Die 1990er-Jahre waren das Jahrzehnt, in dem sich digitale – damals „elektronisch“ genannte – Publikationsprodukte erstmalig in der Breite durchsetzten. Die typischen Geräte, auf denen diese Produkte genutzt wurden, waren so genannte Multimedia-PCs (PCs, die kleine Videos abspielen konnten und ein CD-ROM-Laufwerk sowie eine Soundkarte hatten).
Etablierte Verlage mit attraktiven Inhalten – „Content“ – waren in diesem Segment damit in Funktionsbereichen herausgefordert, in denen sie wenig bis keine Expertise hatten. Eine Möglichkeit der Kompensation bestand darin, für solche Produkte mit Technologieunternehmen zusammenzuarbeiten.
So entstand 1995 aus der Zusammenarbeit des Bibliographischen Instituts & F. A. Brockhaus (BIFAB) in Mannheim (Imprints/Marken: Duden, Meyer, Brockhaus) und Microsoft in Seattle (USA) bzw. Dublin (IRL) LexiROM, eine der ersten anspruchsvollen multimedialen (heute würde man sagen: multimodalen) CD-ROMs auf dem deutschen Markt, mit verschiedenen Nachschlagewerken von Duden, Meyer und dem unternehmerisch verbundenen Partner Langenscheidt. Die CD-ROM enthielt neben den Nachschlagewerk-Texten – u. a. ein kleines Lexikon, der Rechtschreib-Duden, ein Englisch-Wörterbuch – auch Bilder, Audios (z. B. Musikbeispiele), Videos (z. B. den „Ich bin ein Berliner“-Ausschnitt aus der Rede von John F. Kennedy) und Animationen (z. B. zur Erklärung des Coreolis-Effekts, der die Drehrichtung des Ablaufstrudels im Spülbecken bestimmt).
Dass Nachschlagewerke unter den ersten Multimedia-Produkten waren, ist kein Zufall: Bei ihnen zeigen sich die Vorteile und Produktivitätspotentiale des Digitalen am deutlichsten, z. B. eben durch die multimodale Anreicherung oder auch die Durchsuchbarkeit. Dass wegen des Webs – 1995 durchaus schon existent! – Nachschlagewerke dann auch die Büchergattung waren, die „offline“ am schnellsten und nachhaltigsten verdrängt wurde, ist eine andere Geschichte, die aber schon wenige Jahre nach LexiROM beginnt …
Ohne leistungsfähige Datenübertragungsmöglichkeiten und ohne Videokonferenzen stellte die transatlantische Kooperation zwischen BIFAB und Microsoft eine echte Herausforderung dar – deshalb spielten in der Zusammenarbeit neben E-Mails (die gab es schon …) auch Faxe und Kuriersendungen von CD-Rs (beschreibbaren CD-ROMs) noch eine wesentliche Rolle. Zudem mussten bisweilen Projektmitarbeitende für persönliche Begutachtungen und Arbeitstreffen über den Atlantik geflogen werden.
Bei den vorliegenden Objekten handelt es sich zum einen um ein Fax von Microsoft in Dublin an BIFAB, das erfreut und stolz die Übergabe der Master-CD-ROM an die Produktion („Release to Manufacturing“) zur Kenntnis bringt, mit handschriftlichen Anmerkungen von Christoph Bläsi für die interne Weiterverteilung in Deutschland. Zum anderen ist das betroffene Produkt selbst ausgestellt: die CD-ROM LexiROM mit ihrer aufwendigen Verpackung, die die Wertigkeit des Produkts betonen sollte. (Aus archivarischen Gründen wird hier die im Wesentlichen unveränderte Version 2.0 des Produktes gezeigt.)