale Alltag. Diese Problemorientierung führt nicht selten zu einer Verzerrung der zeitgenössischen Wahrnehmung sowie späterer Geschichtsschreibung.
Auch der Umgang mit der französischen Besatzungszeit nach dem Ersten Weltkrieg in Mainz ist von solchen Verzerrungen nicht frei, zumal zeitgenössisch auch gezielt antifranzösische Stimmungen angefacht wurden. Probleme sollen hier nicht kleingeredet werden. Es gab sie zweifellos. Aber sie waren nicht die einzige Facette der Besatzungszeit.
Zum Gesamtbild gehört viel alltägliches Zusammenleben. Und es gibt auch Quellen, die auf ein Neben- und Miteinander von MainzerInnen und Besatzungssoldaten hindeuten, das von gegenseitigem Respekt und Dankbarkeit geprägt war. Ein Beispiel dafür bietet das Gästebuch der in der Neutorstraße 11 ansässigen Familie Klippe, das sich im Mainzer Stadtarchiv erhalten hat.
Bei Familie Klippe waren über einen langen Zeitraum hinweg französische Soldaten einquartiert – die genaue Konstellation kann leider nicht mehr nachvollzogen werden. Das Wohngebäude der Familie beherbergte offenkundig kein Gasthaus. Daher ist davon auszugehen, dass es sich um private Einquartierung handelte. Über die Entstehungsgeschichte des Gästebuchs sowie dessen Zweck kann allenfalls spekuliert werden.
Jedenfalls beinhaltet das Buch zahlreichen Danksagungen von Soldaten, die bei Familie Klippe wohnten. Darin ist vielfach von einer großen Gastfreundlichkeit der Mainzer Familie die Rede, sowie einem angenehmen Aufenthalt in der „belle ville Mayence“. Auch der gute Wein und das Essen werden gelobt. Die Einträge vermitteln einen persönlichen, privaten Einblick in das Zusammenleben, welches von den Franzosen, die dort zu Gast waren, ausnahmslos positiv dargestellt wurde.
Die Einträge vermitteln damit ein anderes Bild als die von Negativaspekten geprägte Berichterstattung. Demnach funktionierte das Miteinander gut. Nicht wenige Soldaten schienen regelrecht traurig zu an, als sie aus Mainz abgezogen wurden. Zum Beispiel heißt es da wehmütig: „partir […] c’est mourir un peu“ (Abschied nehmen ist ein bisschen wie sterben), oder auch „adieu, ce mot cause des larmes“ (Adieu, dieses Wort verursacht Tränen).
1918
Beispiel: Die zweisprachige Wochenzeitung „Le Rhin Illustré – Der Rhein im Bild“
Die französische Besatzungsmacht betrieb eine breit angelegte Kulturpolitik. Im Sinne einer „penetration pacifique“, einer „friedlichen Durchdringung“, sollte sie die deutsche Bevölkerung für die Strahlkraft der französischen Sprache und Kultur einnehmen. Vielfach wurde diese Kulturpolitik jedoch als Ausdruck eines triumphalistischen Überlegenheitsgefühls gedeutet und von der Bevölkerung teils sogar boykottiert.
Als ein anschauliches Beispiel für die Umsetzung der „penetration pacifique“ kann die zweisprachige Wochenzeitung „Le Rhin Illustré – Der Rhein im Bild“ gesehen werden, die ab 1919 in Mainz von den französischen Besatzungsbehörden veröffentlicht wurde. Das erklärte Ziel lautete: „Encourager l’esprit et le commerce rhénan. Intérésser le soldat français à la vie locale.“ – „Rheinisches Leben und Handel fördern. Die französischen Soldaten für das rheinische Leben interessieren.“
Dieser Anspruch wird ganz unmittelbar in einem zweigliedrigen deutsch-französischen Aufbau der Zeitung deutlich: Texte erschienen sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache, was die Zeitung zu einer idealen Handreichung für das vergleichende Erlernen der jeweils anderen Sprache machte. Aber auch die Auswahl der behandelten Themen zeugte von einem deutsch-französischen Ansatz: So wiesen Artikel wiederholt auf frühere Begegnungen zwischen Deutschen und Franzosen hin: „Les français ont toujours exercé sur la population de Mayence un curieux attrait” – „die Franzosen übten schon immer auf die Mainzer Bevölkerung eine seltsame Anziehungskraft aus“, las man da beispielsweise.
Zum Profil der Zeitung gehörte zudem die Behandlung aktueller politischer Entwicklungen in Mainz und darüber hinaus. Das Spektrum umfasste aber auch Themen wie die Legende von der Lorelei sowie Werbung für Konzerte für französischer Orchester. Sogar die Werbeanzeigen waren zweisprachig gestaltet. In ihnen spiegelt sich in eindrücklicher Weise das kulturelle Leben in Mainz jener Zeit.
Durchweg fällt auf, dass die Beiträge in „Le Rhin Illustré – Der Rhein im Bild“ von einem sehr positiven Grundton getragen waren. Damit wollte man offenbar dem Anspruch gerecht werden, den deutsch- französischen Austausch und das gegenseitige Verständnis zu fördern. Zugleich war die Perspektive sehr eingeschränkt, da die von der Besatzungsmacht herausgegebenen Zeitung auf Konflikte oder mögliches Fehlverhalten von französischer Seite nicht einging. Inwiefern die Beiträge die tatsächliche Stimmungslage in der Mainzer Bevölkerung widerspiegelten, muss offen bleiben, ebenso wie die Frage, wie die Mainzer Leserschaft „Le Rhin Illustré – Der Rhein im Bild“ aufnahm und welche Reichweite diese Zeitung hatte.
Während der Besatzungszeit wurde die Mainzer Fastnacht einer Reihe von Restriktionen unterworfen, denn die Besatzungsmacht sah im närrischen Treiben eine potenzielle Quelle anti-französischer Stimmungen.
Das „Mainzer Journal“ teile 1920 folgende regierungsamtliche Linie mit:
„Wenn von einer solchen Feier schon während der Kriegsjahre in verständnisvoller Erfassung des ernstes der Zeitlage abgesehen worden ist, so erscheint unsere derzeitige politische und wirtschaftliche Lage zu einer weniger ernsten Auffassung ganz gewiß nicht geeignet, am wenigsten in dem Augenblick, in dem das große Elend so deutlich vor Augen tritt, das zu allen anderen noch die furchtbaren Überflutungen in den letzten Wochen über so zahlreiche rheinische Familien gebracht haben. Schon aus diesem Grund muß jedes öffentliche Hervortreten des Karnevals, das nur geeignet sein würde, die Gefühle weitester Kreise zu verletzen, mithin angehalten werden.“
Auch wenn damit das große Fastnachtstreiben 1920 ausblieb, gibt es doch Anhaltspunkte für fröhliches Zusammensein in kleinerem Rahmen. Das „Mainzer Journal“ berichtete über den Rosenmontag 1920: „Auf den Straßen der Stadt war es völlig ruhig, keine Maske war sichtbar“. Weiter hieß es jedoch: „Dagegen haben viele Vereine gesellige Veranstaltungen gehalten, Theateraufführungen und Tanzvergnügen haben stattgefunden. Diese scheinen auch durchweg gut besucht gewesen zu sein“.
Fastnacht als Plattform für Kritik – das Beispiel der „Mainzer Carneval Zeitung“
Dass die französischen Befürchtungen, an Fastnacht könnten kritische Stimmen laut werden, nicht aus der Luft gegriffen waren, zeigt das Beispiel einer von August Fürst gehaltenen Büttenrede aus dem Jahr 1925, die in der „Mainzer Carneval Zeitung“ dokumentiert wurde: „Die Zeitunge schreibe wieder unter ihrer Flagg, der fremde Druck iß nit mehr so stark, der Maulkorb ist etwas erweitert wor´n, doch wer bellt – der kriecht heit noch vor´s knorr´n“ erklärte Fürst vor dem Mainzer Carneval-Verein.
Neben der Beschäftigung mit der Armut infolge des Krieges, befasst sich die Rede ausführlich mit der französischen Besatzung. Themen sind unter anderem die geltenden Reisebeschränkungen, die Einschränkung von Versammlungen, die Einquartierung von Franzosen in Mainzer Wohnungen und die Teuerung der Miete im besetzten Gebiet. Fürst hofft, dass sich die Situation durch die Locarno Verträge vom Jahre 1925 bessern, während er sich von revisionistischen Bestrebungen distanziert.
1918
Zollgrenzen
Gemäß den Bestimmungen des Waffenstillstandsvertrags wurde das linksrheinische deutsche Gebiet sowie rechtsrheinische Brückenköpfe im Bereich von Mainz, Köln und Koblenz von den Alliierten besetzt. Die Grenze zum nichtbesetzten Gebiet wurde als Zollgrenze festgelegt und rechtsrheinisch eine weiträumige „neutrale Zone“ geschaffen. Diese Sanktionsmaßnahmen trafen Mainz besonders hart, da sie Verkehr und Handel massiv erschwerten.
Die neuen Gegebenheiten hatten wirtschaftlich dramatische Folgen. Zahlreiche Mainzer Firmen gingen in Konkurs, da sie Gebiete außerhalb der Besatzungszone nicht mehr erreichen und Kunden dort nicht mehr beliefern bedienen konnten. In weiter gefasster historischer Perspektive endete mit der französischen Besatzung in Mainz eine Phase, die über Jahrzehnte von wirtschaftlichem Wachstum geprägt war.
Mangel an Lebensmitteln
In der angespannten Versorgungssituation nach Ende des Ersten Weltkriegs war es ein zentrales Anliegen der Stadt Mainz, die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern. Diese Bemühungen wurden jedoch durch die Besatzung erheblich erschwert. Die Bestimmungen der Alliierten und die Einschränkungen im Verkehrswesen hatten zur Folge, dass bestimmte Nahrungsmittel knapp wurden.
Eine Unterversorgung entstand beispielsweise bei Milch und Milchprodukten sowie bei Kartoffeln und Fleisch. Eine Verbesserung der Situation trat erst ein, als die französische Besatzungsmacht in richtiger Einschätzung der kritischen Lage ab Frühjahr 1919 Nahrungsmittel zur Verteilung brachte.
In einem ausführlichen Bericht dokumentierte Clara Schapiro, eine Polizeiassistentin in Mainz, Wahrnehmungen und Erfahrung bezüglich der Lebensmittelnot. Ihr Bericht ist einseitig und von einer antifranzösischen Haltung geprägt, er enthält aber dennoch relevante Informationen. Schapiro schildert beispielsweise, dass französische Soldaten und ihre Angehörigen nicht vom Mangel an Lebensmitteln betroffen gewesen seien, da sie bevorzugt versorgt wurden. Auch hätten sie wenig Rücksicht auf die Versorgung der MainzerInnen genommen.
Einem Schreiben des städtischen Wirtschaftsamt vom 31. Juli 1920 ist zu entnehmen, dass es wegen eines akuten Mangels an Obst und Gemüse Unruhen auf dem Marktplatz gegeben habe. In deren Folge würden Erzeuger ihre Produkte nun an anderen Orten verkaufen. Um dem Mangel abzuhelfen, wurden Händler beauftragt Obst und Gemüse in Bayern und der Pfalz einzukaufen. Zudem sollte die Lage dadurch stabilisiert werden, dass der Oberbürgermeister am 5. Juli 1920 Richtpreise für Obst und Gemüse festlegte.
Im Winter 1918/19 führten die Blockadebestimmungen und die Hemmnisse des Verkehrs zu einer besonders schwierigen Versorgungslage. Es kam zu Mangelernährung, die zu einer erhöhten Kindersterblichkeit führte. Schließlich sah sich die Besatzungsmacht gezwungen zu handeln, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Mit Blick auf den zweiten Winter unter Besatzungsbedingungen wurde in einer Note vom 18. November 1919 die Einrichtung von Suppenküchen in Mainz veranlasst.
Mittellose, Arbeiter, deren Fabriken geschlossen wurden, Frauen, Kinder und Alte sollten Zugang zu einer bis zwei Portionen Gemüsesuppe pro Tag bekommen. Diese Rationen sollten unter Leitung von französischen Küchensoldaten durch deutsche Mitarbeiter ausgegeben werden. In Mainz wurden sowohl in der Marienschule wie auch im Marienheim in der Rosengasse eine Suppenküche eingerichtet. Je eine Suppenküche wurden auch in der neuen Volksschule Mainz-Kastel sowie im Schwesternhaus in Mainz-Kostheim eingerichtet.
1918
Französische Erinnerungskultur in Mainz – Der französische Garnisonsfriedhof auf dem Mainzer Hauptfriedhof
Zu den bis heute sichtbarsten Spuren der Besatzungszeit von 1918 bis 1930 zählen Grabstätten auf dem Mainzer Hauptfriedhof. Sie gehören zum 1919 angelegte und noch bis heute bestehende, etwa 6000 Quadratmeter großen Französischen Garnisonsfriedhof. Dieser diente als Bestattungsort für französischen Soldaten, die im Rahmen der alliierten Rheinlandbesetzung bis 1930 in Mainz stationiert waren und verstarben.
Rund 600 schlicht gehaltene Grabsteine der französischen Armee haben sich bis heute erhalten. Darunter befinden sich etwa 400 Grabstätten von Kolonialsoldaten, die teils muslimischen Glaubens waren, was an einer entsprechenden Gestaltung – unter anderem einem Halbmond auf dem jeweiligen Grabmal – ablesbar ist.
Das Zentrum des Garnisonsfriedhofs bildet ein beindruckender, 14 Meter hoher Obelisk aus Sandstein mit einer weibliche Skulptur, die einen französischen Stahlhelm trägt. Das 1925 vom Bildhauer Louis Henri Nicot entworfene Monument trägt die Inschrift:
L´ARMEE RHIN
AUX SOLDATS
FRANCAIS
MORTS EN
PAYS RHENANS
(Die Rhein Armee. Den im Rheinland gefallenen französischen Soldaten.)
Die französische Besatzungszeit nach dem Ersten Weltkrieg hat das Mainzer Stadtbild nachhaltig verändert, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht auffallen mag. Denn die Veränderungen betreffen nicht etwa besonders imposante Gebäude, die die Macht der neuen Herrscher demonstrieren sollten, oder die Anlage neuer repräsentativer Stadtviertel. Vielmehr geht es darum, was seit der französischen Präsenz infolge des Ersten Weltkriegs kaum noch zu sehen ist: Gebäudekomplexe der ehemaligen Mainzer Festungsanlage.
Mainz hatte schon als Hauptstadt von Kurmainz den Charakter einer Festungsstadt angenommen, als ab 1619 als erste Festungsanlage die Schweikhardtsburg errichtet wurde. In den folgenden Jahrhunderten immer weiter ausgebaut, blieb Mainz Festungsstadt, auch wenn sich die Garnison von Kurmainzer Truppen zu Franzosen, von Franzosen zu Preußen und Österreichern und schließlich von Preußen und Österreichern zu reichsdeutschen Truppen veränderte, ebenso wie der rechtliche Status und Teile der Anlagen, die im frühen 20. Jahrhundert aufgelassen wurden.
Vor und im Ersten Weltkrieg erfuhren die Festungsanlagen nochmal eine Expansion. So erreichten die Anlagen mit ihren Vorwerken die umliegenden Ortschaften in einem Umkreis von mehr als 26 Kilometern, wodurch sich etwa Befestigungen in Heidesheim, Ober-Olm oder Zornheim befanden.
Spuren der Besatzungszeit nach dem Ersten Weltkrieg in der Mainzer Fastnacht
„Heile, heile Gänsje, es is bald widder gut“ – noch heute klingt das in den 1920er-Jahren entstandene und über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Fastnachtslied durch die Hallen und Straßen, wenn in Mainz die fünfte Jahreszeit gefeiert wird. Der Gassenhauer ist damit eine kulturelle Spur, gewissermaßen ein „Nachklang“ der Besatzungszeit ab 1918. Und er ist nicht die einzige Verbindung zu dieser Zeit.
Dass die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg für die Mainzer Fastnacht mit erheblichen Einschränkungen – etwa dem Verbot der Straßenfastnacht – verbunden waren, wurde bereits dargelegt. Aber die Mainzer reagierten darauf kreativ – jedenfalls besagen dies einige schwer belegbare Mythen und Legenden, die sich hartnäckig um diese Zeit ranken.
So wollte angeblich ein französischer General, dessen Namen wie ähnlich wie „Ritzamba“ geklungen habe, die Fastnacht ganz verbieten. Wütende Fastnachter sollen daraufhin vor seinem Haus aufgetaucht sein und gesungen haben: „Ritzamba, Ritzamba, morsche fängt die Fastnacht a.“ Daraus soll dann der Narrhallamarsch „Ritzamba“ entstanden sein.
Im Zusammenhang mit der ersten Saalfastnacht während der französischen Besatzung 1925 sollen zum ersten Mal die berühmten Liedverse: „Sie kriehn uns nitt, sie kriehn uns nit, sie kriehn uns nitt kaputt, m’r halle unser Fassenacht und mache unser Dutt,“ erklungen sein.
Die Verse des bereits zitierten Kinderliedes „Heile, heile Gänsje“ wurden von Martin Mundo 1929 so verändert, dass sie sehr direkt und mit unverblümter Ablehnung auf die französischen Besatzer Bezug nahmen: „Der Gutenberg, wie altbekannt, Mogunitas schönste Zier, im goldnen Mainz den Druck erfand, dann ging er fort von hier. Nach Straßburg hat er sich gesetzt. Und dorten druckte er, drum kommt aus dieser Richtung jetzt, der ganze Druck hierher. Ihr deutschen Drucker seht euch an, was Määnz for’n Druck vertrage kann: Heile, Heile Gänsje, ‘s is bald widder gut, s‘ Kätzje hot e Schwänzje, ‘s is bald widder gut, heile, heile Mausespeck, in vier, fünf Jahr is alles weg.“
Dass sich die Mainzerinnen und Mainzer ihre Fastnacht nicht nehmen lassen, zeigte sich jüngst auch in der pandemiebedingten Pause. So stand die ausfallende Session 2021 erneut unter dem Motto „Heile, heile Gänsje, es is bald widder gut“. Die antifranzösischen Anklänge des Textes aus den schwierigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg spielten dabei überhaupt keine Rolle – sie sind glücklicherweise historisch in weite Ferne gerückt.
Fazit
Ziel dieser Präsentation, die als Teil des Projekts „Mainzer Modelle für Digital erweitertes Lehren und Lernen (ModeLL-M)“ von der „Stiftung Innovation in der Hochschullehre“ gefördert wurde, war es, zentrale Aspekte der Umbrüche von 1798 und 1918 herauszuarbeiten und – soweit möglich – Vergleichsperspektiven aufzuzeigen. Dabei zeigten sich mit Blick auf politische, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Gesichtspunkte sowohl sehr unterschiedliche als auch ähnliche Aspekte.
Als elementar verbindender Gesichtspunkt trat der Aspekt ins Sichtfeld, dass sich in beiden Fällen ein Wechsel zu französischer Herrschaft vollzog – daher der Haupttitel dieser Präsentation: „Zweimal Frankreich und zurück“. Festhalten lässt sich ferner, dass beide Herrschaftswechsel prägend waren und Spuren beider „Reichsenden“ nach wie vor ablesbar sind.
Auf das Leben der MainzerInnen hatten die Umbrüche tiefgreifende Auswirkungen. So brachten die französischen Truppen 1798 nicht nur Französisch als neue Amtssprache mit, sondern auch ihre Feste und den Revolutionskalender, der den Alltag der Menschen auf den Kopf stellte. 1918 hingegen wurde lediglich die französische Sprache in allen Mainzer Schulen verpflichtend, was bestehende Gegensätze jedoch eher verstärkte als abschwächte.
Beide Herrschaftswechsel bedeuteten einen ökonomischen Einschnitt für Mainz, da die Stadt größtenteils vom rechtsrheinischen deutschen Wirtschaftsraum abgetrennt wurde. Die Stationierung französischer Soldaten bot zudem Anlass für soziale Spannungen, die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen dürfen, dass es in beiden Fällen auch zu etlichen Kontakten, Freundschaften sowie Liebesbeziehungen kam.
Mit dem Ende der Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg brach der Kontakt zu Frankreich nicht ab. Infolge des Zweiten Weltkriegs kam Mainz erneut unter französische Besatzung. Mit dem Élysée-Vertrag von 1963 wurde dann ein neues Kapitel der deutsch-französischen Beziehungen aufgeschlagen. Durch die enge Zusammenarbeit beider Länder sind die Beziehungen überaus freundschaftlich, was auch in der Städtepartnerschaft zwischen Mainz und Dijon zum Ausdruck kommt – einer der ersten zwischen den beiden Ländern.
Diese virtuelle Ausstellung wurde im Sommersemester 2023 im Rahmen der beiden Hauptseminare „Reichsenden am Rhein: Der Epochenumbruch 1797/98 in Mainz“ und „Reichsenden am Rhein: Der Epochenumbruch 1918/19 in Mainz“ am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität erstellt. Dieses Seminar war eingebettet in das von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderte Projekt „Mainzer Modelle für digital erweitertes Lehren und Lernen (ModeLL-M)“ (https://modell-m.uni-mainz.de).
Zum Autor:innenkollektiv gehörten Christian Belzer, Maximilian Karl Herbert Bihl, Leah Rivka Egold, Jennifer Petra Franz, Maria-Sophie Geneviève Gödderz, Franziska Grau, Celine Gresch, Nora Stephanie Groll, Lukas Michael Holin, Saskia Kleinewächter, Valentin Kronberger, Constantin Lieser, Francesco Marino, Dominik Matysiak, Lea Milnazik, Suria Sarmand, Niklas Schelp, Tobias Stettler, Jan Wehner, Nils Wohn, sowie Prof. Dr. Bettina Braun und Dr. Andreas Linsenmann.
V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Bettina Braun (E-Mail: braunbe@uni-mainz.de) und Dr. Andreas Linsenmann (E-Mail: linsenmann@uni-mainz.de), beide Johannes Gutenberg-Universität, Jakob-Welder-Weg 18, 55128 Mainz.
Sollten sich trotz sorgfältiger Recherche Irrtümer eingeschlichen haben, bitten wir um Hinweis an: braunbe@uni-mainz.de oder linsenmann@uni-mainz.de.
Das Autor:innenkollektiv dankt nachdrücklich dem Stadtarchiv Mainz, insbesondere dessen Leiter Prof. Dr. Wolfgang Dobras sowie Frau Ramona Weisenberger, Frau Regina Zölßmann sowie Herrn Dr. Frank Teske für vielfältige Unterstützung bei der Recherche sowie die Reproduktionsgenehmigung und die Zurverfügungstellung der Bildquellen. Die Umsetzung unserer Ideen wäre nicht möglich gewesen ohne die Universitätsbibliothek Mainz, deren Marketing-Team freundlicherweise die Gestaltung und technische Umsetzung übernahm; hier danken wir insbesondere Frau Silke Mohr für die unkomplizierte Kooperation.
Alle Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Für die Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung, Einspeicherung, Verarbeitung und Wiedergabe von Inhalten in Datenbanken oder anderen elektronischen Medien und Systemen muss die Zustimmung des Urhebers eingeholt werden. Erlaubt ist die Nutzung der Inhalte für private, wissenschaftliche und nicht kommerzielle Zwecke unter korrekter Angabe des Urhebers.
Kontakt
Gestaltung und technische Umsetzung dieser Seite: Universitätsbibliothek Mainz, website@ub.uni-mainz.de